Lothar Baumgarten gestorben  |  | Lothar Baumgarten gestorben | |
Lothar Baumgarten ist tot. Der Fotograf, Konzept- und Videokünstler starb am 2. Dezember in Berlin. Er wurde von 74 Jahre alt. Baumgarten, geboren 1944 im brandenburgischen Rheinsberg, studierte von 1961 bis 1971 an der Kunstakademie in Düsseldorf. 1968 zog es ihn kurz an die Akademie nach Karlsruhe. In Düsseldorf war Baumgarten ein Schüler von Joseph Beuys, und es waren die anthroposophischen Ideen seines Lehrers, die Baumgarten besonders prägten. Sein Œuvre beinhaltet neben Installationen und Fotografien auch Tonaufnahmen, Zeichnungen, Drucke, Bücher, Kurzgeschichten oder ortsspezifische Werke. Die zur Zeit so virulenten Fragen nach dem Blick der Alten Welt auf fremde Kulturen trieben Lothar Baumgarten schon zu Beginn seiner künstlerischen Karriere um. So schuf er zwischen 1968 und 1970 eine Fotoserie, die Art und Weise untersucht, wie europäische Museen der Ethnografie die Perspektive des Betrachters durch die Präsentation der Exponate beeinflussen.
Aus Faszination für das Fremde lebte Baumgarten 1978 für 18 Monate bei zwei Stämmen der Yanomami im Grenzgebiet zwischen Venezuela und Brasilien. Daraus entstand bis 2005 die Multiprojektionsarbeit „Fragmento Brasil“. In Paaren legte der Künstler 648 Bilder an, die aus zwei Quellen stammen: Albert Eckhouts Gemälde mit brasilianischen Vögeln in idealisierten Landschaften aus der Mitte des 17. Jahrhunderts und abstrakte Zeichnungen der Yanomami-Stämme aus Venezuela und Brasilien. Als Baumgarten 1984 auf der Biennale in Venedig den Deutschen Pavillon bespielte und dafür den Goldenen Löwen erhielt, präsentierte er „Señores Naturales“. Dafür gravierte er die Namen der Amazonas-Völker auf den Marmorfußboden und füllte sie mit Harz aus.
Zu seinen renommiertesten Kunstprojekten in Deutschland zählt die in den späten 1990er Jahren realisierte Installation für das Bundespräsidialamt. Im ovalen Innenhof des ellipsenförmigen Neubaus neben dem Schloss Bellevue konzipierte Baumgarten einen Entwurf, der aus einem auf die Gebäudeproportionen Bezug nehmenden Zahlensystem im Terrazzoboden sowie 90 zweifarbigen, in die Wände der Kolonnadengänge eingelassenen Majolikatafeln besteht. Zahlensystem und Tafeln verschmelzen auf kongeniale Weise mit der Architektur. Von 1994 bis 2006 lehrte er an der Universität der Künste in Berlin.
In der letzten großen deutschen Einzelausstellung präsentierte das Museum Folkwang in Essen 2011/12 die Ton- und Videoaufnahmen, Zeichnungen, Malereien und Fotoarbeiten, die während Baumgartens Aufenthalts bei den Yanomami-Stämmen entstanden. Zudem schenkte der Künstler der Stiftung Folkwang seine ethnografische Sammlung und Dokumentation. Baumgarten, der in Berlin und New York lebte, nahm viermal an der Documenta teil. Für die Skulptur Projekte Münster 1987 kreierte er die „Drei Irrlichter“: Die drei Gitterkäfige mit drei Glühbirnen, die am Turm der Lamberti-Kirche aufgehängt sind und nachts leuchten, erinnern an die Herrschaft der Wiedertäufer in den 1530er Jahren und deren brutale Ausrottung. Seine Werke sind Teil internationaler Sammlungen, darunter der Tate Modern in London, der Fondation Cartier in Paris, des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt und des Salomon R. Guggenheim Museum in New York. |