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Marktberichte |
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Das Dorotheum in Wien traf mit seiner Auswahl an Gemälden Neuer Meister den Geschmack des Publikums und schmückte sich mit neuen Spitzenwerten  Einst zerstört, nun ein Weltrekord

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 |  | Hans Makart, Moderne Amoretten, 1868 | |
Es war ein Skandalbild: Als Hans Makart im Sommer 1868 sein dreiteiliges Gemälde „Moderne Amoretten“ erstmals im Münchner Kunstverein der Öffentlichkeit präsentierte, fand es nicht nur Zustimmung. Anstoß nahmen seine Kritiker an der pikanten, von Erotik nur so knisternden symbolistischen Darstellung. Denn die sonst so kinderhaften und unschuldigen Amoretten verwandelte der damals 28jährige Makart in schon etwas überreife, abgelebte Heranwachsende. Der führende Wiener Kunstkritiker Ludwig Speidel urteilte denn auch „abscheulich und unmoralisch, ja geradezu verrucht“. Andere sprachen von „Bordellkunst“ und einer „altklugen Koketterie und greisenhaften Lüsternheit“, die Gegenpartei aber von einer „Erneuerung der Kunst“ oder einem „Kindermärchen“. Graf János Pálffy-Erdöd erfreute sich an dem verrufenen Werk des aufstrebenden Malers, der ein Jahr später seine beispiellose Karriere als Gestalter der Ringstraßenpalais in Wien begann, und wohl auch an den heftigen Reaktionen und statte noch im Entstehungsjahr mit ihm sein Schloss Králova in der Slowakei aus.
Über tschechischen Kunsthandel, weiteren Adelsbesitz und das Hotel Maria Theresia in Innsbruck kam das Triptychon 1978 in den Besitz der österreichischen Creditanstalt, der heutigen Großbank UniCredit, die sich derzeit von ihrer Kunstsammlung trennt und es beim Dorotheum eingeliefert hatte. Der nicht allzu hohe Schätzpreis von 100.000 bis 150.000 Euro war der Tatsache geschuldet, dass das Ensemble seit 1975 unter Denkmalschutz steht und mit einem Ausfuhrverbot belegt ist. Mehrere Interessenten mühten sich am 7. Juni dennoch um das „Meisterwerk der Malerei des Historismus“, wie es der Makart-Experte Gerbert Frodl in seinem Katalogbeitrag apostrophiert hatte, darunter auch das Wiener Leopold Museum. Drei Tage vor der Auktion gelang es Museumsdirektor Hans-Peter Wipplinger eine großzügige Wiener Spenderin aufzutun, die die „Modernen Amoretten“ für 260.000 Euro, mit Aufgeld rund 326.000 Euro, erwarb und sie dem Museum schenkte. Wipplinger hob im Anschluss den „äußerst bedeutenden Neuzugang“ für die Sammlung hervor, der einen den Brückenschlag vom Historismus zur Secessionskunst, somit von Hans Makart zu Gustav Klimt ermögliche. Nicht ganz so viel Glück hatte die UniCredit mit dem zweiten Makart-Werk der Versteigerung. Denn das vierteilige Deckengemälde „Nacht und Morgen“, das der Malerfürst 1869 nach Manier der barocken Quadraturmalerei für die Ausstattung seines Speisezimmer schuf, gab die Bank schon für 65.000 Euro aus den Händen (Taxe 80.000 bis 160.000 EUR).
Das Dorotheum beendete die Auktion „Gemälde des 19. Jahrhunderts“ auf gewohnt hohem Niveau: Mit dem Nachverkauf wechselten über Zweidrittel des Angebots den Besitzer, mit Pietro Fragiacomos auf 100.000 bis 150.000 Euro taxierter Küstenimpression „Im Golf von Triest“ aus dem Jahr 1922 fiel nur eines der teureren Bilder aus, und einige Wertsteigerungen glänzten auf der Zuschlagsliste. Hinter Makart nahm darauf Platz 2 Ferdinand Georg Waldmüllers repräsentative biedermeierliche Genreszene „Das gutmütige Kind“ ein, das einem alten Bettler unter den Augen der Mutter ein Stück Brot reicht. Das 2019 aus dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal an die Erben des Verlegerpaars Irma und Oscar Löwenstein restituierte Gemälde legte von 150.000 bis 200.000 Euro auf 240.000 Euro zu. Einen neuen Auktionsrekord erzielte ein vierteiliges spektakuläres Gebirgspanorama der Koralpe von Markus Pernhart, dem Pionier der Kärntner Landschaftsmalerei. Eine österreichische Privatsammlung bewilligte 230.000 Euro für den knapp acht Meter langen, vor kurzem wiederentdeckten Weitblick aus dem Jahr 1867 (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR).
Mit Naturschilderungen reüssierten zudem Maximilian Haushofer mit seiner schier endlosen Sicht über den Starnberger See auf die Roseninsel und die Alpen von 1840 bei 19.000 Euro (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR), Ludwig Halauska mit seinem verfallenen Bauernhof bei Kaumberg im Laabachtal südwestlich von Wien aus dem Jahr 1879 für 13.000 Euro (Taxe 8.000 bis 12.000 EUR) oder Lea von Littrow mit ihrer impressionistischen mediterranen Küste samt einem sattblauen Meeresarm bei 55.000 Euro (Taxe 28.000 bis 35.000 EUR). Während Sebastian Wegmayrs ausladendes Blumenstück mit Schmetterling und Blaumeise in einer Steinnische bei 15.000 bis 20.000 Euro wieder den Heimweg antreten musste, konnte Josef Lauer über die 34.000 Euro für sein atmosphärisches Rosengesteck mit Schmetterligen und Schnecke an einem Waldbach recht zufrieden sein (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR).
Mit und ohne Venedig-Bonus
Oftmals gut lief auch für die zahlreich vorhandene Vedutenkunst aus Venedig, etwa gleich zu Beginn der Versteigerung für Giovanni Grubacs’ kleinformatigen Blick von der belebten Riva degli Schiavoni mit dem Palazzo Ducale zur Rechten und Santa Maria della Salute im linken Hintergrund bei 20.000 Euro (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR). Darauf folgten unter anderem Ippolito Caffis im Mondlicht silbern glänzendes Nachtstück „Molo di San Marco mit der Riva degli Schiavoni“ für unerwartete 56.000 Euro (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR), Edward William Cookes im Gegenlicht des Abendrots dunkel aufragende Kirche Santa Maria della Salute von 1852 bei 30.000 Euro (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR) oder Francesco Zanin, der sich bei seinem nun 18.000 Euro teuren „Rio dei Mendicanti mit der Scuola di San Marco“ noch in die Tradition des 18. Jahrhunderts stellt (Taxe 18.000 bis 22.000 EUR).
Einen moderneren malerischen Zugriff vermittelt hier die Ansicht des Dogenpalasts bis zur Punta della Dogana in der Ferne des Belgiers Gustave Walckiers, die mit 13.000 Euro ihre Schätzung verdoppelte. Obwohl marktgerecht jeweils zwischen 40.000 bis 70.000 Euro taxiert, taten sich wohl wegen der ungewöhnlichen Motivwahl die drei Venedig-Bilder Luigi Querenas etwas schwer: Nur sein Campo SS. Giovanni e Paolo mit der gleichnamigen Kirche und der Scuola Grande di San Marco verabschiedete sich im Nachverkauf untertourig bei 35.000 Euro; die heute nicht mehr genutzte, frühgotische Kirche Santa Marta auf dem Dorsoduro im Abendrot und der bis dato noch existierende „Squero di San Trovaso“ mit Venezianern beim Redentore-Fest blieben liegen. Die Magie des Lichts in der Lagune bezauberte dann bei Guglielmo Ciardis „Barca al tramonto“ mit dem kleinen schwebenden Boot bei Sonnenuntergang zu den anvisierten 32.000 Euro. Jean-François Raffaëlli entführte die Sammler dann zu einem kreidig hellen Herbsttag „Am Quai Malaquais“ nach Paris und nahm für die belebte Straßenszene 70.000 Euro ein (Taxe 50.000 bis 80.000 EUR).
In Venedig verewigte Eugen von Blaas gerne junge kokette Damen in Tracht und bringt es damit häufig auf sechsstellige Werte, so auch mit einer Version von 1897, in der die Holde flirtend hinter ihrem roten Fächer hervorlugt, auf 120.000 Euro (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Auch ein wieder aufgetauchtes Frühwerk Félix Vallottons von etwa 1887 hatte es den Käufern angetan: Der junge, in Gedanken versunkene Mann mit wallendem braunem Haar kletterte von 8.000 Euro auf 26.000 Euro. Gabriel von Max’ verträumte Frauen mit übernatürlichen Fähigkeiten haben eine treue Anhängerschaft; diesmal war es seine auf Papier gemalte, schmachtend nach oben blickende „Margarethe“, die 14.000 Euro erlöste (Taxe 7.000 bis 9.000 EUR). Als Gruppte traten mehrere Frauen in dem Aktgemälde „Diana und ihre Nymphen beim Bade“ des Gothaer Hofmalers Paul Emil Jacobs an, der für seine spätklassizistische Bildschöpfung von 1846 mit 55.000 Euro honoriert wurde (Taxe 35.000 bis 45.000 EUR). Bei Emil Rau versammelt sich eine Familie in einer Bauernstube lauschend um einen Gitarre spielenden Burschen; 22.000 Euro waren der Lohn des Münchner Genremalers (Taxe 6.000 bis 8.000 EUR). Martialisch geht es dagegen auf Josef Carl Berthold Püttners Gemälde „Seeschlacht bei Lissa“ während des Dritten Italienischen Unabhängigkeitskriegs zu, die die kaiserlich-österreichische Marine am 20. Juli 1866 gewann. Siegreich war auch der österreichische Marinemaler bei 32.000 Euro (Taxe 10.000 bis 15.000 EUR).
Misslungenes Portrait
Einen starken Auftritt hatten die Künstler osteuropäischer Herkunft, etwa der Serbe Paul Joanovits, der mit seinem friedlichen albanischen Krieger bei 38.000 Euro (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR) und vor allem mit seinem ebenfalls vom Balkan stammenden Wachtposten vor einem grünen Tor bei 110.000 Euro für Furore sorgte (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Zeitgeschehen fing der gebürtige Tscheche Jaroslav Friedrich Julius Vesin, der später in Sofia wirkte, mit seiner Szene aus den Balkankriegen von 1912 und 1913 ein: Sein 1914 realistisch gemaltes Zeltlager des ersten Kavallerie-Regiments am Golf von Saros schnellte von 20.000 Euro auf 73.000 Euro. Vesins Lehrer an der Münchner Akademie war der Pole Józef Brandt, bei dem er etwa die gleichfalls ruhige Nachkampfszenerie „Am Heimweg“ hätte studieren können. Der Krankentransport aus einem polnischen Lager aus dem Jahr 1865 traf mit 220.000 Euro genau seine untere Schätzgrenze. Jakub Schikaneders nächtliches, melancholisch angehauchtes Stimmungsbild eines Dampfers auf der Moldau vor der Palacký-Brücke in Prag von 1910/20 schaffte den Absprung erst im Nachverkauf bei 180.000 Euro (Taxe 180.000 bis 240.000 EUR).
In russische Gefilde ging es mit Andrei Nikolajewitsch Schilders Waldgegend an einem warmen „Sommertag in der Umgebung von St. Petersburg“ für einträgliche 70.000 Euro. Das davon in einer eigenen Losnummer getrennte Pendant mit einer herben „Nebeligen Morgenstimmung in der Umgebung von St. Petersburg“ samt jagendem Greifvogelpaar brachte es dagegen nur auf 28.000 Euro (Taxe je 30.000 bis 40.000 EUR). Mehr Interesse erregten dann wieder Stanislaw Zukowskis „Verschneiter Waldweg“ mit seinen in bläulichen Lichtnuancen schimmernden Nadelbäumen voller Schnee bei 30.000 Euro (Taxe 13.000 bis 18.000 EUR) oder Sergei Ivanovich Vasilkovskys etwas selbstgefällig dastehender ukrainischer Bauer bei 13.000 Euro (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR). Für eine Überraschung sorgte schließlich noch die ebenfalls aus der Ukraine stammende Marie Bashkirtseff. Weil sie das Porträt ihrer Cousine Dina Babanina für misslungen hielt, zerschnitt die resolute Künstlerin das Bildnis kurzerhand. Nach dem frühen Tod Bashkirtseffs im Jahr 1884 mit Mitte Zwanzig klebte ihre Mutter das Bildnis wieder zusammen. Dergestalt war es 1910 in der Ausstellung die „Kunst der Frau“ in der Wiener Secession zu sehen. Nun spielte die konzentriert Lesende im restaurierten Zustand den Rekordpreis von 120.000 Euro ein (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR).
Die Ergebnisse verstehen sich als Zuschlag ohne das Aufgeld. |  | Kontakt: Dorotheum Dorotheergasse 17 AT-1010 Wien |
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15.08.2021 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Ulrich Raphael Firsching |  |
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 Félix Vallotton, In
Gedanken versunken,
um 1887 |  | Taxe: 8.000 - 12.000 EURO Zuschlag: 26.000,- EURO Losnummer: 519 |  |  |  |  |  | 
 Jakub Schikaneder,
Prag. Dampfer auf der
Moldau vor der
Palacký-Brücke, um
1910/20 |  | Taxe: 180.000 - 240.000 EURO Zuschlag: 180.000,- EURO Losnummer: 552 |  |  |  |  |  | 
 Jean-François
Raffaëlli, Paris. Am
Quai Malaquais |  | Taxe: 50.000 - 80.000 EURO Zuschlag: 70.000,- EURO Losnummer: 535 |  |  |  |  |  | 
 Andrei
Nikolajewitsch
Schilder, Ein
Sommertag in der
Umgebung von St.
Petersburg |  | Taxe: 30.000 - 40.000 EURO Zuschlag: 70.000,- EURO Losnummer: 605 |  |  |  |  |  | 
 Ludwig Halauska,
Verfallener
Bauernhof aus dem
Laabachtal bei
Kaumberg, 1879 |  | Taxe: 8.000 - 12.000 EURO Zuschlag: 13.000,- EURO Losnummer: 582 |  |  |  |  |  | 
 Józef Brandt, Am
Heimweg.
Krankentransport
(polnisches Lager),
1865 |  | Taxe: 220.000 - 280.000 EURO Zuschlag: 220.000,- EURO Losnummer: 544 |  |  |  |  |  | 
 Ippolito Caffi,
Venedig. Ansicht des
Molo di San Marco mit
der Riva degli
Schiavoni im
Mondlicht |  | Taxe: 6.000 - 8.000 EURO Zuschlag: 56.000,- EURO Losnummer: 507 |  |  |  |  |  | 
 Giovanni Grubacs,
Venedig. Die Riva
degli Schiavoni mit
dem Palazzo Ducale |  | Taxe: 12.000 - 16.000 EURO Zuschlag: 20.000,- EURO Losnummer: 501 |  |  |  |  |  | 
 Andrei
Nikolajewitsch
Schilder, Nebelige
Morgenstimmung in
der Umgebung von St.
Petersburg |  | Taxe: 30.000 - 40.000 EURO Zuschlag: 28.000,- EURO Losnummer: 606 |  |  |  |  |  | 
 Edward William
Cooke, Venedig.
Santa Maria della
Salute im Abendrot,
1852 |  | Taxe: 15.000 - 20.000 EURO Zuschlag: 30.000,- EURO Losnummer: 508 |  |  |  |  |  | 
 Markus Pernhart,
Großes Panorama der
Koralpe |  | Taxe: 80.000 - 120.000 EURO Zuschlag: 230.000,- EURO Losnummer: 527 |  |  |  |  |  | 
 Paul Emil Jacobs,
Diana und ihre
Nymphen beim Bade,
1846 |  | Taxe: 35.000 - 45.000 EURO Zuschlag: 55.000,- EURO Losnummer: 529 |  |  |  |  |  | 
 Eugen von Blaas,
Junge Dame mit rotem
Fächer, 1897 |  | Taxe: 120.000 - 180.000 EURO Zuschlag: 120.000,- EURO Losnummer: 518 |  |  |
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