Trauer um Phyllida Barlow  |  | Phyllida Barlow ist gestorben | |
Die Bildhauerin Phyllida Barlow ist vor zwei Tagen im Alter von 78 Jahren gestorben. Das gab das Sprengel Museum in Hannover bekannt und würdigte die Britin als herausragende Künstlerin. Ihr Lebenswerk habe unzählige Künstler*innen inspiriert. „Was für ein Verlust für die Kunstwelt! Gerade noch hat sie als Kurt-Schwitters-Preisträgerin 2022 im Sprengel Museum Hannover eine der eindrücklichsten Arbeiten in der Geschichte des Museums eingerichtet. Als Mensch wie als Künstlerin hat sie das Herz unseres Museums erobert, und wir verneigen uns in großer Dankbarkeit vor ihr“, äußerte sich Museumsdirektor Reinhard Spieler zum Tod der Künstlerin.
Phyllida Barlow war für einen freien Umgang mit der Form ihrer Skulpturen und den Einsatz von nichtklassischen Materialien wie Pappkarton, rohem Zement, bunten Textilien, Kunststoff, Bauholz, Bitumen, Beton, Glas, Stahldraht, Papier, Polyethylen, Schaumstoff und Industrieklebstoff bekannt. Teilweise verarbeitete Barlow auch Alltagsgegenstände und recycelte früher entstandene Arbeiten in neuen Installationen. Ihre Skulpturen, so die Künstlerin, würden sich immer wieder neu formieren und seien einer kontinuierlichen Metamorphose unterlegen, nämlich dann, wenn wir eine Skulptur anträfen und darum herumgehen.
Phyllida Barlow wurde 1944 in Newcastle upon Tyne geboren. Sie studierte von 1960 bis 1963 an der Chelsea School of Art und im Anschluss bis 1966 an der Londoner Slade School of Art. Ihre erste Ausstellung fand 1965 statt. Jedoch blieb die Anerkennung aus, da in ihren Arbeiten leuchtende Farben, geometrische und organische Formen sowie Fundstücken aus dem Alltag dominieren. Anders als bei vielen ihrer Kollegen der 1960er Jahre spielte die Abbildung einer figürlichen Realität in ihren Werken keine Rolle. Ungeachtet dessen blieb sie ihren eigenen Vorstellungen und Vorbildern wie Jean Fautrier, Eva Hesse und Louise Bourgeois treu. Da Barlow nicht über genügend Lagermöglichkeiten verfügte, haben sich viele ihrer oftmals sperrigen und farbenfrohen Werke aus den ersten Jahrzehnten ihres Schaffens nicht erhalten. Über viele Jahre unterrichtete Barlow an der Slade School of Fine Art in London; zu ihren Schüler*innen gehören Rachel Whiteread, Tacita Dean, Douglas Gordon, Eva Rothschild und Monster Chetwynd.
Nach ihrer Pensionierung im Jahr 2009 erfuhr Barlows Karriere dann einen Aufschwung, ihre Arbeiten wurden auch auf dem europäischen Kontinent einem breiteren Publikum bekannt. 2010 stellte Barlow im Migros Museum Zürich aus, und die renommierte Schweizer Galerie Hauser & Wirth nahm sie unter Vertrag. 2012 wurde die Bildhauerin mit dem Aachener Kunstpreis ausgezeichnet und gestaltete 2017 auf der Biennale in Venedig den britischen Pavillon. Das Haus der Kunst in München widmete ihr 2021 mit „Phyllida Barlow. frontier“ eine große Retrospektive, bei der Kurator Damian Lentini knapp 100 monumentale Skulpturen, imposante wie fragile Installationen und Zeichnungen aus den letzten 30 Jahren zusammentrug. Im selben Jahr wurde sie als Dame Commander des Order of the British Empire in Adelsstand erhoben. In Deutschland erhielt sie zuletzt den Kurt-Schwitters-Preis 2022 der Niedersächsischen Sparkassenstiftung. Die dazugehörige Ausstellung „Phyllida Barlow – Breach“ ist noch bis Sonntag im Sprengel Museum zu sehen. |