Else Lasker-Schüler kehrt nach Wuppertal zurück  |  | Karl Schmidt-Rottluff, Lesende (Else Lasker-Schüler), 1912 | |
Ein Unternehmer aus Nordrhein-Westfalen hat dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal das expressionistische Porträt „Die Lesende (Else Lasker-Schüler)“ von Karl Schmidt-Rottluff als Dauerleihgabe überlassen. Der Mäzen konnte das 1912 entstandene Gemälde aus der Sammlung Hermann Gerlinger im Dezember beim Münchner Auktionshaus Ketterer für netto 3,4 Millionen Euro ersteigern. Der Neuzugang war bereits 2019/20 in der Ausstellung „Else Lasker-Schüler. ‚Prinz Jussuf von Theben‘ und die Avantgarde“ in Wuppertal zu sehen und schließt im Museum nun eine Lücke im Bestand zur Kunst des Expressionismus. „Das Werk belegt Schmidt-Rottluffs ganze schöpferische Wucht auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Else Lasker-Schülers schillernde Persönlichkeit hat er in einer einzigartigen Komposition eingefangen, in der eine expressive, leuchtende Farbigkeit sich mit kubistischen Formexperimenten verbinden“, erläutert Museumsdirektor Roland Mönig. Das Haus hat jedoch noch einen anderen Grund zur Freude: Else Lasker-Schüler wurde 1869 im heutigen Wuppertaler Stadtteil Elberfeld geboren und kehrt so gewissermaßen als Abbild in ihre Heimat zurück.
Ab Ende des Monats soll das Werk als Gegenstück des 1924 geschaffenen „Bildnis Else Lasker-Schüler“ von Jankel Adler ausgestellt werden. Der polnische Maler wählte dunkle und erdigen Töne und zeigte die Dichterin in Erinnerung an ihre erste Begegnung 1920 im Berliner Künstlertreff „Romantisches Café“. Nach jüdischer Tradition trägt sie ein strenges, hochgeschlossenes Kleid, eine Kopfbedeckung und einen Ring mit einem Halbmond. Durch seinen Einsatz von kräftigen, unvermischten Primärfarben und einer reduzierten, geometrischen Formensprache präsentiert Karl Schmidt-Rottluff dagegen in seinem Gemälde eine individualistische und ausdrucksstarke moderne Frau. Der Künstler selbst schenkte das Bildnis später seinem langjährigen Freund Hermann Gerlinger. Der Würzburger Unternehmer und Sammler trug ab den 1950er Jahren eine der bedeutendsten Sammlungen zur Kunst der „Brücke“ zusammen, die seit dem vergangenen Jahr in mehreren Auktionen bei Ketterer in München versteigert wird.
Lasker-Schüler selbst war begeistert von dem gewagten Porträt und schrieb in einem ihrer 1912 in der Zeitschrift „Der Sturm“ veröffentlichten „Briefe nach Norwegen“ dazu: „Bin entzückt von meiner bunten Persönlichkeit, von meiner Urschrecklichkeit, von meiner Gefährlichkeit, aber meine goldene Stirn, meine goldenen Lider, die mein blaues Dichten überwachen. Mein Mund ist rot wie eine Dickichtbeere, in meiner Wange schmückt sich der Himmel zum blauen Tanz, aber meine Nase weht nach Osten, eine Kriegsfahne, und mein Kinn ist ein Speer, ein vergifteter Speer. So singe ich mein hohes Lied.“ |