 |  | Terrine mit Galathea und Amor aus dem Schwanenservice, Meißen, um 1736 | |
Das Japanische Palais in Dresden sollte einst der strahlende Showroom für seine Porzellansammlung werden. Hier wollte August der Starke Gleichrangige und Untergebene, Verbündete und Feinde vor allem mit Porzellanen aus der eigenen Manufaktur blenden. Wäre die Vision vom Schloss voller Porzellane jemals so geworden, wie der Kurfürst sich das vorgestellt hatte, Sachsens Glanz wäre ins Unermessliche gestiegen. Nicht nur dass Meißen seit 1710 der europäischen Kulturgeschichte ein neues Fenster aufgestoßen hat, Meißner Porzellan, das war von Anfang an Kunst, Luxus, Meisterschaft der Modelleure und Maler.
Alles, was Meißens Pracht und Herrlichkeit in den ersten hundert Jahren seit Gründung der Manufaktur auszeichnete, ist momentan in eben jenem Japanischen Palais zu sehen: Die Versuche, das asiatische Porzellan zu imitieren und Kakiemondekore oder chinoise Szenen zu kreieren. Die ersten Eigenkreationen mit aufgelegten Dekoren des Dresdner Goldschmiedes Johann Jakob Irminger. Die lebendigen, ganz in ihrer Bewegung erfassten Tierplastiken Johann Joachim Kändlers, die zahlreichen Service, die als Hochzeits- und Diplomatengeschenke an andere Höfe gingen, und von denen heute allein ein einziger Teller im fünfstelligen Bereich gehandelt wird.
Wohl schon lange gab es keine so reich und qualitätvoll bestückte Ausstellung mit frühem Meißner Porzellan wie die Schau „Triumph der Blauen Schwerter“. Zahlreiche der 800 Exponate sind Leihgaben international renommierter Museen und werden so schnell nicht wieder zu sehen sein. Selbst die Schüler und Mitarbeiter von Johann Gregorius Höroldt, der die Feinheit der Malerei ins Unerreichbare getrieben hat und eine Palette neuer Farben entwickelte, sind mit exemplarischen Arbeiten vertreten – etwa Johann Ehrenfried Stadler, der als der Virtuose der Blumenmalerei gilt, oder Philipp Ernst Schindler, der sich auf Chinesenszenen spezialisiert hatte. Jedes Stück ein hohes C der Porzellankunst. Doch der Ausstellung fehlt die Magie.
Man muss sich den Zauber des Porzellans durch Abschreiten von Vitrinen erarbeiten, die mit ihren knalligen Farben die räumliche Distanz zwischen den miniaturhaften Kauffahrteiszenen und dem Betrachter auch nicht aufheben. So viel betörende Tafelzier, aber das erhabene Gefühl, das Kunst verströmt, bleibt aus. Und die Zeit der Porzellanenzyklopädisten, die die Variationsbreite eines Themas in Reih und Glied erfahren wollen, die scheint ja auch schon ein paar Jahrzehnte zurückzuliegen. Auch Museumskuratoren wissen, der verwöhnte Besucher will gefangen sein von einem Objekt, versetzt werden in eine besondere Stimmung.
Dass das auch bei Porzellan möglich ist, zeigt die korrespondierende Berliner Schau „Zauber der Zerbrechlichkeit“ im Ephraim-Palais, in der dem Boom der europäischen Porzellanherstellung seit Meißen nachgegangen wird. Wenn man hier den Kändlerschen, auf weichem Sofakissen sitzenden Mops sieht, der ja durchaus nicht nur an der Elbe produziert wurde, fällt einem plötzlich Jeff Koons und sein „Rosaroter Panther“ von 1988 ein. Auch wenn die Skulpturen 250 Jahre trennen, gibt es Gemeinsamkeiten: beide Protagonisten besitzen Kultcharakter, beide sind aus Porzellan und beide berühren einen leicht zu schmelzenden Punkt auf unserer Gefühlsskala, der bei aller Ernsthaftigkeit der Kunstbetrachtung die Maschinerie der Glückshormone ankurbelt.
Um Missverständnissen vorzubeugen - Koons „Tierplastik“ von 1988 ist nicht im Berliner Ephraim-Palais ausgestellt. Doch es scheint, dass die Ausstellungsarchitekten Kühn Malvezzi durchaus Wahrnehmungsparallelen in Richtung moderne Kunst assoziieren wollten, als sie das Paradehündchen der Fürstinnen und Rokoko-Koketten von unten mit bunten Neonröhren anstrahlten. Wenngleich man auch hier auf Grund der Fragilität des Materials nicht um eine Vitrinenpräsentation herumkommt, die farbenprächtige Inszenierung aus Stoffen und Licht hat den Hautgout des Biederen, der Porzellanpräsentationen so oft anhaftet, vertrieben und suggeriert einen Hauch von der luxuriösen Extravaganz und der damaligen künstlerischen Abgehobenheit mancher Porzellane.
Dadurch verspricht die Berliner Schau, die das Beste aus den Manufakturen von St. Petersburg und Wien über Berlin und Ludwigsburg, Kopenhagen, Sèvres und Venedig bis Chelsea und Doccia gegenüberstellt und zu Meißen in Beziehung setzt, zumindest jene Forderung zu erfüllen, die der amerikanische Interieurdesigner Peter Marino aufgestellt hat: „Die Leute sollen mit dem Gefühl rausgehen, dass sie im Museum eine gute Zeit hatten.“ Marino hat unlängst die Porzellansammlung im Dresdner Zwinger umgebaut – eine prachtvolle Inszenierung ohne falschen Pomp. Für die Wandnischen hat er moderne, kräftige Farbtöne gewählt, vor denen die Farben des Porzellans zur Geltung kommen. Nicht in einer Vitrine, sondern frei auf Wandkonsolen hocken Meißner Vogelplastiken, und Kändlers nahezu lebensgroße Ziegen räkeln sich auf vergoldeten Steinhaufen unter einem türkisch anmutenden Baldachinzelt. Hier lebt der Geist des Barock neu auf. Kein Akademismus, sondern ein Fest für die Sinne, das einem die Porzellane in bester Erinnerung lässt.
Beide Ausstellungen „Triumph der Blauen Schwerter. Meissener Porzellan für Adel und Bürgertum 1710-1815“ und „Zauber der Zerbrechlichkeit. Meisterwerke europäischer Porzellankunst“ sind bis zum 29. August zu sehen. Das Japanische Palais hat täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet, das Ephraim-Palais täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, mittwochs zusätzlich bis 20 Uhr. Der Eintritt beträgt jeweils 6 Euro, ermäßigt 3 Euro. Zu jeder Schau ist ein Katalog im E. A. Seemann Verlag Leipzig zum Museumspreis von 39,90 Euro erschienen. Die Porzellansammlung im Dresdner Zwinger gehört zur ständigen Ausstellung der Staatlichen Kunstsammlung Dresden.
Japanisches Palais
Palaisplatz 11
D-01097 Dresden
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Telefax: +49 (0)351 – 49 49 14 20 01 |