Neben zahlreichen Stillleben warten bei der Auktion Alter Meister im Wiener Dorotheum vor allem Italiener auf den Kunstliebhaber. Ein Millionenwert ist auch intendiert  
Die heilige Magdalena kehrt wieder auf die Bühne der illustren Kunstwelt zurück und präsentiert sich voll Reue im Dorotheum. Bis hierher führte ein weiter Weg: Von Tizians Atelier, dann vermutlich im Besitz des kunstsinnigen Kaisers Rudolf II., nach Schweden zu Königin Christina entführt, an den Regenten Philippe II. Duc d’Orléans verkauft, ist sie nun aus einer englischen Sammlung in Wien eingetroffen. Dem venezianischen Meister werden zahlreiche Schöpfungen der Heiligen zugeschrieben. Zuerst malte der junge Tizian die Büßerin reizvoll, gänzlich unbekleidet und mit einem zuversichtlichen Blick in den Himmel, wie sie beispielsweise im Florentiner Palazzo Pitti zu sehen ist. Später erweiterte er den Fokus, auch wenn er die Haltung einer Venus Pudica weiterhin als Basis behielt. Er gab einen verheißungsvollen Blick in die Landschaft frei; gelegentlich, so auch bei diesem Gemälde, auf einen Baum, der seine Äste dem Licht entgegenstreckt. Zudem verlieh der lebenserfahrene Tizian seiner Heiligen mehr menschliches Gefühl. Nun wird der Blick tränenverschleiert und flehender. Zudem bedeckte er die Schöne und rückte einen Totenschädel näher an Magdalena. Im Gegensatz zur Petersburger Version sind hier die Augen – wesentlich gefälliger – weniger rot verquollen. Im Vergleich zum Exemplar im Getty Museum arbeitete er pastoser und erreichte dadurch eine natürlichere Erscheinung. Ein Magdalena-Bild mit hohem Werkstattanteil verabschiedete sich 2015 im Dorotheum bei 140.000 Euro, eine eigenhändige, fast identische, vielleicht etwas summarischere Abhandlung 2018 bei Christie’s in London für 580.000 Pfund. Kein Wunder, dass die Experten des Dorotheums bei ihrer nach 1550 entstanden Magdalena 1 bis 1,5 Millionen Euro erwarten. ...mehr |