Trauer um Peter Weibel  |  | Ein war ein Pionier der Medienkunst: Nun ist Peter Weibel gestorben | |
Mit dem Tod Peter Weibels geht der Kunst- und Medienwelt ein wichtiger Denker, Kurator und vielseitiger Künstler verloren. Wie das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) in Karlsruhe heute bekannt gab, starb der 78jährige gestern nach einer kurzen, aber schweren Krankheit. Am Sonntag wäre Weibel 79 Jahre alt geworden und hätte in wenigen Wochen die Gelegenheit gehabt, seine fantastischen Ruhestandspläne umzusetzen. Diese sahen einem Umzug nach Wien mit seinen 120.000 Büchern vor, die er in eine Bibliothek aus zwei Türmen unterbringen und mithilfe eines Aufzugs verbinden wollte. Im selbigen Aufzug wollte er auch wohnen und an seinen künftigen Projekten arbeiten. Weibel sagte einmal über sich: „Meine Haupteigenschaft ist die Geschwindigkeit“. Und diese Geschwindigkeit bestimmte nicht nur seine rasante Sprechweise, sondern auch seine zahlreichen Installationen, Ausstellungen, Texte und sonstigen Projekte, die schier überbordend aus ihm herausquollen und mit denen er seiner Zeit häufig einen Schritt voraus war.
Weibel wurde 1944 in Odessa geboren, wuchs aber in Österreich auf und studierte nach Schulabschluss für ein Jahr in Paris Französisch, Film und Komparatistik. 1964 nahm er in Wien zunächst ein Studium der Medizin auf, wechselte dann zur Mathematik mit dem Schwerpunkt Logik und schloss seine universitäre Ausbildung letztendlich nicht ab. In seiner berühmten Protestrede „Was tun?“ zündete er 1968 in der Aktion „Kunst und Revolution“ an der Wiener Universität einen Handschuh an. In den 1960er Jahren war Peter Weibel eng mit der Wiener Aktionismus verbunden und erregte unter anderem Aufsehen, indem er 1968 von seiner damaligen Lebensgefährtin Valie Export an einer Hundeleine durch die Wiener Innenstadt geführt wurde. Damit wollte das Künstlerpaar patriarchale Machtstrukturen anprangern und traditionelle Rollenbilder über Bord werfen. Mit der Überwindung von Mediengrenzen und der zunehmenden Erweiterung neuer Medien wie Fotografie, Video und Computer in der Kunst nutzte Weibel Ton, Film, Elektronik und Computertechnik, um die Erkenntnisse der Fluxus-Bewegung in Skulpturen und Installationen zu übersetzen. Dabei floss seine konstante Beschäftigung mit theoretischen Konzepten permanent in seine Kunst und Aufsätze ein.
Neben seiner Medienkunst lehrte Weibel ab 1976 unter anderem in Wien, Kanada und New York und leitete von 1989 bis 1994 das von ihm gegründete Institut für Neue Medien an der Städelschule in Frankfurt am Main. Des Weiteren kuratierte er internationale Ausstellungen wie zum Beispiel den österreichischen Pavillon von 1993 bis 1999 in Venedig und führte im selben Zeitraum auch die Neue Galerie in Graz. Seit 1986 war er zunächst künstlerischer Berater des Festivals Ars Electronica in Linz und von 1992 bis 1995 auch ihr Leiter. Ab 1999 stand er bis zu seinem Tod dem ZKM als Direktor vor, einem Haus, das Weibel selbst als „Mekka der Medienkünste“ definierte und das sich auf die Fahnen geschrieben hat, die klassischen Künste ins digitale Zeitalter fortzuschreiben. Erwähnenswert sind auch die 2008 von ihm kuratierte Internationale Biennale von Sevilla und 2011 die 4. Moskauer Biennale. Eine Übersicht in das breite Schaffensspektrum des Tausendsassas bot 2019 eine große Retrospektive im ZKM mit rund 400 Werken des Aktions-, Video-, Sound- und Fotokünstlers.
Neben Freunden und Kollegen zeigten sich auch Vertreter der Politik über Weibels unerwartetes Ableben betroffen. So sagte die baden-württembergische Kunstministerin Petra Olschowski über den Medienkünstler: „Mit seinen Ausstellungen im ZKM hat Peter Weibel uns immer wieder vor Augen geführt, wie sich unsere Wahrnehmung der Welt durch die digitale und mediale Transformation wandelt. Seine avancierten Ansätze waren immer herausfordernd, denn in seinen oft brillanten Konzepten war Peter Weibel dem Heute oft voraus.“ Dieser Haltung und dem kompromisslosen Einsatz seien das weltweite Renommee, die dauernde Weiterentwicklung und die Öffnung des ZKM für Themen und gesellschaftliche Fragen zu verdanken. „In diesem Sinn war er in vielen Gremien des Landes und auch mir persönlich ein wichtiger Ratgeber.“ Der Oberbürgermeister von Karlsruhe, Frank Mentrup, bedauerte, dass die Stadt mit Weibels Tod einen Pionier und eine herausragende Persönlichkeit verliere. „Karlsruhe bleibt weltweit als Ort des ZKM und als Unesco-Stadt der Medienkunst mit seinem Namen verbunden.“ Damit sein aufregendes Schaffen und sein visionäres Denken nicht aus Karlsruhe verschwindet, hat das ZKM kürzlich zehn bedeutende Medienkunstwerke Weibels und große Teile seines Archivs erworben. |