Totgesagte leben oft länger. Viele, die die Art Düsseldorf in den letzten Pandemiejahren schon abgeschrieben hatten, mögen sich nun die Augen reiben. Kluges monetäres Agieren, restriktive Eingrenzung auf ein Angebot mit erstklassigem Niveau und renommierten Ausstellern, übersichtliche Präsentation in der attraktiven Location eines ehemaligen Stahlwerkes mit Tageslicht, keine sterile Verkaufsatmosphäre und die Verpflichtung anerkannter Experten verhalfen der Messe in Schritten zu überregionaler Reputation. Als Ergebnis der Corona-Pandemie gibt es nun einen Livestream, mit dem die fernab weilenden Interessent*innen den ganzen Tag über die Art Düsseldorf flanieren können. Diesmal mit vielen Vorschusslorbeeren in der Berichterstattung bedacht, wurde der Termin gerade noch rechtzeitig vor der Osterpause angesetzt.
Als „internationalen Hotspot in Deutschland“ bezeichnete Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, auf der Eröffnungspressekonferenz die Veranstaltung und zeigte sich über das internationale Vernissage-Publikum in ihrem Haus am Vorabend überrascht. Kunstpalast-Direktor Felix Krämer betonte den Nutzen der Messe für sein Haus, Werke hier vor Ort für seine Kollektion einzukaufen. Messedirektor Walter Gehlen betonte die Intention, nicht nur ein Marktplatz zu sein, sondern einen spannenden Diskurs zu inszenieren, der zum Nachdenken über aktuelle Themen anregen will. Die offerierte Kunst solle in den Raum hineinwirken und auch politische Inhalte thematisieren – das seien eben die neuen Erwartungen an den neuen, wesentlich gewandelten, da erweiterten Kunstbegriff. Die Zeit trophäenartiger Einzelstücke sei vorbei. Alle lobten die simultan zur Art Düsseldorf laufenden hochkarätigen Museumsausstellungen, die von einem hervorragenden Zusammenspiel vieler Player zeugen.
Das Messegeschehen ist auch heuer wieder durchsetzt von Skulpturenplätzen, die teils originell den Kontakt zur historischen stählernen Umgebung suchen, etwa Bettina Pousttchis knallig rote stählerne vertikale Autobahnen von 2019. Die 95 versammelten Galerien stehen für „moderne und zeitgenössische Kunst von 1945 bis zur Gegenwart“. 35 Teilnehmer sind zum ersten Mal mit dabei. Lokale Aussteller betonen die Rheinschiene, insgesamt 29 an der Zahl. Berlin stellt mit 30 Galerien einen gewichtigen Gegenpol im Reigen der Überzahl von europäischen Ausstellern. 34 Galerien mit „internationalem Standort“ fanden den Weg nach Düsseldorf; den weitesten legten Emami Art aus Kolkata und die W-Galería aus Buenos Aires zurück. Das breit gefächerte Spektrum reicht von Grafiken über Videos, Skulpturen, Fotografien, Installationen bis hin zu traditioneller Ölmalerei. Zum Hauptteil „Main“ gesellen sich nun zwei neue Sektoren: „Next“ richtet sich an Galerien, die seit weniger als zehn Jahren bestehen und aktuelle Arbeiten von Nachwuchskünstlern zeigen. Der Bereich „Solo Projects“ umfasst Einzelpräsentationen herausragender Künstler*innen zu drei definierten Fokusthemen „Sustainability“, „Diversity“ und „Rhineland Connections“. Damit will die Messedirektion ihr Profil weiter schärfen.
Dass das Rheinland mit weltweit herausragender Kunst punkten kann, demonstriert unter anderem die Düsseldorfer Galerie Ludorff mit Silbergelatineabzügen der Wasserturm-Serie von Bernd und Hilla Becher für 85.000 Euro oder einem Promenadenbild des berühmten rheinischen Expressionisten August Macke. Die aquarellierte Zeichnung beziffert Ludorff mit stolzen 195.000 Euro. Darüber hinaus hängt hier zum selben Preis Konrad Klaphecks Gemälde „Wiederannäherung“ zwei knopfartiger technischer Vorrichtungen auf rotem Grund von 1958/70. Die Konrad Fischer Galerie hat einige Fotografen mitgebracht und präsentiert unter anderem Candida Höfers „Komische Oper Berlin“ für 66.000 Euro sowie Aufnahmen von Thomas Ruff. Elisabeth und Klaus Thoman aus Wien haben eine himmelblaue „Sitzwurst“ von Franz West aus dem Jahr 2000 abgelegt, die der österreichische Humorist im Rahmen eines Skulpturenprojekts im öffentlichen Raum angefertigt hat und 1,2 Millionen Euro kostet. Ursula Krinzinger, die den Reigen mehrerer Teilnehmer aus der österreichischen Hauptstadt anführt, knüpft an die Düsseldorfer Kunstszene an und hat Otto Pienes dunkle Feuergouache „Don’t Go“ von 1974 für 65.000 Euro an den Rhein verfrachtet.
Ein wenig weiter widmet die Leipziger Galerie Eigen + Art der 1964 in Ulm geborenen Künstlerin Birgit Brenner eine Soloschau, die sich mit gesellschaftlichen Ideen auseinandersetzt. Das Ensemble besteht aus unterschiedlichen Medien wie Videos, Holzarbeiten und Zeichnungen, die preislich zwischen 6.000 Euro und 50.000 Euro rangieren. Auf die anstehende Retrospektive Günter Fruhtrunks im Kunstmuseum Bonn hat der Münchner Galerist Walter Storms seinen Stand mit einer Reihe von Arbeiten des Konstruktivisten ausgerichtet, darunter seinem späten, 1982 gemalten Bild roter diagonaler Balken auf rosafarbenem Grund zu stolzen 300.000 Euro. Auch die Bochumer Galerie m orientiert sich am aktuellen Ausstellungsgeschehen und zeigt ein Motiv des „Lake Huron“ aus der Serie der „Lake Pictures“ von Lucinda Devlin für 9.200 Euro. Die Kölner SK-Stiftung ehrt die für ihre kühlen wie kommentarlosen Aufnahmen bekannte amerikanische Fotografin derzeit mit einer großen Werkschau.
Aus Berlin haben sich diesmal zahlreiche Aussteller zur Art Düsseldorf aufgemacht und nehmen die einzige deutsche Frühjahrsmesse im Rheinland wahr, darunter André Buchmann, der seit 2008 Mitglied im Kuratorium der Wuppertaler Cragg Foundation ist. Kein Wunder, dass sich in seiner Koje vieles sprichwörtlich um Tony Craggs 365.000 Euro teure Bronze „Tow Moods“ von 2014 dreht, in deren runden Profilen man immer wieder flüchtige Gesichter zu entdecken meint. Klaus Gerrit Friese lockt mit einem Bündel warmroter Pfirsiche in seinen Stand. Das in dunkel abgetöntem Kolorit gehaltene Ölbild lässt den italienischen Einschlag spüren, der Karin Kneffel beseelte, als sie während ihres Aufenthaltes in der römischen Villa Massimo dieses für 480.000 Euro angebotene Gemälde schuf.
Die Berliner Galerie Nordenhake mit ihrer Zentrale in Stockholm wartet mit einer originellen Installation der schwedisch-chinesischen Künstlerin Lap-See Lam auf, die aus drei hängenden, sich bewegenden Anzügen besteht. Ihre märchenhaften, an Schattenspiele und Theaterproduktionen erinnernden Arbeiten beziehen sich auf mehrere Kulturen und spielen darüber hinaus auf Joseph Beuys’ Filzanzug an. (zusammen 30.000 EUR, einzeln 12.000 EUR.) Etwas weiter breitet Aurel Scheibler eine wahre Flut von Zeichnungen Norbert Krickes zwischen 15.000 Euro und 17.000 Euro und Drahtplastiken des ehemaligen Düsseldorfer Akademiedirektors für 85.000 Euro bis 165.000 Euro aus. Mit Skulpturalem geht es bei Max Goelitz weiter: Von der Decke hängt eine Raumzeichnung von Jürgen Partenheimer an einem Strick. Das Liniengewirr „Maze V“ in der Form eines Eis ist mit 52.000 Euro veranschlagt. Kurz darauf entführt der Däne Per Kirkeby in die Welt seiner vielfältig interpretierbaren Naturabstraktionen. 1993 malte er das „Inferno“ aus rotbraunen, grünen und grauen Farbwallungen, das die Düsseldorfer Galerie Achenbach Hagemeier für 300.000 Euro verkaufen möchte.
Auch Gerhard Richter fehlt nicht. Der betagte deutsche Künstlerstar ist bei der Galerie Schönewald mit der Rundbild-Edition „Goldberg-Variationen“ vertreten. Für die mit bunten Farben übermalte Schallplatte von Glenn Goulds Bach-Einspielung in einer Auflage von insgesamt 120 Stück muss der interessierte Kunstfreund 195.000 Euro übrig haben. Wiederum einen großen Auftritt mit einer breit gefächerten Auswahl hat die Mainzerin Galeristin Dorothea van der Koelen aufgefahren. Neben einfallsreichen Papierarbeiten von Lore Bert besticht vor allem ihr grandioses Sortiment an Werken Günther Ueckers, die zwischen 12.000 Euro und 400.000 Euro liegen. Darunter befindet sich auch der letzte noch verfügbare Prägedruck mit Handübermalung „Weiß Weiß“ aus dem Jahr 1989 zum vergleichsweise günstigen Betrag von 38.000 Euro. Der grimmige Blick einer schwarzen Katze beäugt zum Abschluss die Besucher*innen höchst misstrauisch: Das farbig gefasste, zwei Meter im Quadrat messende, hölzerne Flachrelief von Stephan Balkenhol bietet die Mönchengladbacher Galerie Löhrl für 92.000 Euro an.
Die Art Düsseldorf hat am 31. März von 12 bis 19 Uhr, am 1. April von 11 bis 19 Uhr und am 2. April von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Für Kinder unter zwölf Jahren ist er frei.
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