Schätze im Abwasserohr: Wiederentdeckte Meisterwerke bei Siebers in Stuttgart  |  | Józef Chelmonski, Bei der Rast (Szene aus dem polnischen Aufstand 1863), 1885 | |
Es klingt fast wie ein Märchen: Bei der Entrümpelung eines schwäbischen Hauses kamen in einem Abwasserohr und einem Kartontornister Kunstwerke zum Vorschein. Dass es sich dabei um keine Allerweltskunst handelt, stellte nun das Stuttgarter Auktionshaus Yves Siebers fest. Denn mit einer über zweieinhalb Meter breiten unheimlichen Winterlandschaft kam ein Hauptwerk des polnischen Malers Julian Falat von 1897 ans Tageslicht, das mit 35.000 bis 70.000 Euro bewertet ist. Auch beim Öffnen der zweiten Rolle tat sich eine Überraschung auf. Dort stieß man auf eine winterliche Szene mit rastenden Soldaten während des polnischen Aufstands im Jahr 1863 von Józef Chelmonski. Das für Polen kulturhistorisch bedeutende Werk von 1885 aus der Pariser Zeit des Malers soll sogar 120.000 bis 200.000 Euro einspielen.
Hintergrund dieser Entdeckungen ist eine schwäbische Unternehmerfamilie der Wolle- und Garnindustrie, die im 18. Jahrhundert nach Lodz in Polen ausgewandert war und dort eine bedeutende Kunstsammlung aufgebaut hatte. In den 1940er Jahren gelangte ein Großteil des Konvoluts wieder nach Deutschland, einige Werke, darunter ein bis heute verschollenes Gemälde Rembrandts, gingen durch eine Plünderung unterwegs verloren. Die Erben kamen Ende 2020 auf das Stuttgarter Auktionshaus mit ihrer Sammlung polnischer Maler aus der Münchner Schule zu, bei einer letzten Begehung ihres Hauses entdeckten sie jedoch erst die Gemälde von Falat sowie Chelmonski und auch Aquarelle Alfred von Wierusz-Kowalskis. Sein Ölgemälde mit einer charakteristischen flotten Schlittenfahrt ziert als „Gesicht“ der Auktion den Titel des Katalogs (Taxe 20.000 EUR). In Rücksprache mit dem polnischen Kulturministerium und mit Hilfe der Lost Art-Datenbank konnte Siebers sicherstellen, dass kein Fall von Raubkunst oder Rechtsansprüche ehemaliger Besitzer vorliegen.
Zu weiteren Höhepunkten der Sammlung zählen eine dynamische Schlacht zwischen Kosaken und Tataren von Józef Brandt um 1896 (Taxe 80.000 bis 150.000 EUR), drei Mönche in der Klosterbibliothek des deutschen Genremalers Eduard von Grützner (Taxe 25.000 bis 40.000 EUR) und eine flämische „Anbetung der heiligen drei Könige“ aus der Schule Barent van Orleys um 1520 (Taxe 15.000 EUR). Zu den polnischen Malern, die an der Münchner Kunstakademie studierten, gehören noch Teodor Axentowicz mit seiner „Vision“ eines alten Mönchs neben einem schwebenden geisterhaften Frauenkopf (Taxe 8.000 EUR) und Aleksander Gierymski mit seinem am „Prato della Valle“ spazierenden Offizier in Padua (Taxe 7.000 EUR). Der gesamte Nachlass umfasst rund 130 Objekte und wurde auf 500.000 Euro taxiert. Am 24. und 25. März wird die Sammlung in der Auktion „Alte Kunst und Antiquitäten“ mit über 3.000 Losen, unter anderem aus den Sparten Spielzeug, Schmuck, Möbel, Porzellan, Skulptur und Plastik sowie Bücher, versteigert.
Yves Siebers Auktionen
Augsburger Straße 221
D-70327 Stuttgart
Telefon: +49 (0)711 – 380 84 81
Telefax: +49 (0)711 – 693 05 89 |