Kunst und KI: Götzendämmerung in München Nennen wir es im Moment noch ein großes Labor, was die gestern eröffnete Ausstellung „Götzendämmerung. Twilight of the Idols“ in München zum Thema Kunst und Künstliche Intelligenz vereint. Dass die KI, die programmierte, selbstlernende, auf die Umwelt reagierende Maschine, in die Welt der Kunst eingedrungen ist, ging spätestens 2018 wie ein Lauffeuer durch die Medien. Das französische Künstlerkollektiv Obvious hatte damals das Porträt „Edmond de Belamy“ bei Christie’s eingeliefert. Verkaufspreis: über 400.000 US-Dollar. Künstlerisch überzeugend war das Gemälde im Stil des 19. Jahrhunderts nicht. Aber zum ersten Mal trat ein Werk auf die Bühne des Kunstmarkts, das nicht mehr von menschlicher Hand, sondern von einem malenden Roboter erarbeitet war. Das Wort „kreiert“ passt wohl weniger auf diesen Schaffensprozess.
Zwei Arbeiten von Obvious AI & Art sind auch in der Münchner Schau zu sehen, die mit ihrem Leitgedanken „Kunst und KI als ästhetischer Diskurs im Zeitalter von Trans- und Posthumanismus“ vor allem ein Forum zu diesem Thema sein will. Der Künstlerverbund im Haus der Kunst zeigt 25 Positionen von den international beachteten Vorreitern der Szene wie Patrick Tresset aus Brüssel mit seinen zeichnenden Maschinen oder Hakan Gündüz aus Istanbul, der in seinen digitalen Schaukästen via Algorithmus eine endlos scheinende Metamorphose abstrakter Bilder produziert. Von dem Türken Memo Akten, einem Pionier der Szene, ist eine Arbeit ausgestellt, die auf der Interaktion zwischen Besucher und Bild beruht.
Noch ist vieles auf diesem Gebiet ein Spiel mit den Möglichkeiten, eine Konzentration auf digitale Folien, vorhersehbar und von einer technoiden Ausstattung, die das Erlebnis Kunst auf einen Erkenntnisprozess reduziert. Aber die Schau wirft eine Reihe von Fragen auf, die nicht nur die Definition von Kunst, Kreativität und Autorenschaft, sondern auch die transhumane Perspektive der Gesellschaft berühren. Einen Schritt in diese Richtung demonstriert die in New York, London und Basel lebende Künstlerin Sougwen Chung. Wie der Arm eines Cyborgs, ausgestattet mit einem Pinsel, malt eine Maschine an den kalligrafisch inspirierten Tuschebildern der gebürtigen Chinesin mit. Nach jedem Pinselstrich der Künstlerin ergänzt der Roboter den Akt des Malens im Stil der Künstlerin. Aufgrund der Pandemie kann nur ein Video ihrer Arbeitsweise präsentiert werden.
„Götzendämmerung“ ist eine Schau des Künstlerverbundes im Haus der Kunst München. Sie wurde kuratiert von Berkan Karpat, Rainer Ludwig und Cornelia Oßwald-Hoffmann. Aus organisatorischen Gründen endet sie bereits Anfang Oktober, wird im Anschluss jedoch in digitaler Form unter kuenstlerverbund.org zu sehen sein. Für Frühjahr 2021 ist eine Begleitpublikation innerhalb der Schriftenreihe „KI-Kritik“ im Transcript Verlag geplant.
Die Ausstellung „Götzendämmerung. Twilight of the Idols“ bis zum 1. Oktober zu sehen. Das Haus der Kunst hat täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 22 Uhr, freitags und samstags bis 20 Uhr geöffnet.
Künstlerverbund im Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
D–80538 München
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