Documenta: Meron Mendel fordert differenzierte Debatte  |  | Meron Mendel macht sich für eine Rettung der Documenta stark | |
Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, der auf die antisemitischen Darstellungen im Großbanner des indonesischen Kollektivs Taring Padi hingewiesen hat, fordert heute in der Frankfurter Rundschau eine differenzierte Debatte zur Documenta. Jede Kritik müsse genau betrachtet und separat bewertet werden, sonst bestehe die Gefahr einer Pauschalisierung, sagte der israelisch-deutsche Pädagoge und Professor für Soziale Arbeit in dem Interview. „Wenn Sascha Lobo im ‚Spiegel‘ von einer ‚Antisemita‘ statt einer Documenta spricht, ist das eine Pauschalisierung, die keinem weiterhilft. Jetzt 1500 Künstlerinnen und Künstler als Antisemiten darzustellen, das ist grob falsch.“
Obgleich die Debatte jetzt schon sehr hitzig geführt würde, rate er ab, dass die Schau abgebrochen werde. Das Statement, dass das Kuratorenteam Ruangrupa nun abgegeben habe, lasse die Bereitschaft erkennen, die eigene Position zu reflektieren. Allerdings hinterfragt Mendel das Argument der Kuratoren, dass das jetzt abgebaute Werk „People’s Justice“ nicht judenfeindlich sei, da bei dessen Ausstellungen andernorts keine Kritik laut wurde. „Für mich ist die Darstellung von Juden als Blutsauger, als Vampire oder als Träger von SS-Runen auf jedem Kontinent und in jedem Land dieser Erdkugel antisemitisch. Wenn Ruangrupa der Meinung ist, in Jakarta kann man so ein Werk weiter zeigen, dann haben wir eine fundamentale Differenz, die ausgehandelt werden muss. Es geht mir um einen kritischen Dialog mit Künstlern aus dem Globalen Süden und die Frage: Was ist Antisemitismus, was ist daran problematisch?“
Schwierig sei ebenfalls, alles aufgrund der Freiheit der Kunst zu gestatten: „Wenn man jetzt nach der Kunstfreiheit schreit, dann heißt das, dass man nicht weiß, was Kunstfreiheit bedeutet. Sie steht nicht im luftleeren Raum. Jedes Recht steht im Verhältnis und auch im Spannungsverhältnis zu anderen Rechten. Das Recht der Kunstfreiheit und der Meinungsfreiheit steht neben der Religionsfreiheit und der Unantastbarkeit der Menschenwürde. Als Totschlagargument ist die Kunstfreiheit jedenfalls nicht geeignet.“ Meron Mendel soll jetzt der Kuratorengruppe bei der Begutachtung von Kunstwerken auf der Documenta helfen. Allerdings sei der Zeitpunkt natürlich komplett falsch. „Dieser Prozess wäre in der Zeit der Vorbereitung notwendig gewesen“, so Mendel und plädiert dafür die Kunstschau zu retten: „Ich denke, es würde keinem etwas bringen, wenn die Documenta Ende Juni schließt und alle nach Hause fahren.“
Als ersten Schritt zur Aufarbeitung des Skandals haben die Bildungsstätte Anne Frank und die Documenta am 29. Juni um 18:30 Uhr in Kassel eine Diskussionsrunde zum Thema „Antisemitismus in der Kunst“ organisiert. Neben Meron Mendel wird Hortensia Völckers, die künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes, auf dem Podium sitzen. Auch die hessische Kunstministerin Angela Dorn hat ihr Kommen zugesagt. |