Neue Realitäten in Berlin Mit dem Einsatz fotografischen Materials in Medium der Druckgrafik öffnete sich die Kunst in den 1960er Jahren neuen Bildwelten. Diesen neuartigen Bezug zur Realität nutzten vor allem die Künstler der Pop Art weidlich aus und reagierten damit auf die Produkte und die massenmedial aufbereiteten Bilder der Konsumgesellschaft. In einer thematischen Überblicksschau geht das Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin dem künstlerischen Transfer fotografisch erstellter Bilder in der Druckgrafik nach und hat dafür 120 Werke von 40 Künstlern zusammengestellt. Angeregt wurde die Ausstellung durch eine bedeutende Schenkung von Offset-Editionen Sigmar Polkes durch den Berliner Kunsthändler Wolfgang Wittrock an das Kupferstichkabinett.
Den Anfang machen Andy Warhol und seine 1967 entstandene 10teilige Folge der „Marilyn“. Dabei griff Warhol auf ein schwarzweißes Porträtfoto der Leinwanddiva von Gene Kornman zurück, das er mittels Siebdruck künstlerisch manipuliert und verfremdet hat. Die Serigrafie ist eines der ersten und zentralen druckgrafischen Verfahren, mit denen Fotografien bis heute in die Kunst übertragen werden. Gleichfalls im Laufe der 1960er Jahre wird etwa von den Künstlern des Kapitalistischen Realismus wie Gerhard Richter oder Polke mit der Offsetlithografie ein weiteres, scheinbar triviales Druckverfahren zur Erstellung künstlerischer Editionen eingesetzt. Aber auch klassische Methoden wie Radierung oder der Holzschnitt finden bis heute in der „Fotografik“ Anwendung. Allerdings ist bei Franz Gertsch, Christiane Baumgartner oder Thomas Kilpper dieser Prozess indirekt und manuell. Die Vorlage wird auf den Druckstock projiziert und dort in punktuelle, lineare oder flächige Vertiefungen umgesetzt, die dann im Druck weiß erscheinen.
Seit den 1990er Jahren kommen über die digitale Erstellung und Bearbeitung fotografischer und filmischer Bilder neue, automatisierte Drucktechniken hinzu, die zu einer Aufweichung der Grenze zwischen klassischer künstlerischer Druckgrafik und dem digitalen Foto-Print über einen Tintenstrahldrucker führen. Davon zeugen in der Ausstellung etwa Werke von Martin Borowski und Kai Schiemenz bezeugen. Auf der anderen Seite erlebt derzeit das technisch aufwändige Tiefdruckverfahren der Fotogravüre neue Bedeutung bei der Verarbeitung fotografischer oder digitaler Bilder, etwa bei Al Taylor, Christian Boltanski, Tacita Dean oder Olafur Eliasson.
Die Ausstellung „Neue Realitäten. FotoGrafik von Warhol bis Havekost“ ist bis zum 9. Oktober zu sehen. Das Kupferstichkabinett hat dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt 6 Euro, ermäßigt 3 Euro.
Kupferstichkabinett – Sammlung der Zeichnungen und Druckgraphik
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