Alte Meister im Wiener Dorotheum  
So also geht’s zu, wenn der Mensch sich für das Laster entscheidet: Der Teufeloberchef sitzt am Eingang zur Hölle breitbeinig auf einem Drachen mit grimmiger Miene, zerzausten Haaren und Spinnen, die als Schmuck von seinen Ohren herabhängen, links und rechts umjubelt von fanfarenden Männern und tanzenden Weibern, musizierenden Satyrn und Dienern, die Affen und heidnische Amorbuben zu Königen erheben. Doch o weh, der Tod eilt schon mit fliegenden Gewändern herbei, den Speer gezückt, gezielt auf die Feiernden, derweil Chronos sie auf das Ende der Zeit weist. Kleine Putten ringsum halten die Symbole der Vergänglichkeit empor: Totenköpfe und Blumensträuße, Öllampen und Heu, ein anderer bläst die Seifenblasen in die Luft. Über diesem Desaster menschlicher Eitelkeiten, naturgemäß in der oberen Bildzone, zeigt der Maler Frans Francken II die Alternativen auf. Sie sind erwartungsgemäß langweiliger als das bunte Treiben darunter, führen aber zum längerfristigen Glück: ins Himmelreich nämlich, in dem musizierende Engel überirdische Freuden andeuten. Der Mensch, symbolisiert durch einen jungen Mann im Pilgerhabitus, muss sich entscheiden: für das Gute, dargestellt durch die Tugenden von Glaube, Liebe und Hoffnung, flankiert von den antiken Helden Herkules und Minerva, oder für das Böse, das ihn in Form von Fortuna und Venus zu verbotener Liebeslust, Völlerei und andern Verwerflichkeiten zu verführen versucht. Auf über zwei Metern breitet der Antwerpener Barockkünstler dieses Panorama aus. Im Wiener Dorotheum, das seine Frühjahrsauktionswoche am 21. April mit den Alten Meistern zum Höhepunkt führt, wird das gut dokumentierte, aber noch immer nicht vollständig gedeutete Gemälde für 400.000 bis 500.000 Euro angeboten. ...mehr  |