 |  | Adolf Luther, Sphärische Spiegelwand, 1971/72 | |
Adolf Luther in Athen? Im Heimatland des Lichtgottes Apoll, des Sohnes des Blitzschleuderers Zeus, in dem alle vier Jahre mittels Spiegelungen das olympische Feuer neu entfacht wird und das Licht in der heimatlichen Mythologie eine so herausragende Rolle spielt, war wohl eine Ausstellung mit Luther Werken längst überfällig. In unmittelbarer Nähe der antiken Stätten findet derzeit die erste große Auslandsausstellung mit Werken des deutschen Kinetikers statt, Orte, die die Wiege, ja die Ursprünge der Kultur evozieren. Die Schau bietet den Griechen erstmals Gelegenheit zur Begegnung mit Arbeiten Adolf Luthers, stellen doch seine Gebilde inmitten eines eher von der figürlichen Darstellungsweise beherrschten Umfeldes noch immer etwas völlig Avantgardistisches dar.
Seit dem Tod des Künstlers vor 17 Jahren verwaltet die in Krefeld beheimatete Adolf-Luther-Stiftung den Nachlass des Künstlers, der neben Objekten des eigenen Œuvres auch eine einzigartige Sammlung mit Werken von Ad Reinhardt, Yves Klein bis Joseph Beuys umfasst. Gleichzeitig organisiert die Stiftung Ausstellungen aus diesem Bestand, in jüngster Zeit vornehmlich in Ländern, in denen Luther noch nicht vertreten ist, wie zum Beispiel in Österreich und jetzt in Griechenland. Die große Aufmerksamkeit, die die Athener Ausstellung im Museum Herakleidon bei der Eröffnung in breiten Schichten vom diplomatischen Korps bis hin zu Unternehmern und Studenten erfuhr, demonstriert das Interesse an der deutschen Avantgarde der Nachkriegszeit.
Die rund 60 Exponate, allesamt Leihgaben der Luther-Stiftung, stellen das Schaffen des deutschen Nachkriegsklassikers chronologisch in der gesamten Breite vor. So sind auch nicht nur die zum Markenzeichen Luthers mutierten Glas- und Spiegelobjekte zu sehen, sondern auch die malerischen Anfänge, seine ersten impressionistischen und unter dem Einfluss Picassos geschaffenen Bilder. „Sonnenlicht“, das früheste, ins Jahr 1942 datierte Aquarell einer Küstenlandschaft der Kanalinsel Alderney ist der erste Versuch, das Phänomen Licht zu erfassen und weist bereits dezent auf die künftige Rolle des Lichtes im Werk hin. Den 1912 im heute zu Krefeld gehörenden Uerdingen geborenen Autodidakten ließen auch die speziellen künstlerischen Beleuchtungseffekte nicht los, als er Ende 1942 nach Paris kommt. Neben Museumsbesuchen widmet er seine Freizeit dem Aktzeichnen in Künstlerstudios am Montparnasse. Das Spiel mit Licht und Schatten setzt sich in impressionistisch gehaltenen Gemälden fort, wie das zwischen Licht und Schatten vibrierende Porträt „Mädchen im Licht“ aus dem Jahr 1943 zeigt. Wie nachhaltig Luther insbesondere vom Impressionisten Claude Monet inspiriert worden ist, zeigen die viel später, in den frühen 1980er Jahren geschaffenen „Wasserlinsen“ als „Hommage á Monet“.
Fußend auf der Idee, dass das Licht kein Bild sein kann, keine Farben kreiert, sowie immaterielle Realitäten weder beschrieben noch dargestellt werden können, abstrahiert Adolf Luther Schritt für Schritt die bildnerischen und illusionistischen Aspekte der malerischen Darstellung. Zuerst verwirft er die Perspektive, dann experimentiert er mit geometrischen, sich zersetzenden Strukturen. Seine kubistischen Geometrien sieht Luther allerdings nicht als Experimente mit der Realität, sondern als Zerstörung der illusionistischen Tafelbildmalerei. Seine „Gitarrenbilder“ aus den Jahren zwischen 1952 bis 1954 demonstrieren die stufenweise Abkehr vom traditionellen Bild. Wie ein Naturwissenschaftler, weniger wie ein Künstler tastet er sich zum Crossover zwischen Kunst und Wissenschaft vor. Seine an das Informel erinnernden Gemälde des Jahres 1958 aus dicken, pastosen Farben besitzen ebenso wie die fast schon reliefartigen Materialbilder stark zerklüftete Oberflächen mit Schattenwürfen. Die eigene Handschrift blendet Luther in den zunächst noch farbigen, später ausschließlich schwarzen Arbeiten völlig aus.
Zu Anfang der 1960er Jahre verhelfen ihm die Materiebilder zum Durchbruch, unterstützt durch erste Einzelausstellungen. Doch was Adolf Luther letztendlich sehen will, ist das Licht vollkommen frei von jedem materiellen Träger. Die Lösung liegt nahe. Die Materie selber als Basis des Lichtes muss zu Gunsten des Lichtes zerstört werden, was in die „Entmaterialisierungen“ des Jahres 1961 mündet. Auf der Suche nach ihnen stößt Luther auf das Glas. In der entmaterialisierenden Aktion „Flaschenzerschlagen“ erscheint das Licht aber nur für ein paar Sekunden an den Kanten der zerbrochenen Flaschen; trotzdem markiert diese Arbeit den Beginn von Luthers Lichtkünsten mit Glas, die später in Spiegeln und Objekten ihre Fortsetzung finden. Der Anschluss an die Avantgarde der 1960er Jahre war gefunden.
1962 entstehen die „Lichtschleusen“, in denen der Raum zwischen zwei Scheiben mit Glasbruchstücken oder Linsen gefüllt wird. Die Glasfragmente werden im Verlauf dieses Jahrzehnts ersetzt von optischen Linsen, konkaven und konvexen Spiegeln sowie Prismen. In der Folge entstehen Luthers klassische Lichtobjekte. Aus in Streifen geschnittenen, in vertikalen und horizontalen Reihen in Glaskästen zusammengefügten, konkaven Hohlspiegeln werden die teils mit Spiegeln oder Linsen kombinierten Objekte von unterschiedlicher Größe als Multiples gebaut. Die S-förmige „Sinuskurve“, eine frei stehende Lichtwand aus dem Jahr 1984, stellt einen Höhepunkt dieser Reihe dar. Ebenso in Athen zu sehen ist die Arbeit „Hohlspiegel“ von 1976. Aktiv wird der Betrachter in die wunderbaren optischen Effekte mit einbezogen und kann sein Abbild durch diverse Bewegungen verändern.
Neue Erkenntnisse lassen Luther Versuche unternehmen, Räumlichkeiten immateriell zu artikulieren. In das Jahr 1968 datiert der erste „Fokussierende Raum“, in dem Scheinwerferlicht von der Decke auf Hohlspiegel am Boden trifft, wobei Rauch die Brennpunkte der Lichtkegel visualisiert. In dem in Athen präsentierten „Laser-Raum“ von 1970 definieren über rotierende Plexiglasspiegel zerstreute, in lineare Strahlen erscheinende Laser plastisch den Raum. Die ersten Energieskulpturen waren geschaffen. Gleichzeitig schuf Luther das „Mond-Projekt“, bei dem ein Spiegelsatellit von der Welt aus sichtbar Licht auf die Nachtseite des Mondes lenken sollte. Drei Entwürfe dazu werden ebenfalls in Athen vorgestellt.
Abseits der utopischen Projekte gestaltet Adolf Luther in den 1970er und 1980er Jahren architekturbezogene Installationen von großer Reputation. Berühmt wurden seine drehbaren Spiegellamellen im Eingangsbereich der Münchener Olympiahalle 1972 oder die mit 948 Hohlspiegeln verkleidete Decke im Nato-Saal des 1976 eröffneten Bonner Bundeskanzleramtes, dessen Foyer er zusätzlich über undurchsichtige, aber dennoch transparente und drehende Spiegelstelenzone großartig untergliederte. Mit seinen Lichtobjekten will Luther nicht eine zweifelhafte architektonische Wirklichkeit dekorieren, sondern zielt mit dieser Verschmelzung auf ihre Vollendung. Die Architektur, die ihrer Natur gemäß einen statischen Charakter besitzt, benötigt zu ihrer Vervollständigung ein Element der Bewegung, um mit einer sich ständig verändernden Wirklichkeit Schritt zu halten.
Zu diesem Zeitpunkt allerdings hat Adolf Luther, der nach seiner Verwaltungsausbildung mit anschließendem Jurastudium samt Promotion bis 1957 als Richter arbeitete, seinen bürgerlichen Beruf längst aufgegeben. 1979 erhält er von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens den Professorentitel verliehen, der ihn als Vertreter der radikalen Kunstszene der 1960er Jahre würdigt, die sich mit dem Medium Licht auseinandergesetzt haben. Für Luther bedeutet Licht eine grandiose Realität. Er setzt eine immaterielle, unsichtbare Beschaffenheit des Lichtes voraus, die er als Gegenpol zur fassbaren Welt sieht.
Die Ausstellung „Adolf Luther. Die Faszination des Lichtes“ ist noch bis zum 9. September zu besichtigen. Das Museum Herakleidon täglich außer montags von 13 bis 21 Uhr, sonntags von 11 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 6, ermäßigt 4 Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog in englischer und griechischer Sprache erschienen.
Adolf-Luther-Stiftung
Viktoriastraße 112
D-47799 Krefeld
www.adolf-luther-stiftung.com
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