Trauer um Lucien Kroll  |  | Lucien Kroll, Modell für den Umbau des Berliner Stadtteils Hellersdorf | |
Der belgische Architekt Lucien Kroll ist tot. Der heute nur mehr Experten bekannte Künstler verfolgte zeitlebens partizipative und ökologisch-nachhaltige Bauprojekte, deren Grundideen nichts von ihrer Aktualität verloren haben. Am 13. März hatte die Neue Gesellschaft für bildende Kunst in Berlin noch seinen 95. Geburtstag mit einer Ausstellung in der Station Urbaner Kulturen gefeiert. Der 1927 geborene Lucien Kroll entwickelte mit seinem Atelier d’Urbanisme, d’Architecture et d’Informatique vor allem Wohnideen, die den Gemeinschaftssinn und Fragen der Nachhaltigkeit fördern sollten. Ein wesentlicher Teil seiner Arbeit bestand darin, sich mit den Bedürfnissen der zukünftigen Nutzer oder Bewohner seiner Bauten vertraut zu machen. Er integrierte deren Ideen und Vorstellungen in seinen Entwurfsprozess.
Anfang der 1970er Jahre erhielten Lucien Kroll und seine Frau Simone erste große Aufträge, so etwa das als „La Mémé“ bekannte Ensemble im Brüsseler Stadtteil Woluwe-Saint-Lambert, eine Erweiterung der Katholischen Universität Löwen. Bei dessen Errichtung folgte Kroll den Anregungen der Nutzer*innen. Es entstand ein kleinteiliger Komplex mit Gärten, Wegen und Stegen, der auch das Rathaus, eine Schule, eine Mensa, ein Krankenhaus sowie Wirtschaftsgebäude umfasst. Krolls Bauten, die sich häufig durch ein verspieltes improvisatorisches Erscheinungsbild auszeichnen, stießen jedoch auch immer wieder auf Ablehnung bei den Stadtplanern und Investoren. Ungeachtet des Widerstands konnten Simone und Lucien Kroll zwischen 1955 und 2008 mehr als 100 Projekte realisieren, wofür sie im vergangenen Jahr als „Pioniere der Partizipation und der Ökologie“, als „Anarchisten“, die sich gegen das Establishment wandten, mit dem Brussels Architecture Prize Lifetime Achievement Award geehrt wurden.
Nach dem Ende der DDR setzte sich das Studio von Lucien Kroll intensiv mit einer Umgestaltung der Berliner Siedlung Hellersdorf auseinander. Dabei schlug er vor, einige der großen Plattenbauten zurückzubauen, um aus dem dabei gewonnen Platten neue kleinere Häuser zu errichten. Er wollte die Siedlung in mehreren Bauphasen von 1994 bis 2019 verkleinern, die Wohnungen flexibel umgestalten und die Innenhöfe zu kommunikativen Begegnungsorten umfunktionieren. Letztlich scheiterte sein Großprojekt unter anderem in den Mühlen der Berliner Verwaltung. Geblieben ist jedoch eine Stadtlandschaft aus Pappe, in der Kroll manche Stockwerke abtrug und andere – beinahe in Pippi Langstrumpf-Manier – woanders aus dem Boden wachsen ließ oder den riesigen Plattenbauten einfach putzige Satteldach-Häuschen aufsetzte. |