 |  | Auguste Renoir, Cagnes, um 1909-1910 | |
Im vorzüglichen Gemäldefundus des Wuppertaler Von der Heydt-Museums befinden sich sechs kleinformatige Gemälde von Pierre-Auguste Renoir. Die vier Landschaften, ein Stillleben und ein Akt datieren aus der letzten Schaffensphase des Malers. Ein großes, repräsentatives Werk aus Renoirs Glanzzeit fehlt hingegen. Die den frühen Landschaften gewidmeten, jüngsten Ausstellungen dieses führenden Impressionisten in London, Toronto und Philadelphia animierten den neuen Direktor des Wuppertaler Museums zu einer Präsentation, in der ausgehend vom eigenen Bestand die späten Landschaften im Fokus stehen. Sollte hier, so fragt sich der aufmerksame Kunstbeobachter, ähnlich wie jüngst bei Pablo Picasso das weniger euphorisch klassifizierte Spätwerk aufgewertet werden? Breit ausholend von den Anfängen des Impressionismus bis weit ins 20ste Jahrhundert hinein erzählt die mit 100 Exponaten – davon rund die Hälfte von Renoir – für Wuppertal recht umfangreiche Präsentation von der Kompositionskraft und Malkultur einer Epoche. Über einzelne Schaffensabschnitte leitet sie hin zu einer frappanten Bilanz in den letzten Sälen.
Ausgangspunkt sowohl der Schau als auch für Renoirs Œuvre bildet die „Schule von Barbizon“. Nachdem der 1841 geborene Schneidersohn eine Lehre als Porzellanmaler absolviert, nebenbei beim Bildhauer Louis-Denis Caillouette Zeichenstunden nimmt, studiert er in der privaten Zeichenschule des Malers Charles Gleyre, einem Vertreter der offiziellen akademischen Malerei der romantisch-mythologischen Ausrichtung. Hier begegnet Renoir Alfred Sisley, Claude Monet und Jean Frédéric Bazille. Um 1862 tritt Renoir in die École des Beaux-Arts ein. Zusammen mit vorgenannten Malerfreunden sowie Camille Pissarro zieht er in den Wald von Fontainebleau, um „sur le sujet“, also „vor Ort“, zu malen. Hier lernt er auch Virgilio Narcisso Diaz de la Peña kennen, der ihn zur Aufhellung der Palette rät.
Pierre-Auguste Renoir begeistert sich zunächst für Théodore Rousseau und Charles-François Daubigny, verwendet kurzzeitig die Palettenmessertechnik Gustave Courbets und verehrt Jean-Baptiste Camille Corot. An der „Académie Suisse“ trifft er 1863 neben Pissarro auch Paul Cézanne, die beide dort Modellstudien betreiben. Gemälde all jener Künstler, die Renoirs Werkschaffen maßgeblich beeinflusst haben, beschreiben in den ersten Sälen den malerischen Kontext der ersten 20 Jahre bis hinein in die impressionistische Hochphase. Renoir kommt ist Spiel mit einem frühen, um 1865 gemalten Landschaftsbild aus der Gegend um Fontainebleau, das sich durch einen silbrigen Schleier auszeichnet – ein Hinweis, wie schwer er sich damals noch tut. Von der Kraft eines Courbet ist er noch weit entfernt. Nach dem Krieg von 1870/71 arbeitet Renoir dann oft Seite an Seite mit Monet und Edouard Manet in der freien Landschaft. 1874 sind sie auch an jener Pariser Ausstellung im Atelier des Fotografen Nadar beteiligt, die den Impressionisten ihren Namen gibt.
Die nächsten zehn Jahre entstehen die grandiosen Landschaften, blühende Gärten, vor allem aber Frauen- und Mädchenporträts mit der dichten, zugleich leichten, ganz einzigartigen Atmosphäre. Die ungemein zarten, duftigen, fast schon süßlichen Gemälde mit pastosen Tupfungen und lang gezogenen Pinselstrichen strahlen nur so von übertriebenem Liebreiz. Zwei seiner bekanntesten Werke finden sich nun in Wuppertal: Die zwei Schwestern, entliehen aus dem Chicagoer Art Institute und der gleichfalls 1881 entstandene „Blühende Kastanienbaum“, der normalerweise in der Berliner Nationalgalerie beheimatet ist, sind die auf allen Begleitmedien abgebildeten Highlights dieser Ausstellung.
Gut dotierte Porträtaufträge ermöglichen Pierre-Auguste Renoir nun Wohlstand und Reisen nach Italien und Nordafrika. Um 1883 kommt es in seinem Werkschaffen aufgrund einer Krise zu einem Bruch. Renoir ist bestrebt, sich über eine Abkehr vom locker getupften impressionistischen Farbauftrag zu verändern, indem er sich zunächst zum klassizistischen Ideal der Malerei von Ingres, sodann zum beinahe reliefhaft anmutenden Stil hin entwickelt, indem er seine Form zum plastisch Runden verändert. Die Errungenschaften der Barbizon-Schule und des Impressionismus versucht Renoir in dem neuen stilistischen Ansatz mit der Klassizität der Renaissance zu verbinden, wozu ihn das Licht und die Kunst Italiens inspirieren.
Weitere Paten bilden Auguste Rodin und Aristide Maillol, die mit je einer größeren Skulptur in der Ausstellung vertreten sind. Das Licht in den reliefartigen Buckeln und Höhlungen bei Rodin sowie die von der griechischen Vorklassik geprägten Arbeiten Maillols regen nach Auffassung des Kurators Renoir dazu an, die Gesetze der Bildhauerei in die Malerei zu übertragen. Dazu korrespondierende Gemälde zeigen kompakte Figuren in glatt lavierender, dichter Malweise mit freien Stellen, die von Nischen oder Tiefenräumen umfangen oder leicht verschattet werden. Sie sind daher ähnlich wie in einem Relief der Renaissance abgehoben und scheinen näher an den Betrachter herangerückt.
In der Folge lösen sich Häuser, Büsche, Berge, Seen immer mehr in Farbe auf. Gegenstände sind nur noch schemenhaft zu sehen, wie es das 1909 gemalte Bild „La Ferme aux Collettes“ offenbart, das aus dem New Yorker Metropolitan Museum stammt. In dieses Bauernhaus in Cagnes zieht sich der Renoir aufgrund des milden südfranzösischen Klimas im Jahr 1907 zurück, um seine schweren neuralgischen, rheumatischen Krankheiten besser bewältigen zu können. Fotografien aus den letzten Lebensjahren zeigen den leidenden Künstler an den Rollstuhl gefesselt und mit verkrüppelten Fingern, an die die Pinsel angebunden werden mussten. Unter größten Schmerzen und Kraftanstrengungen malt er bis zu seinem Tod am 3. Dezember 1919.
Wohl nicht zuletzt deshalb enthalten seine letzten Gemälde bis dicht an die Abstraktion heranreichende Farb- und Formwallungen, die bereits ein Eigenleben führen. Ob die Tuchfühlung mit der Abstraktion intendiert war, darf ebenso bezweifelt werden wie Verknüpfungen mit dem Informel und dem Tachismus als allzu sehr vom Kurator konstruierte Sichtweisen. Die abgesehen von den gewagten Thesen anspruchsvoll und intelligent gewichtende Ausstellung führt auf einsichtsreiche Weise durch Höhen und Tiefen von Renoirs Werk in engem Wechsel mit der impressionistischen Bewegung insgesamt. Die späten Landschaften sind aber nur ein kleiner, weniger formvollendeter Abschnitt im Schaffen Renoirs, der markiert, dass die Zeit schon längst andere Strömungen verinnerlicht hatte.
Die Ausstellung „Renoir und die Landschaft des Impressionismus“ ist noch bis zum 27. Januar 2008 zu besichtigen. Geöffnet ist täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr. Heiligabend und am 1. Weihnachtsfeiertag sowie Silvester ist geschlossen, am 2. Weihnachtstag ist von 11 bis 18 Uhr, am Neujahrstag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8, ermäßigt 7 Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, an der Museumskasse 25 Euro kostet.
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