Lausanne entdeckt Léon Spilliaert  |  | Léon Spilliaert, Femme au bord de l’eau, 1910 | |
In der Fondation de l’Hermitage in Lausanne läuft aktuell eine Schau mit Arbeiten des Belgiers Léon Spilliaert. Der 1946 in Brüssel verstorbene Autodidakt hinterließ ein Werk von großer Eigenständigkeit, das fast ausschließlich aus Arbeiten auf Papier besteht. Künstlerisch ist Spilliaert zwischen Symbolismus und Expressionismus einzuordnen, und in seinen vereinfachten Landschaften scheint sich die geometrische Abstraktion anzukündigen. Die thematisch und chronologisch gegliederte Ausstellung vereint rund 100 Werke und deckt die gesamte Karriere des Künstlers ab. Spilliaert wurde 1881 in Ostende, einem Badeort an der Nordsee, geboren. Schon seine Schulhefte füllte der junge Leìon mit merkwürdigen Zeichnungen, erfand seine Umwelt neu, indem er ihr einen seltsamen unheimlichen Charakter gab, und ging auf den Deichen spazieren, um die Lichteffekte zu studieren, die er dann in seinen Seestücken umsetzte.
Nach einem sehr kurzen Besuch der Akademie in Brügge um die Jahrhundertwende entwickelte Léon Spilliaert seinen eigenen Stil. Dabei ließ er sich von der Lektüre der belgischen Symbolisten Maurice Maeterlinck und Eìmile Verhaeren, aber auch von Arthur Schopenhauer und Friedrich Nietzsche und von den Werken James Ensors, Edvard Munchs, Odilon Redons, Fernand Khnopffs und der Nabis inspirieren. Bis zum Ersten Weltkrieg arbeitete Spilliaert vor allem mit lavierter Tusche, Aquarell, Pastell sowie Buntstift und schuf nüchterne, an die Abstraktion grenzende, ornamental stilisierte und oft menschenleere Landschaften, in denen Himmel, Meer und Deichkonturen in einem gedämpften Licht vibrieren.
Die wenigen Figuren, die diese melancholischen Küstenstriche bevölkern, sind meist Frauen, etwa eine Kurtisane mit distanziertem Blick oder eine Fischersfrau, die auf die Rückkehr der Boote wartet. Ihr gemeinsamer Nenner scheint ein tiefes Gefühl der Verlorenheit zu sein. Nach 1920 griff Spilliaert intensiv zu Aquarell und Gouache, um funkelnde, äußerst lyrische Seestücke zu gestalten. In den 1930er und 1940er Jahren kehrte er anlässlich ausgedehnter Waldspaziergänge zu einem Jugendthema zurück: den Bäumen. In diesen Werken, die ein merkwürdiges, mit einem Hauch Ruhelosigkeit vermischtes Gefühl des Friedens ausstrahlen, entwickelte Spilliaert zeitlose Bilder der Natur, die durch ihre virtuose Komposition und die Einfachheit der eingesetzten Mittel faszinieren.
Die Ausstellung „Léon Spillaert. Avec la mer du Nord...“ läuft bis zum 29. Mai. Die Fondation de l’Hermitage in Lausanne hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr sowie donnerstags bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet regulär 22 Franken, ermäßigt 18 Franken, für Jugendliche bis 17 Jahre 10 Franken. Bei Snoeck ist begleitend ein Katalog erschienen, der im Museumsshop 45 Franken kostet.
Fondation de l’Hermitage
Route du Signal 2
CH-1018 Lausanne
Telefon: +41 (0)21 – 320 50 01 |