Der Titel „Bird Song“ verweist auf einen Jazz-Klassiker, der ursprünglich für Miriam Makeba geschrieben und häufig von anderen Musikern interpretiert wurde. „Bird Song“, so lautet aber auch die Überschrift der Einzelausstellung des 1984 in Kapstadt geborenen südafrikanischen Künstlers Kemang Wa Lehulere, den die Deutsche Bank zum „Künstler des Jahres 2017“ erkoren hat. Sie ehrt damit einen der profiliertesten jüngeren Kunstschaffenden Südafrikas und stellt sein Werk nun in ihrer Kunsthalle in Berlin vor. Kemang Wa Lehulere, der sich mit Malerei, Zeichnung und Skulptur, aber auch mit Theater, Performance, Aktionen und Installationen beschäftigt, thematisiert dabei die verdrängte Geschichte Südafrikas, etwa die Gewalt während der Apartheid.
Seine Arbeiten sind poetisch und politisch zugleich. In seiner sehenswerten und vielschichtigen Schau tritt er in einen Dialog mit Werken der lange Zeit in Vergessenheit geratenen Künstlerin Gladys Mgudlandlu. Er integriert ihre zarten Aquarelle und Zeichnungen in seine Ausstellung und kommentiert sie mit Texten und Videos. Die 1917 geborene und 1979 verstorbene Autodidaktin war eine der ersten schwarzen Frauen, die in einer Galerie in Südafrika ausstellte. Zu Zeiten der Apartheid galt es bereits als politische Handlung, wenn eine schwarze Frau einen Vogel oder Baum malte. Für Wa Lehulere verweisen die Vogel- und Landschaftsbilder Mgudlandlus auf die zwangsweise Vertreibung und Umsiedlung der Schwarzen in den 1960er Jahren, um Platz für die Wohngebiete der Weißen zu schaffen. Hierauf bezieht sich seine aktuelle Videoarbeit „Homeless Song 5“.
Auch der im Titel zitierte Vogel, ein Graupapagei, taucht auf. Er hockt als überaus lebensecht ausgestopftes Exemplar auf der von Kemang Wa Lehulere aus alten Schulbänken, Stahlrohren und Vogelhäuschen konstruierten Installation „My Apologies to Time“ von 2017. Sie zeichnet den Einfluss seiner Kindheit und Jugend im Kapstadter Township Gugulethu nach. Wa Lehulere vergleicht die Vogelhäuser, die sowohl domestizierend, als auch schützend sind, mit der Schule, die für ihn ein ideologisch geprägtes Mittel der Kontrolle und Konditionierung ist. Hier greift er das Thema der Wissensvermittlung, Macht und Ohnmacht auf, die er mithilfe von umgebauten Schulmöbeln verdeutlicht.
Gefangenschaft, Regelwerke, Willkür, Freiheitsberaubung: alles Ansätze, die sich aus der Erfahrung der Apartheid und der bis heute andauernden Aufarbeitung der politischen Situation in Südafrika speisen. In der Arbeit „Broken Wing“ kombiniert er altmodische Krücken, Bibeln und künstliche Gebisse zu einer von der Decke hängenden Installation. Musiknoten aus afrikanischem Haar oder ein in den zuvor schwarz getünchten Putz geschlagenes Wandbild unterstreichen die poetische Kraft im gleichzeitig politisch aufgeladenen Werk von Kemang Wa Lehulere. Dass Südafrika in Berlin zur Zeit Konjunktur hat, beweist darüberhinaus auch die Berufung von Gabi Ngcobo zur künstlerischen Leiterin der 10. Berlin Biennale, die 2018 stattfindet.
Die Ausstellung „Kemang Wa Lehulere. Bird Song“ ist bis zum 18. Juni zu sehen. Die Deutsche Bank Kunsthalle hat täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 4 Euro, ermäßigt 3 Euro; für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, für Schulklassen und montags für alle ist er kostenlos. Begleitend zur Schau erscheint ein Katalog für 35 Euro. |