Zwischen Ästhetik und Kommerz: Industriefotografie im DHM  |  | Gottfried Roßkopf, Produktion von Folien bei BASF, Ludwigshafen, 1973 | |
Ambitionen, Zweckdienlichkeiten und deutschlandweite Ungleichheiten auf dem speziellen Feld der Industriefotografie sind Thema einer groß angelegten Schau im Deutschen Historischen Museum in Berlin. Unter dem Titel „Fortschritt als Versprechen. Industriefotografie im geteilten Deutschland“ haben die Kuratorinnen Stefanie Regina Dietzel und Carola Jüllig rund 500 nach Wirtschaftszweigen gegliederte Aufnahmen zwischen 1949 und 1990 ausgewählt und sie mit den Broschüren, Werbematerialien, Werkszeitschriften, Festschriften oder Produktkatalogen kombiniert, in denen sie Verwendung fanden.
Mit zunehmender Deindustrialisierung, vornehmlich nach dem Ende des Steinkohlebergbaus im Jahr 2020, stoßen historische Fotografien aus der Industrie auf zunehmendes Interesse. Die primären Eigenschaften dieses Genres sind es, ein positives Unternehmensbild zu transportieren, Fortschritt und Aufschwung zu inszenieren, reale wie arrangierte Arbeits- und Produktionsprozesse unter Beachtung ästhetischer Aspekte zu bündeln. Abgesehen von wenigen bekannten Vertretern des Fachs wie Ludwig Windstosser, Hannes Kilian, Ruth Hallensleben oder Wolfgang Schröter waren meist namentlich nicht bekannte, freie oder angestellte Fotografen in Unternehmen tätig. Dabei wurde dieses selbst dem technischen Fortschritt entsprungene Medium bereits ab 1850 intensiv zur Werbung und Selbstdarstellung genutzt.
Die Auswahl leitet mit dem Kohleabbau als Grundstoff und Energiebasis ein. Die dunklen, fast ausschließlich schwarz-weißen Fotos aus dem Bergbau stehen in Gegensatz zu dem leuchtenden Funkenregen in der Eisen- und Stahlindustrie. Ihr folgen Motive mit endlosen Reihen von Webstühlen und Spinnmaschinen in der Textilfabrikation, in der fast ausschließlich Frauen arbeiteten. Im Zuge der Automatisierung wurden die Hallen menschenleer. Dagegen gleichen die Verhältnisse in der chemischen Industrie unwirklichen Versuchslaboren mit skurrilen Apparaturen. Den Abschluss bestreiten Bilder aus dem Automobilsektor, wobei der enorme Unterschied zwischen den sich hochmodern entwickelnden Fabriken in der Bundesrepublik und den gründerzeitlich anmutenden Produktionsanlagen in der DDR ins Auge fällt.
Im Gegensatz dazu ist bei den anderen Branchen oft keine eindeutige Zuordnung der Motive zu einem der beiden Staatssysteme möglich. Doch zu der in der DDR und BRD verfolgten Intention, Bilder zu produzieren, die den Zusammenhalt fördern, Kunden oder Arbeitssuchende beeindrucken sollten, bestimmten im Osten ökonomisch-politische Interessen stärker die inhaltliche Ebene. Die subtil inszenierten, propagandistisch-politischen Botschaften werden besonders durch die betonte Gleichstellung der Frauen deutlich.
Die Schau „Der Fortschritt als Versprechen. Industriefotografie im geteilten Deutschland“ ist bis zum 29. Mai zu sehen. Das Deutsche Historische Museum hat täglich von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 7 Euro, ermäßigt 3,50 Euro; für Personen unter 18 Jahren ist er frei. Der Ausstellungskatalog kostet im Museum 44 Euro.
Deutsches Historisches Museum
Unter den Linden 2
D-10117 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 20 30 40 |