Katalin Ladiks visuelle Poesie im Haus der Kunst  |  | Katalin Ladik, Poemim, 1978 | |
Das Haus der Kunst in München widmet sich aktuell dem Werk von Katalin Ladik und veranstaltet damit die erste Retrospektive der 1942 im damals von Ungarn besetzten Novi Sad geborenen Künstlerin in Deutschland. Ladik zählte in den 1960er Jahren in ihrer heute in Serbien liegenden Heimatstadt zu den Schlüsselfiguren der literarischen und künstlerischen Avantgarde. In ihrem Schaffen geht es um konkrete und visuelle Poesie, Performance und Klang, wobei der Körper für Ladik den Ursprung der Poesie bildet. Die Künstlerin sagt dazu: „Da wir in der Poesie am verletzlichsten sind, sollten wir unser ganzes Herzblut und jede Faser unseres Körpers hineinstecken.“ Sie arbeitet mit Happenings, Ritualen und Foto-Performances und hat für die Schau in München zwei neue Werke geschaffen: Eine skulpturale Partitur mit Klang und eine Installation, die auf ihrer Multimedia-Performance „Alice in Codeland“ aufbaut.
Ihre visuellen Gedichte sind Collagen aus Schnittmustern, Notenblättern und gefundenen Objekten wie Platinen von Radios und Küchengeräten und können auch als Partituren verstanden werden. Damit untersucht Ladik die Verbindungen zwischen Stimme und Bild und erweitert die Sprache durch phonetische Experimente. Die Poesie erhält ihre Form nicht nur auf Buchseiten, sondern auch in musikalischen Partituren, betont gestalteten Texten und visuellen Collagen. Dabei begleiten Klang-Interpretationen in einer großen Bandbreite die Collagen. Ladik nutzt den sogenannten Prozess der Logopoiesis, der durch Akte der Poesie, der Äußerung und der Visualisierung neue Sprachregister erzeugt.
Seit ihren ersten Performances in den 1960er Jahren versteht Katalin Ladik den Körper als einen Ort der Selbstdarstellung, den sie immer wieder erkundet. In ihrem Werk nimmt sie Bezug zu folkloristischen und mythologischen Themen und hinterfragt konventionelle Geschlechterrollen, wobei ihr Körper und ihre Stimme als Instrumente und Medium agieren. Auch ihre Mehrsprachigkeit prägt das Schaffen der Künstlerin, vor allem das Serbische und Ungarische, mit denen sie aufgewachsen ist.
Zu Beginn ihrer beruflichen Laufbahn arbeitete sie als Bankangestellte und nahm das Schreiben auf. Hierauf folgten weitere Karrieren als Film- und Theaterschauspielerin, Radiomoderatorin und Hörspielproduzentin. 1970 führte ihre Performance „Shaman Chant“ zu einem Skandal: seitens der Kommunistischen Partei wurde der Künstlerin der Vorwurf moralischer Verfehlung gemacht. Die als „nackte Dichterin“ stigmatisierte Ladik schuf gemeinsam mit den Künstlern Attila Csernik und Imre Póth 1972 den experimentellen Film „O-pus“. Vier Jahre später folgte die Veröffentlichung ihrer ersten Soundpoesie-Platte „Phonopoetica“, 1978 waren Ladiks visuelle Gedichte auf der Biennale in Venedig zu sehen.
Die Ausstellung „Katalin Ladik. Ooooooooo-pus“ läuft bis zum 10. September. Das Haus der Kunst hat mittwochs bis montags von 10 bis 20 Uhr und donnerstags bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt regulär 12 Euro, ermäßigt 10 bzw. 5 Euro. Geflüchtete Personen erhalten nach Vorlage eines Nachweisdokuments aktuell freien Eintritt. Begleitend zur Schau erscheint eine Monografie.
Haus der Kunst
Prinzregentenstraße 1
D–80538 München
Telefon: +49 (0)89 – 21 12 71 13 |