Berlin erliegt der Anziehungskraft von Paris  |  | Amedeo Modigliani, Porträt von Dédie, 1918 | |
Das Jüdische Museum Berlin setzt sich aktuell mit Paris als dem Zentrum der europäischen Kunstbewegung in der Moderne auseinander; was für ein Vorbild die französische Hauptstadt war und welche Rolle sie für jüdische Künstlerinnen und Künstler zwischen 1905 und 1940 spielte, zeigt die Schau „Paris Magnétique“, die vom musée d’art et d’histoire du Judaïsme in Paris konzipiert und übernommen wurde. „Wie ein Magnet zog die französische Metropole Künstler*innen aus aller Welt an – sie bot ihnen den Unterricht in verschiedenen Akademien, einen Reichtum an Ausstellungen und Museen, einen aktiven Kunstmarkt und nicht zuletzt die Gemeinschaft der Bohemiens in den vielen Cafés und Lokalen der Stadt. Manche Künstler*innen konnten so den schlechten Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern entrinnen, der Marginalisierung und Diskriminierung bis hin zu Pogromen“, erläutert Kuratorin Shelley Harten. In zehn Kapiteln gegliedert, beleuchten 120 Kunstobjekte zusammen mit zahlreichen Zeitdokumenten, wie Fotos, Zeitungs- und Filmausschnitten, die Pariser Avantgarde. Schöpfungen von Marc Chagall, Rudolf Levy, Chana Orloff, Chaïm Soutine, Sonia Delaunay, Jacques Lipchitz, Leopold Gottlieb und anderen beweisen den migrantischen Einfluss.
„Diese Pariser Avantgarde sprengte die stilistischen Grenzen nicht nur einzelner Genres, sondern auch von Gattungen, und gab der gesamten europäischen Moderne ihre entscheidenden Impulse. Wir rufen mit der Ausstellung in Erinnerung, dass zu dieser Avantgarde viele jüdische Künstler*innen und viele Frauen zählten, und dass sie sich zwischen Ländern, Kulturen und Milieus bewegten bzw. bewegt hatten“, fasst Direktorin Hetty Berg das damalige Zeitgeschehen zusammen. Aus Deutschland, Italien und aus dem ehemaligen Russischen Reich, aus Polen, der Ukraine oder Belarus kamen sie nach Frankreich, um ein neues, freies Umfeld für ihr Schaffen zu finden. Der Begriff „Ecole de Paris“ – „Pariser Schule“ – bezeichnet daher entgegen der ersten Anmutung eine kosmopolitische Kunstszene, die weder nationalistische noch fremdenfeindliche Tendenzen beinhaltete. 1925 prägte André Warnod, Journalist und Kunstkritiker, den Begriff, der damit die gerade im Entstehen begriffene europäische Avantgarde von Paris bezeichnen sollte.
Kein Wunder, dass in einem solch freigeistig-offenem Milieu so unterschiedliche Werke entstehen konnten: So schuf beispielsweise Amedeo Modigliani ein gefühlvolles Portrait von Dedie Hayden, die dem Betrachter ihre linke Hälfte zuwendet und dabei leicht melancholisch, leicht indifferent in die Welt blickt. Im Vergleich dazu strahlt Otto Freundlichs ungegenständliche farbenfrohe „Komposition“ von 1919 lebhaft, obwohl hier der Pinselduktus wesentlich zurückhaltender ist. Und Alice Halicka hatte sich schon 1915 mit der jungen Strömung des Kubismus angefreundet und komponierte ihre „Nature morte cubites“ aus zerlegten Bildelementen.
Die Ausstellung „Paris Magnétique. 1905-1940“ läuft bis zum 1. Mai. Das Jüdische Museum Berlin hat täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 3 Euro. Der 276seitige Katalog aus dem Wienand Verlag kostet 28 Euro.
Jüdisches Museum Berlin
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