 |  | Giovanni Francesco Barbieri, genannt Il Guercino, und Benedetto Gennari d.J., Neptun, um 1650 | |
Bei seiner Versteigerung mit Gemälden Alter Meister preist das Dorotheum in Wien einige Werke als Wiederentdeckungen an. Dazu gehört eine markante Darstellung des Meeresgottes Neptun, der eben vor der Küste aus dem Wasser auftaucht und seinen Dreizack gegen einen bedrohlichen, grimmig blickenden Fisch mit scharfen Zähnen richtet. Bisher war sie nur als Kopie aus der Werkstatt Giovanni Francesco Barbieri überliefert. Bei dem vorliegenden Gemälde mit der alternden Gottheit, die trotz der schlaffen Haut mit einem muskulösen Körper ausgestattet ist, der Kraft, Energie und Entschlossenheit verströmt, soll es sich gemäß des italienischen Kunsthistorikers und Barbieri-Spezialisten Massimo Pulini um eine eigenhändige Arbeit des auch als „Il Guercino“ bekannten Barockmalers handeln, bei der wohl sein Neffe Benedetto Gennari am Meer und dem Fisch mitgearbeitet hat. Die Leinwand hing seit mehreren Generationen in einer europäischen Privatsammlung und galt aufgrund ihres ausgezeichneten Erhaltungszustands eine Zeit lang als Kopie aus dem 19. Jahrhundert. Mit der neuen Expertise soll der Neptun, der ins Spätwerk Barbieris um 1650 datiert, nun 200.000 bis 300.000 Euro einspielen.
Auch die teuerste Position in der Versteigerung vom 9. November ist ein wieder aufgetauchtes Werk: Für die Schauseite einer Hochzeitstruhe wählte der Florentiner Frührenaissancemaler Apollonio di Giovanni eine Episode aus der römischen Geschichte und malte auf extremen Querformat den prachtvollen Triumphzug des Feldherrn Lucius Aemilius Paullus Macedonicus nach der Schlacht bei Pydna in Thessalien im Jahr 168 vor Christus mit goldenen Wagen vor einer hügeligen Küstenlandschaft. Schon 2017 war das Dorotheum mit einer vergleichbaren, fast identisch großen Tafel Apollonio di Giovannis bei 550.000 Euro erfolgreich. Daran orientiert sich nun der aktuelle Schätzwert von 400.000 bis 600.000 Euro. Darüber hinaus hat die italienische Renaissance einige Leckerbissen zu bieten, etwa eine Madonna mit segnendem Jesusknaben vor weiter Landschaft von Giovanni Bellini und einem seiner Mitarbeiter (Taxe 250.000 bis 350.000 EUR) oder eine Heilige Familie mit heiliger Elisabeth und Johannesknaben, eine Werkstattwiederholung von Raffaels „Madonna del Divino Amore“ aus dem Museo di Capodimonte in Neapel (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Ein stattliches Porträt eines älteren bärtigen Herrn mit der Inschrift „Marchese Niccolò Bianchini 1500“ und einem Brief in der Hand, gemalt um 1560/80 von dem Bologneser Bartolomeo Passarotti, hebt das Dorotheum dann wieder als „kunsthistorische Neuentdeckung“ hervor (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Am Übergang zum italienischen Barock steht Pietro Malombras figurenbetonte „Christi Geburt“, die von der Kunst seiner venezianischen Landsleute Tintoretto und Veronese inspiriert ist (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). Dort angekommen ist die gestenreiche und bewegte „Anbetung der Hirten“ auf einem Tondo Flaminio Torris (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR). Massimo Stanzione griff auf das Alte Testament zurück und bebilderte die Erzählung von „Susanna und den beiden Alten“ als Halbakt, der sich eben die Füße in einem Brunnen wäscht (Taxe 120.000 bis 180.000 EUR). In die Götterwelt geht es dann bei Luca Giordanos dramatischem Raub der Proserpina mit Gott Hades als muskulöser Gestalt und mit dem schon frühklassizistischen, halbnackten Apollo sam den beiden weiblichen Allegorien auf die Musik und die Geometrie aus der Werkstatt Pompeo Girolamo Batonis (Taxe je 80.000 bis 120.000 EUR).
Den Bogen zur ebenfalls umfangreich bestückten niederländischen Kunst schlägt Ambrosius Benson, der in der Lombardei geboren wurde, sich aber 1518 in Brügge niederließ. Seine elegante, gut gekleidete Maria Magdalena mit Salbgefäß legt einen beschwingten Aufstieg hin. 2006 bei Christie’s in Paris für 28.000 Euro zugeschlagen, sollen nun 300.000 bis 400.000 Euro auf der Rechnung stehen. Etwa die Hälfte entfällt auf eine mit diversen fantasievollen Anspielungen bestückte Allegorie des Neides aus der Hand eines Nachfolgers von Pieter Bruegel d.Ä., die 2018 im Dorotheum netto schon einmal auf 180.000 Euro kam. Aus der großen Brueghel-Sippe stammen etwa noch eine Anlegestelle vor einem Dorf mit Schiffern und Figuren Jan Brueghels d.Ä. in exquisitem Kolorit aus dem Jahr 1600 (Taxe 150.000 bis 250.000 EUR) oder eine summarisch entworfene Höllendarstellung mit etlichen Teufelsspukgestalten seines Sohns Jan Breughel d.J. (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR).
Eher humorig hat ihr Antwerpener Kollege Abel Grimmer in den 1590er Jahren seine Winterlandschaft mit Schlittschuhläufern auf dem zugefrorenen Teich vor einer Stadt angelegt, wenn er etwa eine erschreckte Dame beim Sturz auf dem Eis zeigt (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Obwohl das Gemälde mit „Urteil des Midas“ betitelt ist und sich auf die in Ovids „Metamorphosen“ überlieferte griechische Sage um den musikalischen Wettstreit der Götter bezieht, steht dennoch die dichte Baumlandschaft Denis van Alsloots im Vordergrund, in die sein wichtigster Mitarbeiter Hendrik de Clerck die Figuren klein und etwas schematisch eingefügt hat (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR). Ein später Breughel-Nachfolger ist Carel Beschey, der noch Mitte des 18. Jahrhunderts in dem alten Stil seine Landschaften ausführte und damit Käufer fand, so auch für seine farbig leuchtende Winterlandschaft mit zahlreichen Figuren in einem Dorf, die heute 100.000 bis 150.00 Euro kosten soll.
Von guter Qualität sind diesmal einige Marinebilder. Bonaventura Peeters hat 1641 eine stürmische See unter Gewitterwolken entworfen, auf der sich mehrere Kriegsschiffe gegen die hohen Wellen erwehren müssen (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Bei Andries van Eertvelt ist das Meer zwar ruhig, dafür tobt die Seeschlacht zwischen den Schiffen unter fantastischen Flaggen umso heftiger (Taxe 70.000 bis 80.000 EUR). Eher selten trifft man auf das Schaffen Adriaen van Salms, der sich auf die Technik der „penschilderij“ spezialisiert hatte. Dabei trug er mit Feder und Tusche auf einem speziell mit Kreide vorbereiteten Grund seine Arbeiten auf Holz oder Leinwand auf, die dann mehr Zeichnung als Gemälde sind. Das Dorotheum überrascht mit vier formatgleichen Tafeln dieser exquisiten Gattung, in denen Salm bei ruhiger oder bewegter See unzählige Schiffe auf goldfarbenem Fond auffahren lässt (Taxe je 40.000 bis 60.000 EUR).
Noch weniger Marktrelevanz hat der um 1600 tätige Deutsche Christoph Gertner; Auktionspreisdatenbanken verzeichnen nicht einmal ein Dutzend Werke. Nach gut 30 Jahren kommt sein Dreipersonenstück „Käufliche Liebe“ von 1623, in dem eine junge Frau von einem älteren Paar mit Schmuck und Geld umgarnt wird, wieder auf den Markt und liegt mit 50.000 bis 70.000 Euro etwas günstiger, als die damals in Paris erzielten rund 85.000 Euro. Diesen Wert brachte im Oktober 2015 auch Johann Königs 1618 auf Pergament gemalte Leidensszene Christi „Ecce homo“ ein; nun sollen es mindestens 100.000 Euro werden. Am Prager Kaiserhof unter Rudolf II. entstand in dieser Zeit die mythologische Liebeständelei von „Venus und Merkur“ samt Putten in manieristisch verdrehten und ineinander verschlungenen nackten Körpern (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Für das Stillleben stehen diesmal vor allem zwei Gemälde eines Meisters aus Valencia, der dort in einem archaischen Stil Obst und Blumengestecke miteinander kombiniert hat. Die Pendants des 17. Jahrhunderts waren ursprünglich Teil einer Gruppe von sechs Bildern und hingen im Palazzo Ducale in Alvito in Latium, der 1839 enteignet und dessen Inventar zerstreut wurde. Auf zwei Losnummern aufgeteilt, sollen die Gemälde je 45.000 bis 55.000 Euro einspielen. Darum gruppieren sich etwa noch Jacob van Hulsdoncks Weidekorb mit Trauben, Pfirsichen, Pflaumen und Kirschen in frischem Kolorit (Taxe 60.000 bis 80.000 EUR), Octavianus Montforts in zarten Farben auf Pergament gemalte Obstschale (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR) oder Franz Werner Tamms große Gegenstücke mit zwei zwischen Blumengestecken und Früchten spielenden Putti (Taxe 100.000 bis 150.000 EUR).
Den Abschluss der Auktion machen vor allem Portrait- und Vedutenmaler untereinander aus. Gaspar van Wittel, der sich in Italien Vanvitelli nannte, hat in den Mittelgrund einer ansteigenden Berglandschaft das Kloster San Nilo in Grottaferrata gerückt, während sich im Vordergrund einige Mönche unterhalten und im Hintergrund sich der Monte Cavo und das Dorf Rocca di Papa auftun (Taxe 80.000 bis 120.000 EUR). Für sein zweites Werk hat sich Wittel nach Rom begeben und das Kolosseum sowie den Konstantinsbogen domininant und in mildem Licht eingefangen (Taxe 250.000 bis 300.000 EUR). Noch etwas teurer wird es bei Michele Marieschi und seinem Blick vorbei am Markusdom auf die fluchtende Piazza San Marco mit dem hohen Campanile im Zentrum. Hier stehen 300.000 bis 400.000 Euro auf dem Preisschild.
Charmant ist der Junge, den Vittore Ghislandi mit rotem Wams ins Bild gerückt und ihn mit Pinsel als angehenden Maler ausgewiesen hat (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR), eher vornehm distanziert das Porträt der Fürstin Christiane Henriette zu Waldeck und Pyrmont in einem hermelinbesetzen grauen Umhang von Johann Heinrich Tischbein d.Ä. (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Das elegante Porträt des Prinzen Albert von Sachsen-Teschen aus der Hand Marcello Bacciarelli stuft das Dorotheum wiederum als Neuentdeckung ein. Nach den jüngsten Recherchen handelt es sich bei dem bisher verloren geglaubten Bild um das Gegenstück zum Porträt von Alberts Gemahlin Maria Christina, das als Leihgabe im Kunsthistorischen Museum in Wien hängt (Taxe 40.000 bis 60.000 EUR).
Die Versteigerung beginnt am 9. November um 17 Uhr. Die Besichtigung ist noch bis zum Auktionsbeginn täglich von 10 bis 17 Uhr oder im Internet unter www.dorotheum.com möglich. |