Defregger in Innsbruck  |  | in der Ausstellung „Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“ | |
Auf den scheinbar bekannten Genre- und Historienmaler Franz von Defregger wirft die Ausstellung „Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“ im Innsbrucker Ferdinandeum ein neues Licht. Neben den idealisierten Bildern, die alpine Idyllen, kernige Bergleute und schöne Bäuerinnen mit kaum sichtbaren Pinselstrich wiedergeben, zeigen die Kuratoren Peter Scholz, Angelika Irgens-Defregger und Helmut Hess unbekannte Seiten des Meistermalers aus München, dessen 100. Todestag am 2. Januar begangen wurde. Sie scheuen sich nicht, Defregger neben seine bekannten Zeitgenossen Vincent van Gogh, Gustave Courbet oder Lovis Corinth zu hängen. Wie beliebt der erfolgreiche Maler zu Lebzeiten war, beweist ein wiederentdecktes Gemälde, das nun auch in Innsbruck zu sehen ist. 1881 hatte William Henry Vanderbilt, damals der reichste Mann der Welt, die „Gute Aussicht“ einer vornehmen Reisegesellschaft in einer Almhütte bei Defregger in Auftrag gegeben. Er war nicht der einzige amerikanische Sammler des Münchner Künstlers. Allerdings ließ das Interesse an dem gebürtigen Tiroler bereits vor dem Ersten Weltkrieg nach, da er mit seinen immer gleichen Darstellungen des ländlichen Milieus allmählich zum rückständigen „Bauernmaler“ geworden war. Dass Hitler seine Werke ebenso wie die von Carl Spitzweg sammelte, trägt zum Interesse heutiger Kunstsammler und -historiker eher weniger bei.
Zu den unbekannten Facetten Defreggers, die die Schau neu beleuchtet, zählt beispielsweise ein „Ruhender weiblicher Halbakt“ um 1890. Eine junge Frau mit schneeweißer Haut und makellosem Oberkörper liegt auf dem Rücken und blickt an dem Betrachter mit einer gewissen Verschämtheit vorbei. Das Gemälde und das Modell zeugen von einer solchen Nähe und derartigen Anziehungskraft, wie man sie einem braven Maler aus der Mitte einer bürgerlichen Gesellschaft nicht zugetraut hätte. Dass Franz von Defregger 1862 das stolze „Porträt eines Afrikaners mit weißem Kopftuch“ oder 1890 das ausdrucksstarke Bildnis des Sioux-Indianers „Rocky Bear“ auf die Leinwand bannte, überrascht bei seinem geläufigen Motivkanon ebenso; der Tiroler Maler begeisterte sich nicht nur für Heimatliches, sondern wie viele seiner Zeitgenossen auch für Exotisches.
Die Ausstellung „Defregger. Mythos – Missbrauch – Moderne“ ist bis zum 16. Mai verlängert. Das Ferdinandeum hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 9 Euro. Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre haben freien Eintritt. Der Katalog aus dem Hirmer Verlag kostet 39,90 Euro.
Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Museumstraße 15
A-6020 Innsbruck
Telefon: +43 (0)512 – 59 489
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