Die Villa Grisebach in Berlin hat ihre „Ausgewählten Werke“ der modernen und zeitgenössischen Kunst diesmal um die Sammlung des Modezaren Dolf Selbach ergänzt  
Ein Stockentenerpel und zwei Schnepfen mussten dran glauben, nachdem Ernst Ludwig Kirchner sich auf seiner Sommerurlaubsinsel Fehmarn 1912 ein Kleinkalibergewehr gekauft hatte und auf Jagd gegangen war. Seine stattliche Beute breitete er dekorativ auf einem Tisch aus, stellte ein kleines Kaffeeservice hinzu und malte sie ab. Acht Jahre später jedoch, als aus dem frühen Kirchner der reife, selbstkritische Kirchner geworden war, gefiel ihm auch dieses Bild nicht mehr so recht. Er fotografierte es zunächst und nahm dann seine Veränderungen vor: Der recht Flügel der Stockente wurde nach unten geklappt, ein neben ihr stehendes Gefäß getilgt, die schimmelgrüne Tischdecke mit einigen Mustern versehen und eine Signatur hinzugefügt – mit der Datierung 1912, versteht sich. Durch diese Radikalkur scheint das Gemälde jedoch nicht verloren zu haben. Die perspektivisch gewagte Komposition, bei der die Tischplatte fast die gesamte Bildfläche einnimmt, verbindet sich mit einer satten Farbigkeit, die Kirchners Mordtat geradezu zu kaschieren scheint: Als seien die Vögel gar nicht tot. Nachdem das in der Höhe genau einen Meter messende Gemälde bereits vor gut vier Jahren in einer Ausstellung im Kirchner Museum in Davos öffentlich ausgestellt war, ist es jetzt für eine Schau über Tierstillleben von der Renaissance bis zur Moderne in der Kunsthalle Karlsruhe im kommenden Winter angefragt. Zwischendurch aber kommt es bei Grisebach in Berlin in den „Ausgewählten Werken“ moderner und zeitgenössischer Kunst für 500.000 bis 700.000 Euro unter den Hammer. ...mehr  |