Die futuristische U-Bahn Station Theaterplatz in Oslo. Bahnsteig und Wartebänke sind menschenleer. Kein Zug weit und breit. Fahle Neonröhren beleuchten ein gespenstisch unterkühltes Szenario. Doch das Entscheidende an dieser 2000 entstandenen Fotografie von Candida Höfer ist die Perspektive. Auf einen genau in der Mitte der Aufnahme zentrierten Fluchtpunkt hin bewegen sich alle Linien des Bildes: Die Gleise, die diagonalen Linien an der Decke, der schmucklose Bahnsteig. Meisterhaft komponiert wie ein perfektes Renaissancegemälde, in sachlicher, konsequenter Schönheit ohne irgendwelche Störfaktoren oder Ablenkungen – die präzise Konstruktion einer geisterhaften Großstadtszene.
Candida Höfer, geboren 1944 in Eberswalde, ist die diesjährige Preisträgerin des mit 20.000 Euro dotierten „Kunstpreis Finkenwerder“. Verbunden mit diesem renommierten Preis, der alle zwei Jahre unter anderem von der Airbus Deutschland GmbH gesponsert wird, ist eine Einzelausstellung des Preisträgers. Das Kunsthaus Hamburg präsentiert nun einen Querschnitt aus dem fotografischen Œuvre Candida Höfers rund der letzten 30 Jahre. Höfer gehört zu der ersten Generation der international bekannten Fotografen der Becher-Schule. Zusammen mit berühmten Kollegen wie Andreas Gursky, Thomas Struth und Thomas Ruff studierte sie in den 1970er Jahren in der Düsseldorfer Fotoklasse von Bernd und Hilla Becher. Das Arbeiten in Serien, die sachliche, dokumentationsähnliche Vorgehensweise unter extrem kontrollierten Bedingungen und die Auswahl scheinbar unspektakulärer Sujets gehören bis heute zu den Markenzeichen der Becher-Schüler.
Candida Höfer konzentriert sich in ihren fotografischen Arbeiten auf öffentliche und halböffentliche Räume, die sie auf der ganzen Welt aufsucht. Zu ihren bevorzugten Motiven gehören Bibliotheken, Museen, Empfangssäle, Foyers, Bahnsteige, Börsensäle oder Kantinen. Die altehrwürdige Bibliothèque nationale de France Paris fotografiert sie, nachdem der Großteil der Bestände bereits ins neue Quartier am südlichen Seine-Ufer umgezogen ist, mit fast leeren Regalen. Sachlich-unterkühlte Präzision mit dem Blick für Komposition und Bildaufbau verleihen Höfers Aufnahmen eine Aura von der Macht des Wissens und der Stärke des Intellekts.
Ihr Blick für besondere architektonische Details vermittelt sich beispielsweise in einer 2001 entstandenen Fotografie von Hans Poelzigs 1931 gebautem Haus des Rundfunks in Berlin, die ein kantiges, gelb getünchtes Treppenhaus mit ungewöhnlich designten Lampen zeigt. Oder das modernistische Foyer der Beinecke Rare Book & Manuscript Library in New Haven, Connecticut: Hier richtet Höfer die Kamera auf einen großzügigen und repräsentativen Empfangsraum mit bequemen Ledersitzmöbeln und stilvollem Blumenschmuck. Die Aufnahme führt die fast sakrale Atmosphäre dieses besonderen Ortes der klassischen Bildung und Gelehrsamkeit vor Augen.
Die 63jährige Becher-Schülerin, die 2002 Teilnehmerin der Documenta 11 war und 2003 zusammen mit Martin Kippenberger den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig bespielte, unterwirft sich beim Fotografieren immer wieder selbst aufgestellten rigiden Regeln. So arbeitet sie zum Beispiel immer mit dem vorgefundenen Licht. Ihre Methode, den Raum in viele Raster, Linien und Diagonalen zu gliedern, verleiht den Aufnahmen eine Aura von Stärke, Autorität und Erhabenheit. Candida Höfer hat durch ihr Insistieren und die Glaubwürdigkeit ihrer Fotografie immer wieder Zutritt zu hochoffiziellen Räumen bekommen. Die Hauptantriebsfeder aber, die sie immer wieder an neue Orte auf der ganzen Welt bringt ist, so Höfer: „Meine Neugier.“
Die Ausstellung „Candida Höfer. Fotografien. Kunstpreis Finkenwerder 2007“ ist bis zum 14. Oktober zu sehen. Das Kunsthaus Hamburg hat täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Katalog kostet 8 Euro.
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