Ausdrucksstarke Figuren und Restitutionskunst bei Sotheby’s  |  | Peter Paul Rubens, Salome mit dem Haupt Johannes des Täufers, 1609 | |
Sotheby’s hat in New York seine „Masters Week“ eröffnet und wartet bis zum 30. Januar mit einer Auswahl erstklassiger Meisterwerke auf. Als Spitzenreiter der Sammlung an Barockgemälden des Scheidungspaars Mark Fisch und Rachel Davidson tritt am 26. Januar Peter Paul Rubens’ dramatische Darstellung der Salome vor dem eben enthaupteten Körper Johannes des Täufers aufs Parkett. Eine alte Dienerin präsentiert der stoischen Prinzessin gerade den abgeschlagenen Kopf auf einem Tablett, wobei sie dem Bußprediger makaber die bleiche Zunge aus dem Mund zieht. Das annähernd quadratische Großformat entstand 1609 nach Rubens’ Rückkehr aus Italien und überzeugt durch kräftige Farben, einen fließenden Duktus sowie ausdrucksstarke Gesichter. Das hat seinen Preis: 25 bis 35 Millionen Dollar stehen auf dem Etikett. Auf Giulio Cesare Procaccinis ebenso brillant ausgeführtem Hochformat „Judith und Holofernes“ lassen die schelmische gottesfürchtige Jüdin und ihre noch mit Hass erfüllte Magd das Haupt des überrumpelten Anführers gerade in einem Tuch verschwinden (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD).
Für 4 bis 6 Millionen Dollar sollen mit einer lagernden, büßenden Magdalena von Orazio Gentileschi, in den frühen 1620er Jahren im Auftrag des Genueser Adeligen Giovanni Antonio Sauli entstanden, und einem dornenbekrönten Christus mit zwei Peinigern von Valentin de Boulogne um 1614 zwei Nachfolger Caravaggios unter den Hammer kommen. Den biblischen Gestalten schließen sich ein naturalistischer, über sein Martyrium brütender heiliger Bartholomäus des Neapolitaners Bernardo Cavallino (Taxe 2,5 bis 3,5 Millionen USD) sowie ein technisch hervorragendes und einfühlsames Porträt des angesichts des vermeintlichen Tods seines Lieblingssohnes verzweifelten Jacobs von Giovanni Francesco Barbieri, genannt Guercino, an (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD). Zudem stechen aus Fisch Davidson Collection zwei Genreszenen eines Tabak schneidenden kahlköpfigen Mannes von Mattia Preti (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD) sowie eines bei der Lektüre eingeschlafenen jungen Mannes heraus, der dem Umkreis Rembrandts zugewiesen wird (Taxe 500.000 bis 700.000 USD).
Am selben Tag kommt in der regulären Auktion Alter Meister mit dem kürzlich wieder zugeschriebenen Bildnis eines jungen Mannes mit Feder und Papier von Agnolo di Cosimo, genannt Bronzino, ein weiteres Highlight zum Aufruf. Das Brustbild galt zwischen dem 17. und dem 20. Jahrhundert als Werk des florentinischen Renaissance-Künstlers, geriet jedoch durch falsche Attributionen in Vergessenheit. Nachdem es im vergangenen Jahr an die Nachfahren der früheren Eigentümerin Ilse Hesselberger aus dem Besitz der BRD restituiert worden war, wandten sich diese an das New Yorker Auktionshaus. Im Zuge der Analyse konnte der Renaissance-Experte Carlo Falciani das um 1527 entstandene Werk als eines der seltenen Porträts des jungen Bronzino identifizieren; möglicherweise handelt es sich sogar um ein frühes Selbstbildnis. Die Art der Komposition vor dunklem monochromem Hintergrund im Dreiviertelporträt verweist noch auf den Einfluss seines Lehrers Jacopo Carucci, offenbart jedoch gleichzeitig Ansätze eines individuellen Stils. Mit einer Schätzung von 2 bis 3 Millionen Dollar führt es die Riege der „Master Paintings Part I“ an. Der Erlös soll Überlebenden des Holocaust in Nordamerika sowie einer jüdischen Gesundheitsorganisation zugutekommen.
Mit Tizians impressionistisch angehauchtem Spätwerk „Ecce Homo“ (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD) sowie Sebastiano del Piombos feinem Frauenporträt aus den 1540er Jahren mit Lorbeerkranz in den Händen gehen zwei weitere Italiener ins Rennen (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD). Bei der niederländischen Malerei überzeugen Pieter Breughel d.J. mit einem farbenfrohen ländlichen Hochzeitszug und Anthonis van Dyck mit der charakterstarken Aktstudie eines alten verhärmten heiligen Hieronymus; beide Werke liegen bei 2 bis 3 Millionen Dollar. Die Sparte der Stillleben repräsentieren Gérard van Spaendoncks täuschend naturalistisches Blumenbouquet um die Wende zum 19. Jahrhundert (Taxe 1,5 bis 2 Millionen USD) sowie Pieter Claesz’ reich mit Beeren und Früchten gedeckte Tafel aus dem Jahr 1621, das früheste bekannte, noch recht bunte Stillleben des Niederländers (Taxe 1 bis 1,5 Millionen USD).
Neben der mit tänzelnden Pinselstrichen angelegten Ölskizze einer Bachlandschaft bei Helmingham Dell von John Constable, die mit 2 bis 3 Millionen US-Dollar im Mittelfeld liegt, glänzt der 1784 bereits anerkannte Porträtist Joshua Reynolds auf den unteren Rängen mit dem qualitätvollen Konterfei der kritisch blickenden Engländerin Charlotte Grote in schwarzem Gewand (Taxe 400.000 bis 600.000 USD). Bei Franzosen mischen Maurice-Quentin de la Tour mit dem Pastell „Les Yeux De L’Amour“ und der charmanten, blau gewandeten Sängerin Marie Fel (Taxe 600.000 bis 800.000 USD) und Jean-Baptiste Greuze mit der Tronie einer unsicher blickenden jungen Frau mit (Taxe 300.000 bis 500.000 USD). Zwei Deutsche sind auch in New York zu Gast: Anna Dorothea Therbusch mit dem Bildnis eines jungen Wissenschaftlers am Tisch, der im Kerzenschein rot glühend aufleuchtet und mit 400.000 bis 600.000 Dollar deutlich den Rekordpreis aufstellen soll, und Christian Ezdorf mit seinem schon biedermeierlichen Panoramablick über die Karlsbrücke und die Moldau auf die Prager Kleinseite. Seine fast zweieinhalb Meter breite Gouache von 1821 strebt mit 250.000 bis 350.000 Dollar ebenfalls einen Spitzenwert an. |