Berlin erliegt der Macht des Dinglichen Auf dem letzten Art Forum in Berlin wurde schon offiziell die „Renaissance der Skulptur“ ausgerufen. Wer vermag es da besser als ein spezialisiertes Skulpturenmuseum, dem propagierten Trend genauer auf die Finger zu schauen. Seit dem Wochenende widmet sich nun die Bernhard-Heiliger-Stiftung in Berlin diesem Thema und hat dazu das Georg-Kolbe-Museum als Ausstellungsort gewinnen können. Die Publikumszahlen der Eröffnung scheinen dem Trend Recht zu geben: Wie Marc Wellmann, Vorstand Heiliger-Stiftung und Kurator der Schau, mitteilte, kamen am Samstag über 1.400 Gäste – soviel Vernissagebesucher wie noch nie im Kolbe-Museum – und vor allem ein junges Publikum.
Ziel der Schau ist es, nicht raumgreifende Installationen mit dem Drang zur Entgrenzung oder sich ins Performative verflüchtigende Werke zu zeigen, sondern das konkret Dingliche, Objekthafte, Haptische und Materielle in den Vordergrund zu rücken. Diese Themenstellung sieht Wellmann derzeit als Desiderat im Ausstellungsbetrieb. So hat er beispielsweise den 1976 geborenen Amerikaner Joel Morrison ausgewählt, der im Kreis von Jason Rhoades seine ersten schöpferischen Impulse erfuhr. Während Rhoades die Dinge des alltäglichen Lebens zu großflächigen Installationen ausbreitete, presst und komprimiert Morrison Fundstücke aus seiner näheren Umgebung mittels Klebeband zu plastischen Gebilden, die er anfänglich in Fiberglas und Polyester abformte und mittlerweile in Bronze und Edelstahl gießen lässt. Morrison knüpft mit seinen organisch-biomorphen Gebilden an der Klassischen Moderne und der Nachkriegszeit an, kommentiert mit ihnen aber auch intelligent die Entgrenzungstendenzen der heutigen Kunst.
Harry Hauck füllt Gummikissen mit 70 Litern Luft, deren Inhalt exakt seinem Körpervolumen entspricht und deren Oberfläche an die Verletzlichkeit und Porosität des menschlichen Leibes denken lässt. Katharina Moessinger schneidert lebensgroße Kuscheltiere aus echten Tierhäuten in den Proportionen von Stoffspielzeug, die den Betrachter auf seine eigene, von Konsum und Nutzerwägungen geprägte Beziehung zum Tier zurückwerfen. Anselm Reyles Bronzen sind vergrößerte und verchromte Versionen von afrikanischen Specksteinskulpturen, deren Formenkanon offensichtlich von Künstlern der Nachkriegszeit wie Henry Moore oder Hans Arp beeinflusst wurde und die als schrille, übersteigerte Version der organischen Abstraktion nun wieder in das Kunstsystem eingespeist werden. Mit dabei sind auch noch Axel Anklam, Angelika Arendt, Bara, Florian Baudrexel, Oliver van den Berg, Stefanie Bühler, Birgit Dieker, Berta Fischer, Thomas Helbig, Tony Matelli, Reiner Maria Matysik, Anna-Kavata Mbiti, Jonathan Meese, Anke Mila Menck, Nadine Rennert, Thomas Rentmeister, Iris Schieferstein, Hans Schüle, Matthäus Thoma und Marcus Wittmers.
Die Ausstellung „Die Macht des Dinglichen – Skulptur heute!“ ist bis zum 28. Mai zu sehen. Geöffnet ist Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro. Der Katalog kostet 15 Euro.
Georg-Kolbe-Museum
Sensburger Allee 25
D-14055 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 30 42 144
Telefax: +49 (0)30 – 30 47 041 |