Bücher, alte und neuere Grafik sowie moderne und zeitgenössische Kunst bei Venator & Hanstein
Rubens’ Vervielfältiger
Biblia germanica, Anton Sorg, Augsburg 1477
Martin Luther gilt ja gemeinhin als derjenige, der durch seine Übersetzungen zunächst des Neuen und dann des Alten Testaments sowie deren Veröffentlichung in den 1520er Jahren die Bibel einer breiteren Öffentlichkeit auch jenseits von Kirche und Wissenschaft zugänglich machte. Der erste deutsche Bibelübersetzer war er allerdings nicht. Schon vorher zählte man mindestens 14 deutsche oder niederdeutsche Übersetzungen im Druck. Eine davon brachte 1477 der Augsburger Anton Sorg heraus. Weniger freilich der geschraubte Text als vielmehr die 77 teils prächtigen Holzschnittillustrationen sichern dieser Ausgabe einen der vornehmsten Plätze in der gedruckten Literatur der zweiten Hälfte des 15ten Jahrhunderts in Deutschland. Das Kölner Auktionshaus Venator & Hanstein bietet in seiner umfangreichen Auktion von Büchern und alter Grafik eines der naturgemäß selten gewordenen Exemplare dieser „Biblia germanica“ an. Mit 120.000 Euro ist der früher unter anderem im Besitz der Fürsten von Liechtenstein befindliche Band das teuerste Objekt der Versteigerung.
Bücher und Alte Grafik
Bei den Drucken und Handschriften stapeln sich am 27. September ohnehin die größten Kostbarkeiten der älteren Abteilung. So wartet etwa ein für sein Alter immer noch gut erhaltenes Exemplar von Hartmann Schedels berühmter „Weltchronik“ aus dem Jahr 1493 mit den meisterhaften Holzschnitten von Michael Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff für 35.000 Euro auf Kundschaft. 25.000 Euro sollen es für eine 1796 von Adam von Bartsch verantwortete Ausgabe des berühmten Triumphzugs Kaiser Maximilians I. von Hans Burgkmair d.Ä. und anderen Meistern auf der Schwelle zwischen Spätgotik und Frührenaissance sein. Richtig teuer wird es noch einmal bei einem zweiteiligen Werk mit dem Titel „Vitas Patrum“, übersetzt von Johann Schönsperger, aus dem Jahr 1497, das sich dem Leben zahlreicher frühchristlicher Mönche widmet. Die mit rund 260 kolorierten Holzschnitten ausgestattete Arbeit wird bei 90.000 Euro gehandelt.
Für 13.000 Euro liegt ein zweibändiges Werke über alle im Jahr der Herausgabe 1784 bekannten Muscheln von Thomas Martyn vor, das durch gestochen scharfe, kolorierte Abbildungen besonders schöner Exemplare besticht. Als eines der ersten botanischen Werke mit gestochenen Pflanzenabbildungen gelten die „Phytobasanos“ von Fabio Colonna. Die 1592 in Neapel veröffentlichte Schrift liegt bei 6.000 Euro. Etwas mehr Platz sollte man für Giulio Ferrarios „Il costume antico e moderno o storia del governo, della milizia,…“ aus den Jahren 1829 bis 1834 bereithalten. Nicht weniger als 37 Bände umfasst das wiederum mit zahlreichen Illustrationen ausgestattete Werk, das sich nicht nur den Kleiderordnungen in aller Welt, sondern auch Gebäuden, Kult- und Gebrauchsgegenständen widmet (Taxe 15.000 EUR).
Die dezidiert künstlerischen druckgrafischen Erzeugnisse fallen gegen diese exzeptionellen Bücher beinahe ein wenig ab. Israhel van Meckenems mehrszeniger, spätgotischer Kupferstich „Christus vor Pilatus“ für 3.000 Euro, Rembrandts dicht schraffiertes Blatt „Der Schulmeister“ für 3.600 Euro, sein versunkener „Heiliger Hieronymus im dunklen Zimmer“ von 1642 und Jacob van Ruisdaels stille Landschaftsschilderung „Das Kornfeld“ von 1648 für jeweils 4.000 Euro, bilden hier bereits die Preisspitzen. In der jüngeren Grafik ist ein Exemplar von Francisco de Goyas „Proverbios“, allerdings in einer späten Ausgabe von 1916, gleichwertig taxiert. Doch Venator & Hanstein setzen die Druckgrafik generell nicht so hoch an; daher lohnt auch der Blick auf die kleineren Preise. Am Übergang von Spätgotik zu Renaissance stehen Lucas van Leydens liebevolle Schilderung des „Vornehmen Paars in der Landschaft“ von 1520 (Taxe 1.500 EUR) und Daniel Hopfers Eisenradierung von Maria und Anna mit den spielenden Jesusknaben in einem tonnengewölbten Raum mit Ausblick in einen Renaissance-Hof (Taxe 600 EUR). In der Rembrandt-Nachfolge ist dann Ferdinand Bols zarte Radierung „Junger Mann mit federgeschmücktem Hut“ von 1642 zu lokalisieren (Taxe 1.500 EUR).
Zahlreich ist diesmal die Reproduktionsgrafik nach Peter Paul Rubens. Der Katalog listet hierfür 16 Positionen, angefangen bei 200 Euro für Schelte Adamsz Bolswerts Kupferstich mit der barock bewegten „Anbetung der Könige“ bis hin zu 3.000 Euro für Christoffel Jeghers fast ebenbürtig fein ausgeführtem Holzschnitt „Susanna und die beiden Alten“. Auch Lucas Vorsterman d.Ä. hat sich bei Rubens umgeschaut und dieses Thema als Vorlage hergenommen. Doch geht seine Kupferstichadaption auf ein anderes Gemälde zurück, das sich mehr auf die drei handelnden Personen konzentriert und die Umgebung reduziert (Taxe 400 EUR). In den italienischen Barock weisen Annibale Carraccis Kupferstich der ins reuige Gebet versunkenen Maria Magdalena vor einer Waldgegend von 1591 (Taxe 600 EUR) und Giulio Carpionis heiliger Hieronymus in der Wüste, umschwirrt von Engelsköpfen (Taxe 1.000 EUR).
Die jüngere Grafik hat Veduten aus Italien zu bieten, etwa Michele Marieschis Blick auf den Markusplatz in Venedig mit zahlreichen Personen in Karnevalsverkleidung oder mehrere Rom-Ansichten Giovanni Battista Piranesis, darunter die „Veduta del tempio della Sibilla in Tivoli“ von 1761 (Taxe je 1.200 EUR). Ein romantisches Künstlerbild entwirft Johann Christoph Erhard 1819 in seiner Radierung „Der mit seinem Führer rastende Künstler“. Die Waldszene mit den beiden Personen im Gespräch gehört zu der Folge „Die Salzburger Landschaften mit den großen Figuren“ und soll 360 Euro einbringen.
Moderne und zeitgenössische Kunst
Am 28. September hat Venator & Hanstein rund 560 weitere Losnummern ausschließlich mit moderner und zeitgenössischer Kunst im Programm, überwiegend Grafiken. Meist rangieren sie preislich im drei- oder niedrigen vierstelligen Bereich, gelegentlich wird man aber doch tiefer in die Tasche langen müssen. An erster Stelle ist eine Sammlung von rund zwei Dutzenden Briefen Martin Kippenbergers aus dem Jahr 1974 zu nennen, die der junge Student an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste an eine Freundin schrieb und vor allem auch zeichnete, malte und collagierte. 55.000 Euro stehen hier auf dem Etikett. Mit 24.000 Euro nicht ganz so teuer ist Sigmar Polkes vierzigteiliges Mappenwerk „Vollmond im Widder“, im Gegensatz zu Kippenbergers Papieren ein Spätwerk des Meisters, 2004 sechs Jahre vor seinem Tod entstanden. 12.000 Euro möchte das Auktionshaus für Erich Heckels charakteristisches Aquarell „Am Untersee“ aus dem Jahr 1945 sehen. Noch weiter zurück geht das Angebot mit Henri de Toulouse-Lautrecs beliebter Lithografie „Miss May Belfort en Cheveux“ von 1895 (Taxe 4.500 EUR).
Günstigere Klassiker sind Max Beckmanns 1921 datierte Kaltnadelradierung eines Selbstbildnisses als „Der Ausrufer“ aus der Mappe „Der Jahrmarkt“ für 6.000 Euro, Tom Wesselmanns monumentale Farbserigrafie „Bedroom Face #41“ für 7.500 Euro und Gerhard Richters Künstlerbuch mit „128 Fotos von einem Bild 1978“, zwanzig Jahre später in 128 Exemplaren von Walther König herausgebracht, für 9.000 Euro. Eher konzeptuellen Charakter hat Herman de Vries’ Pflanzencollage „Atropa Belladonna“ mit nebenstehender Bleistiftbeschriftung aus dem Jahr 1989 für 9.000 Euro. Roy Lichtensteins berühmtes „Tea Set“ von 1984 kann man sich für vielleicht 12.000 Euro in die Vitrine stellen, Antoni Tàpies’ rotschwarze Radierung „Cercle Rouge“ von 1976 für 5.000 Euro an die Wand hängen. Der Katalog führt zudem mehrere grafische Arbeiten Georg Baselitz’ an, darunter den schwarzweißen Holzschnitt „Mann in der Tür“ von 1982 für 3.600 Euro oder das farbige Exemplar „Auch Fuß“ von 1996 für 3.000 Euro.
Schaut man sich bei den nicht so geläufigen Namen um, reduzieren sich die Preise nochmals. Hans am Ende entwirft seinen „Kopf eines Moorbauern“ auf kleiner Leinwand als resignierten, alten Mann (Taxe 1.200 EUR). Der sonst für seine expressiven, in sich gekehrten Menschengestalten bekannte Georg Ehrlich steuert diesmal einen wohl frühen, symbolistisch verschwommenen „Weiblichen Akt“ für 2.000 Euro bei. Aus der frühen Abstraktion gibt es einen kolorierten Linolschnitt von Hans Leistikow aus dem Jahr 1922, der an eine Figurine erinnert und mit einem Gedicht auf der Rückseite versehen ist (Taxe 600 EUR), oder Franz Holsteins schwebende bunte Kreisformationen auf schwarzem Hintergrund um 1920, die an Gestirne am Nachthimmel denken lassen (Taxe 500 EUR). Als eine dunkle, in Segmente aufgeteilte Kreisstruktur mit kleinen leuchtenden Innenformen hat Wobbe Alkema 1957 seine Gouache gemalt (Taxe 1.500 EUR). Da ist es nicht mehr weit zu Robert Rotars leuchtend blauer „Rotation Blau K“ von 1967 (Taxe 1.500 EUR) oder Norbert Prangenbergs Aquarell mit zeichnerischen Binnenstrukturen von 1994 (Taxe 600 EUR).
Ungegenständlich bliebt es mit Frederic Matys Thursz, der in seiner quadratischen Leinwand „Aux Murs“ von 1962 die Qualitäten der Farbe und des Lichts erkundet (Taxe 2.000 EUR), und Roger-François Thépot, der 1973 in „Structure Noire“ lediglich auf kaum wahrnehmbare geometrische Abstufungen der Farbe Schwarz setzt (Taxe je 2.000 EUR). Mit Collage- und Assemblageelementen arbeitet dagegen Mary Bauermeister. In ihrer zeichnerisch und fotografisch aufgefassten, motivreichen Offsetlithogafie „Sketch for Tanglewood Press“ hat sie 1966 etwa zwei Glaslinsen, Steine und Steinpyramiden und zwei bemalte Holzkugeln verwendet (Taxe 2.400 EUR). Für bildhauerische Positionen stehen dann Erwin Heerichs stereometrische Zeichnung eines schräg in Raum verzogenen Würfels, Fritz Schweglers 40 Mal ausgesägtes, geometrisches Holzrelief „EN 8287“ von 1994 (Taxe je 400 EUR) oder Stephen Craigs verspieltes Multiple „Underground Cinema“, eine Edition der Hamburger Griffelkunst Vereinigung aus dem Jahr 2005 (Taxe 600 EUR).
Die jüngere Kunst, die sich vorwiegend wieder mit figuralen Arbeiten beschäftigt, kommt zudem mit Matthew Barneys bezugsreichem Buchobjekt „Drawing Restraint 7“ von 1995 (Taxe 2.500 EUR), Olafur Eliassons „Lupe“ mit Spiegel, eine Jahresgabe des Kunstvereins Wolfsburg von 1999 (Taxe 1.000 EUR), oder Anton Hennings mit Fotos collagierter, schwarz-weißer Mischtechnik von 1988 zu ihrem Recht (Taxe 3.000 EUR). Während Chris Ofili in seiner Farblithografie „Ritual & Desire“ von 2009 Lebensmythen behandelt (Taxe 1.500 EUR), untersucht Stephen Prina in seiner zweiteiligen Arbeit „Exquiste Corpse: The Complete Paintings of Manet 88 of 556“ von 1990 die Kunstgeschichte unter abstrakt-konzeptueller Prämisse (Taxe 6.000 EUR). Den Abschluss der Auktion macht eine dreibändige Monografie Ernest Maindrons zur französischen und internationalen Plakatkunst des ausgehenden 19ten Jahrhunderts mit zahlreichen Chromolithografien nach Originalen unter anderen von Henri de Toulouse-Lautrec, Alphonse Mucha oder auch Emil Orlik. Und auch die Einbände mit figürlichen Lederintarsien machen den hohen Wert des Ensembles aus, der sich in 45.000 Euro niederschlagen soll.
Die Auktion beginnt am 27. September um 9:30 Uhr mit den Büchern, der Alten Grafik und den Autografen und wird am 28. September um 10 Uhr mit der Modernen und Zeitgenössischen Kunst fortgeführt. Die Besichtigung der Objekte läuft noch bis zum 26. September täglich von 10 bis 17:30 Uhr. Der Internetkatalog listet die Objekte unter www.venator-hanstein.de.