„Bin mit Nathalie nach Mexiko. Alles Gute. Alain.“ Kurz und knapp war diese Notiz, die Alain Delon seiner Verlobten Romy Schneider im Frühjahr 1964 hinterließ, um ihr so nach fünf gemeinsamen Jahren die Trennung mitzuteilen. Immerhin eine Vase mit roten Rosen hatte der blauäugige Frauenschwarm noch daneben gestellt. Schocksituationen dieser Art waren nicht selten im kurzen Leben der 1938 unter dem bürgerlichen Namen Rosemarie Magdalena Albach in Wien geborenen Schauspielerin Romy Schneider. Schüchterner Teenager, umjubelte Sissi-Darstellerin, mondäne Pariserin, attraktive Femme fatale, stilsichere Jet-Setterin, Brille tragende Intellektuelle – Romy Schneider suchte sich ihre Rollen im Film wie im Leben lange Zeit selbst aus.
Zum Schluss jedoch reduzierte sich ihr Repertoire auf einige wenige: die Verzweifelte, die Trauernde, die Ungeliebte, die Verlassene und die Alkoholkranke. Das waren die undankbaren Rollen, die ihr noch geblieben waren. Ein Leben im Schnelldurchlauf. In der Nacht zum 29. Mai 1982 stirbt sie im Alter von nur 43 Jahren in ihrer Pariser Wohnung an Herzversagen. Für ihre engsten Freunde jedoch war es ein Tod aus gebrochenem Herzen. Trennungen, der unerbittliche Druck der Öffentlichkeit und herbe persönliche Schicksalsschläge hatten dem sensiblen Weltstar stark zugesetzt. Erst ein knappes Jahr zuvor im Juli 1981 war ihr 14jähriger Sohn David beim Klettern über einen Zaun tödlich verletzt worden.
Das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe zeigt aktuell in der Ausstellung „Die Erinnerung ist oft das Schönste“ mehr als 140 fotografische Porträts aus dem Leben der bis heute mythenumwobenen Schauspiellegende Romy Schneider. Entstanden ist ein biografischer Bilderbogen, der „die Schneider“ zwischen Lebenslust und Melancholie, schauspielerischer Pose und entwaffnender Natürlichkeit zeigt. Zu sehen sind Aufnahmen von neun Fotografen. Und damit auch neun ganz unterschiedliche Versuche der Annäherung: mal rein professionell und distanziert, mal aus der intimen Vertrautheit einer lange währenden Freundschaft heraus.
Herbert Lists frühe Atelieraufnahmen der 16Jährigen zeigen eine elegant gekleidete junge Frau voller Hoffnung, Zuversicht und vielleicht auch Naivität, was den Ernst eines Lebens im Rampenlicht betrifft. Max Scheler begleitet sie am Rande der Dreharbeiten zu Sissi im sommerlichen Venedig des Jahres 1957: Romy Schneider beim Zurechtrücken des Krönchens oder als entspannte Privatperson beim Eisessen auf dem Markusplatz. So erfolgreich die Sissi-Verfilmungen waren – 20 bis 25 Millionen Zuschauer strömten damals ins Kino – so kitschig und melodramatisch wirken sie im Nachhinein. „Das pappt mein Leben lang wie Grießbrei an mir“, distanzierte sich Romy Schneider einmal von dieser Jugendsünde. Romy als moderne, junge Frau, die zusammen mit Alain Delon und Regisseur Luchino Visconti durch Pariser Bistros tourt: Bei Roger Fritz wird das Sissi-Klischee kräftig gegen den Strich gebürstet.
Beim Hamburger F.C. Gundlach, der damals für populäre Magazine wie „Film und Frau“ tätig war, jedoch gerinnt ihr Gesicht wiederum zum massenkompatiblen Abziehbild. Herausragend dagegen die Aufnahmen des Amerikaners Will McBride. Sie offenbaren Romy Schneider als klassische Schönheit mit dunkel geschminkten Augen und expressiven Gesten im Ambiente einer Pariser Hotelsuite. Schwere Stoffe, wuchtige Polstermöbel und das spärliche Licht, das den Körper der Schneider wie aus der Dunkelheit herausgemeißelt wirken lässt, verströmen die dramatisierende Aura der Chiaroscuro-Malerei der Spätrenaissance. Zwei Bilder jedoch, die Romy Schneider hinter einem mit Whisky, Gin und Rotweinflaschen vollgestellten Tisch auf dem Sofa sitzend zeigen, deuten das drohende Unheil einer sich selbst auslöschenden Existenz bereits an.
Bei Peter Brüchmann dagegen ist es wieder die öffentliche Person, die im Blitzlichtgewitter steht: Romy Schneider beim Burda-Ball in München. Der Stern-Fotograf Werner Bokelberg besuchte Romy Schneider 1965 in ihrer Pariser Wohnung. Es sollte ein langer Nachmittag werden, in dessen Verlauf Romy Schneider sich an die 30 mal umzog, die Chanel-Lady ebenso gab wie das Cowgirl, etliche Flaschen Champagner leerte, ausgelassen zu Ella Fitzgerald und Sammy Davis Junior tanzte und am Ende echte Tränen heulte. Für Bokelberg, der an diesem Tag 100 Filme verschoss, ein zwiespältiges Vergnügen, blickte er doch in die tiefsten Abgründe ihrer Seele. Am nächsten Tag gestand sie ihm, nur die Höhen und Tiefen des Lebens zu kennen. Sie kenne „keine Mittellage“, sei entweder „himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt“. Helga Kneidl, die einzige Frau in dieser Auswahl, stellt neben Farbfotos einer entspannten, klassisch-elegant gekleideten Romy Schneider im sommerlichen Paris auch die andere Seite der von den Medien zum Markenartikel abgestempelten Schauspielerin: Den Kontrollverlust einer jungen Frau am Abgrund. Ihre verzehrende Gier nach Leben, Liebe und Anerkennung ebenso wie ihre unstillbare Sucht nach Drinks und Zigaretten.
Durch alle Höhen und Tiefen ihres Lebens begleitet hat sie schließlich auch ihr guter Freund, der Berliner Reportagefotograf Robert Lebeck. Von ihm stammen die letzten Fotos dieser Ausstellung. Sie wurden im Jahre 1981 aufgenommen. Entstanden sind sie in der kleinen bretonischen Hafenstadt Quiberon. Romy Schneider hielt sich dort in einem Sanatorium auf, um endlich von ihrer Alkoholsucht geheilt zu werden. Auf Lebecks Bildern erlebt sie wieder einmal alle Gemütsregungen. Ob exaltiert lachend an der Küste oder aber zutiefst deprimiert, mit zerknautschtem Gesicht und zerwühlten Haaren rauchend im Bett liegend: Die Nachwelt wird Romy Schneider als faszinierende Schauspielerin voller innerer Zerrissenheit und tiefer Widersprüche in Erinnerung behalten. Auch dank dieser Ausstellung, die mit dem verträumten Sissi-Klischee ordentlich aufräumt.
Die Ausstellung „Die Erinnerung ist oft das Schönste – Fotografische Porträts von Romy Schneider“ ist bis zum 13. April zu sehen. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet, mittwochs und donnerstags zusätzlich bis 21 Uhr. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro. Für Kinder und Jugendliche bis zu 18 Jahren ist der Eintritt frei. Der Katalog ist im Hatje Cantz Verlag erschienen und kostet 29,80 Euro. |