 |  | Enzo Enea, Isle of Trees, 2022 | |
Besucherinnen und Besucher der inzwischen beendeten Art Basel haben in diesem Jahr beim Betreten des Rundhofs der Messehalle 2 gestaunt. Plötzlich dieses Grün! Wo sich die Kunstfreunde Jahr für Jahr zum Austausch, Verschnaufen und Konsumieren von Snacks und Drinks treffen, bereicherten erstmals schattenspendende Bäume die Ruhezone. Enzo Enea, einer der international innovativsten und spannendsten Landschaftsarchitekten, hatte für den Rundhof der Halle 2 des Messegeländes die Installation „Isle of Trees“ entwickelt. Für alle Messegäste unmittelbar erlebbar, hatte er die denkmalgeschützte und bei gutem Wetter stets sonnenbeschienene Rotunde in eine gärtnerisch kuratierte Grünzone mit hoher Aufenthaltsqualität verwandelt.
Drei über das Innere des Rundhofs verteilte, circa elf Meter hohe Rotbuchen bildeten den Nukleus der vegetabilen Installation. Flankiert wurden sie von kleineren, eher locker über die Fläche verteilten Waldkiefern und Eisenholzbäumen mit Höhen zwischen fünf und sieben Metern. Die Aufstellung der bis zu 90 Jahre alten Bäume folgte keiner strengen Symmetrie, sie wirkte eher zufällig und spielerisch, mit mal größeren, mal etwas kleineren Abständen und verströmte daher eine natürlich wirkende Aura. Die Baumarten waren bewusst gewählt und zusammengestellt. Ursprüngliche, regionaltypische Bäume trafen auf vom Klimawandel bedrohte Arten, aber auch auf solche, die sich womöglich als besonders resistente „Bäume der Zukunft“ erweisen könnten. Insbesondere den Eisenholzbaum betrachtet Enzo Enea als „Zukunftsbaum“, da dieser als sehr robust gilt, widerstandsfähig gegen Hitze und Trockenheit ist und weder von Schädlingen noch von Pilzen befallen wird. Schon vor geraumer Zeit hat Enzo Enea eine weltweit einzigartige, schonende Technik zum Umpflanzen charaktervoller Baumindividuen entwickelt, die viele seiner Projekte überhaupt erst möglich gemacht hat.
Der Rundhof verfügt über vier elegant gekurvte jeweils doppelläufige Treppenaufgänge. Diese Bereiche wurden mit jeweils fünf Sumpfzypressen mit Höhen zwischen zwei und vier Metern ausgestattet. Eine Besonderheit der Installation: Die Bäume wurden nicht etwa eingepflanzt sondern samt ihrer Wurzelballen auf dem Areal aufgestellt. Sogenannte Geister-Fischernetze dienten zur Fixierung und Stabilisierung des Erdreichs und der Wurzeln. Diese waren gleichzeitig so geformt, dass sich rund um die Baumstämme bankartige Sitzgelegenheiten ergaben. Kakaobohnenschalen, die darum verteilt waren, erfüllten die Installation zudem mit einem angenehmen schokoladigen Duft. Bei Geister-Fischernetzen handelt es sich übrigens um aufgegebene Fischernetze aus synthetischen Materialien wie Polypropylen, Polyethylen und Nylon. Solche verlorenen Netze verrotten am Meeresgrund erst nach 400 bis 600 Jahren und belasten die Umwelt durch Mikroplastik. Die Hamburger Organisation Bracenet, mit der Enzo Enea kooperiert, kümmert sich um die Bergung solcher Geister-Netze und verarbeitet sie in einem Upcycling-Prozess zu neuen Produkten wie Armbändern, Schlüsselanhängern, Hundeleinen oder eben Umhüllungen für Baumballen.
Die Intervention „Isle of Trees“ auf der Art Basel lud zum Relaxen, Durchatmen und Genießen ein. Sie spendete Schatten und sorgte für ein angenehmes Mikroklima im Rundhof. Insofern ließ sie sich gänzlich unbeschwert genießen. Gleichzeitig sprach sie in Zeiten der globalen Erwärmung und des Klimawandels aber auch essentielle gesellschaftliche Fragen nach Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Bedrohung der Arten an. Dies jedoch fein ausbalanciert und ohne belehrend zu wirken. Enzo Enea: „Bäume sind unsere wichtigsten Sauerstoffspender. Sie reinigen die Luft, kühlen die Erde und wirken dem Klimanotstand entgegen.“ Jeder Baum, besonders aber die von ihm bevorzugt gesammelten charaktervollen Exemplare, gilt für Enzo Enea als ein Symbol des Lebens. Seine kuratierten Grünzonen und Naturinstallationen versteht er daher auch als engagierte Statements gegen die weltweit um sich greifende Naturzerstörung durch Klimawandel, Waldsterben, Flächenverbrauch und Brandrodung.
Doch wer ist eigentlich dieser Enzo Enea? Der 1964 in Rüti im Schweizer Kanton Zürich als Sohn italienischer Eltern geborene Gestalter wird weltweit für seine exklusiven Privatgärten und seine gärtnerischen Konzepte für größere Wohnanlagen, Firmensitze, Hotels, Universitätsgebäude und öffentliche Parks geschätzt. Enea studierte zunächst Industriedesign und absolvierte im Anschluss daran ein Studium der Landschaftsarchitektur in London. Er war unter anderem für Celebrities wie Tina Turner, George Harrison oder Prinz Charles tätig. Außerdem ist er regelmäßiger Kooperationspartner von namhaften Architekten wie David Chipperfield, Rem Koolhaas, Zaha Hadid oder Sir Norman Foster. Zudem ist er als Sammler besonders charaktervoller Bäume als Kunstsammler und Förderer bekannt. Die Enea Landscape Architecture GmbH beschäftigt rund 250 Mitarbeiter*innen. Sie unterhält neben der Firmenzentrale in Rapperswil-Jona auch weitere Filialen in Zürich, New York, Miami und Mailand.
Mit einer temporären Installation unter Einbeziehung lebender, bis zu 800 Jahre alter Olivenbäume war Enzo Enea schon im Jahr 2019 auf Einladung der Messe auf der Art Basel zu Gast. Damals zeigte er die große begehbare Installation „Use/Abuse“ im vorderen Bereich der von den Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron 2012/13 erweiterten Halle 1, unweit des Eingangs der Sektion Unlimited. Hier schuf er einen kontemplativen Ort des Nachdenkens über Mensch, Natur und Umwelt inmitten des hektischen Messegeschehens. Dieser ruhige Gegenpol zu den teilweise spektakulären und um Aufmerksamkeit heischenden Arbeiten in der Unlimited-Halle dürfte vielen Besuchern der letzten regulären Art Basel vor der Corona-Pandemie besonders nachdrücklich in Erinnerung geblieben sein.
Doch zurück zum Rundhof des Basler Messgeländes. Die Messehalle 2 wurde 1953/54 vom Zürcher Architekten und Hochschullehrer Hans Hofmann (1897-1957) im Stil der internationalen Nachkriegsmoderne errichtet. Gekennzeichnet ist dieser Bau durch seine filigran-eleganten Details und eine aufgrund des hohen Glasanteils bei der Fassadengestaltung luftig und transparent wirkende Ästhetik. Beginnend mit der Weltausstellung in Barcelona 1929, hat Hofmann gleich mehrfach die Schweizer Beiträge und Pavillons der Weltausstellungen realisiert. Zudem hat er auch die Botschaften der Schweiz in Indien und Thailand entworfen. Typisch für seine Entwürfe sind der spielerisch leichte Umgang mit Farbe, Ornament und Material sowie die gekonnte Integration von Licht, Wasserflächen und Pflanzen.
Der rund 2.400 Quadratmeter große Space mit 53,6 Metern Durchmesser dient während der Art Basel als beliebter Treffpunkt mit gastronomischen Angeboten von der Kalbsbratwurst über das Erdbeertörtchen bis hin zur Austern- und Champagnerbar. Der Rundhof wird im ersten und zweiten Obergeschoss von zwei eleganten Galerien umrahmt, die ebenfalls gerne als Standorte von gastronomischen Angeboten oder zum kurzen Luftschnappen und Small Talk abseits der Messekojen genutzt werden. Von dort oben bieten sich zudem attraktive Aussichten und exzeptionelle Blickachsen in Richtung Rundhof.
2010 eröffnete Enzo Enea ein Baummuseum in der Gemeinde Rapperswil-Jona unweit des Zürcher Obersees. Der 75.000 Quadratmeter große Park bietet Platz für insgesamt 3.000 ausgewählte Gewächse, die alle aus der mitteleuropäischen Klimazone stammen. Den Kernbereich bildet das Museum mit über 50 Bäumen aus über 25 Arten, die teilweise über 100 Jahre alt sind. Weitere 100 besondere Exemplare sind im unmittelbar an das Gebäude angrenzenden Park zu besichtigen. Ergänzt wird das Baummuseum um das Projekt „Kunst im Baummuseum“ mit Skulpturen im Außenraum von Künstler*innen wie Sylvie Fleury, Jean Dubuffet, Ugo Rondinone, Olaf Breuning, Stella Hamberg und zahlreichen anderen. Olaf Nicolai etwa hat in Zusammenarbeit mit dem Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton Architects farbig gestaltete Bienenhäuser geschaffen.
Enzo Enea versteht die im Baummuseum gezeigten Skulpturen nicht als pure Dekoration sondern als integrale Bestandteile des Parks. Er bezieht sich dabei auf heute nahezu vergessene, jahrhundertealte Traditionen der europäischen Park- und Gartengestaltung unter Einbeziehung ausgewählter Kunstwerke. Wer es sich nicht leisten kann, den viel beschäftigten Gartengestalter zu beauftragen, kann sich bei einem Besuch hier zumindest von seinem Ansatz, Natur und Kunst miteinander produktiv in Einklang zu bringen, inspirieren lassen.
Das Baummuseum hat in den Monaten März bis Oktober montags bis freitags von 9 bis 18 Uhr, samstags von 10 bis 17 Uhr geöffnet, in den anderen Monaten montags bis freitags von 9 bis 17:30 Uhr, samstags von 10 bis 16 Uhr. Der Eintritt beträgt 15 Franken, ermäßigt 12 Franken.
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