 |  | Christian Thran, Prospekt der Stadt- und Schlossanlage Karlsruhe, 1739 | |
Am 17. Juni 1715 war es soweit: Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach legte den Grundstein zum Turm seines neuen Residenzschlosses im Hardtwald mitten in der Rheinniederung bei Durlach. Der Blick von der Turmspitze offenbart heute 32 fächerförmig auslaufende Straßenzüge, denen sich der bereits 1718 vollendete Schlossbau mit radial im stumpfen Winkel ausgestellten Flügeln unterwirft. Ein ausgedehnter Viertelkreis mit Schlossgarten schafft Distanz zum Ort „Carolsruhe“, dessen genau abgesteckter Grundriss wohl auf den Ideen des Markgrafen fußt und nichts anderes ist als eine bauliche steingewordene Selbstdarstellung im absolutistischen Zeitalter. Gerade mal 47.000 Einwohner umfasste die Markgrafschaft im frühen 18. Jahrhundert.
Nahe der planmäßigen Anordnung des neuen Herrschersitzes nahm kein typisch deutsches Städtchen mit verwinkelten Gassen Gestalt an, sondern ein anspruchsvoller, im kulturpolitischen Trend der damaligen Epoche liegender Plan. Der Spiegel klarer administrativer Gegebenheiten wohnt dem Konstrukt bis heute inne. Unter Großherzog Karl führte Baden 1818 als erster deutscher Bundesstaat eine konstitutionelle Verfassung ein. Bereits 1822 wurde das erste zu diesem Zweck errichtete Parlamentsgebäude im deutschen Sprachraum nach Plänen des Weinbrenner-Schülers Friedrich Johann Andreas Arnold eingeweiht, dessen Plenarsaal zudem eine kreisrunde Sitzordnung aufwies. So nimmt es nicht Wunder, dass die „Wiege der deutschen Demokratie“ 1948 auch als Ort der verfassungsgebenden Versammlung im Gespräch war. Geblieben ist für Karlsruhe bis heute die Funktion als „Hauptstadt des Rechtes“. Vor allem in den Medien präsent ist das Bundesverfassungsgericht als eines der drei obersten staatlichen Verfassungsorgane. Gerade wurde dessen denkmalgeschütztes Ensemble von Paul Baumgarten aus dem Jahr 1969 saniert. Der Bundesgerichtshof residiert im ehemaligen Erbgroßherzoglichen Palais, während die Generalbundesanwaltschaft 1988 in einem imposanten postmodernen Würfel seinen Sitz nahm, den Oswald Mathias Ungers gestaltete.
Vier große Ausstellungen begleiten das 300jährige Karlsruher Stadtjubiläum. Das Badische Landesmuseum stellt erstmals das Leben des Stadtgründers Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach (1679-1738) vor. Im von ihm erbauten Residenzschloss spannt die historische Präsentation ein barockes Panorama von den Lüsten und Leidenschaften des Herrschers bis hin zur Gründung des Ortes. Gleich zu Beginn wird die Schwäche des Barockfürsten für rauschende Feste und überbordend-schwülstige Haltungen deutlich. Denn unvermittelt findet sich der Eintretende auf einer barocken Theaterbühne wieder, dessen Prospekt auf einem Kupferstich von Theophil Wahrmund aus dem Jahr 1691 nach Matthäus Merian d.J. fußt, der das brennende Durlach zeigt.
Einen Besuch wert ist die 1901 nahebei im Schlosspark von Großherzog Friedrich I. errichtete Großherzogliche Majolika Manufaktur samt angegliedertem Keramikmuseum. Seit 2011 in der Trägerschaft einer Stiftung, versucht das heute 22 Mitarbeiter starke Traditionsunternehmen vor allem mit architekturgebundenen Künsten Akzente zu setzen. Auch berühmte zeitgenössische Künstler lassen hier ihre Arbeiten fertigen. Noch unvollendete Plastiken des unlängst verstorbenen Norbert Prangenberg warten, in Großregalen gelagert, auf neue Eigentümer.
Zum Stadtjubiläum hat sich die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe eine künstlerisch ambitionierte Herrscherin vorgenommen und widmet sich der Sammeltätigkeit der Markgräfin Karoline Luise. 1723 als Prinzessin von Hessen-Darmstadt geboren, heiratete sie 1751 den Markgrafen Karl Friedrich von Baden. Für die am Ende ihres Lebens etwa 200 Werke umfassende Sammlung bevorzugte Karoline Luise Gattungen wie die Genremalerei, Landschaften oder Stillleben vor allem der niederländischen und französischen Schule. Daraus präsentiert die Ausstellung in einem Rundgang aus 15 Kapiteln etwa 160 Gemälde. Ihr Gemäldekabinett enthielt die holländische Feinmalerei von Gerrit Dou, Gabriel Metsu, Caspar Netscher und Adriaen van der Werff und die eher freie Malweise eines Rembrandt oder Jean Siméon Chardin. Zudem haben die Kuratoren rund 300 Leihgaben unterschiedlicher Gattungen wie Grafik, Möbel, Porzellan, Manuskripte, Bücher und naturwissenschaftliche Objekte versammelt.
Zum Jubiläum hat es die Stadtverwaltung geschafft, zeitlich präzise mitten in einem gewaltigen Innenstadtumbau zu versinken. Aus tiefen Gruben für neue U-Bahnschächte steigen Staubwolken auf. Da kam das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) unter seinem umtriebigen Leiter Peter Weibel gerade recht, mit der in die Zukunft gerichteten „Globale“ ein neues Format in einem Mix aus Kunst, Technik und Wissenschaft zu erdenken, das in den Stadtraum eingreift. Über dem ausgebaggerten Marktplatz lässt der Künstler Leandro Erlich an einem Kran ein Hausmodell mit Wurzeln schweben. Eine Ecke weiter biegt sich ein Kleinlaster die Hausfront hinauf; das Kunstwerk von Erwin Wurm erhielt schon am ersten Tag einen Strafzettel. Neben diesen Baustellenkünsten setzt allabendlich eine aufwendige Klang- und Bildprojektion die Südfassade des Schlosses in Szene. Dahinter im Schlossgarten steht als zentrales Veranstaltungsforum der vom Berliner Architekten Jürgen Mayer Hermann entworfene Pavillon, ein dekonstruktivistischer Leichtbau aus ineinander verwobenen Holzelementen.
Im ZKM setzt sich die auf Globalisierung und Digitalisierung abzielende „Globale“ mit raumgreifenden Installationen fort. Der japanische Komponist und Künstler Ryoji Ikeda richtete in zwei Lichthöfen großformatige Projektionen und Klangwelten ein. Damit reagiert er auf die elektromagnetischen Wellen, die Heinrich Hertz 1886 bis 1888 in Karlsruhe nachwies. Der Besucher wandert durch flirrende, von Klängen und Geräuschen begleitete Farbmeere und bewegt sich über eine Plattform aus rhythmischen Loops, die wie ein fliegender Teppich unter seinen Füßen wegrauscht. Höhepunkt im ZKM ist eine reale weiße Wolke. Sie schwebt nicht nur statisch in einem Lichthof, sondern bewegt sich über zwei hinweg. Das Stuttgarter Energietechnikunternehmen Transsolar Transsolar und der japanische Architekt Tetsuo Kondo ermöglichen somit die reale Durchwanderung eines vielfach in der Malerei verarbeiteten Sujets.
Nebenan in der Städtischen Galerie Karlsruhe wird die im Jahr 1794 entstandene Zeichnung einer Fürstengruft präsentiert, auf der weiße Wolken aus einer Flammenschale in ein riesiges kassettiertes Tonnengewölbe ziehen. Gefertigt hat sie Friedrich Weinbrenner. Anlässlich des Stadtjubiläums wartet das Museum erstmals seit 1977 mit einer Retrospektive zum Schaffen des für Karlsruhe maßgeblichen Architekten auf. Die virtuellen Sphären des ZKM werden hier in den Sektor baulicher Realitäten überführt. Rund 400 Baupläne und Ansichten, Modelle, historische Fotografien sowie digitale Rekonstruktionen geben eine umfassende Übersicht über das Lebenswerk des am 24. November 1766 in Karlsruhe geborenen Baumeisters.
Nach dem Aufstieg des kleinen barocken Residenzortes zur Hauptstadt des neu gebildeten, 100.000 Einwohner starken Großherzogtums Baden im Jahr 1806 wurde Karlsruhe nach Weinbrenners Plänen im Sinne des Klassizismus weiterentwickelt. Die mittig vom Schloss ausgehende Via Triumphalis gehört zu den herausragenden Beispielen klassizistischen Städtebaus in Europa. Die ursprünglich in der 1807 abgerissenen Konkordienkirche befindliche Gruft mit den sterblichen Überresten des Stadtgründers Markgraf Karl Wilhelm wurde zunächst notdürftig mit einer Holzpyramide überdeckt. Kurz vor seinem Tod am 1. März 1826 erneuerte Weinbrenner sie in Stein. Reminiszenzen an die Ägyptenmode, die römische Cestius-Pyramide sowie den aktuellen Revolutionsklassizismus vereinen sich im Wahrzeichen Karlsruhes.
Aber als Leiter der großherzoglichen Bauverwaltung prägte Friedrich Weinbrenner die Architektur in ganz Baden. Vor allem in der benachbarten Kur- und Residenzstadt Baden-Baden sind erstrangige Bauten von ihm und seinen Schülern zu besichtigen, so das noble Vornehmheit ausstrahlende Kurhaus mit dem noch im Original erhaltenen Konversationssaal. Bis heute verleihen Weinbrenners Ideen der Stadt Karlsruhe und der Region eine markante bauliche Identität und sind zugleich ein Fingerzeig an heutige Entscheidungsträger, künstlerische Qualitäten nicht außer Acht zu lassen.
Die Ausstellung „Friedrich Weinbrenner 1766-1826. Architektur und Städtebau des Klassizismus“ ist bis zum 4. Oktober zu sehen. Die Städtische Galerie Karlsruhe hat Mittwoch bis Freitag 10 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 7 Euro, 5 Euro ermäßigt. Freitags ab 14 Uhr ist der Eintritt frei.
Städtische Galerie Karlsruhe
Lorenzstraße 27
D-76135 Karlsruhe
Telefon: +49 (0)721 – 133 44 01
Die Aktionen und Ausstellungen zur „Globale“ haben verschiedene Laufzeiten, die letzten enden am 17. April 2016. Das ZKM ist täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, samstags und sonntags erst ab 11 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 6,50 oder 3 Euro Euro.
Zentrum für Kunst und Medientechnologie
Lorenzstraße 19
D-76135 Karlsruhe
Telefon: +49 (0)721 – 81 000
Die Ausstellung „Die Meister-Sammlerin. Karoline Luise von Baden“ ist bis zum 6. September zu sehen. Die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro, für Schüler 3 Euro und für Familien 24 Euro. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog für 39,90 Euro.
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
Hans-Thoma-Straße 2-6
D-76133 Karlsruhe
Telefon: +49 (0)721 – 926 33 59
Die Große Landesausstellung „Karl Wilhelm 1679-1738“ läuft bis zum 18. Oktober. Das Badische Landesmuseum hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 7 Euro. |