Tilla Durieux und die Kunst in Berlin  |  | Alex Binder, Tilla Durieux, Berlin, 1925/27 | |
Das Georg-Kolbe-Museum in Berlin feiert in seiner aktuellen Schau die Schauspielerin und Aktivistin Tilla Durieux. Unter dem Titel „Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“ zeichnet Kuratorin Daniela Gregori anhand von rund 200 Exponaten den Lebensweg der 1880 in Wien geborenen großen Mimin und ihre Spuren in der Kunst nach. Tilla Durieux war gefeierter Theater- und Filmstar, künstlerische Visionärin, politisch Engagierte, Berliner Ikone und eine der wohl meistportraitierten Frauen ihrer Zeit. In über 70 Jahren saß sie unter anderem für Max Slevogt, Mary Duras, Franz von Stuck, Sasha Stone, Oskar Kokoschka, Olaf Gulbransson, Max Oppenheimer, Frieda Riess, Hugo Lederer und Lotte Jacobi Modell. Neben deren Kunstwerken bereichern Filme, Tonaufnahmen, Fotografien und Dokumenten aus dem Nachlass Durieux’ die Schau, der teils im Georg-Kolbe-Museum beheimatet ist und Einblicke in die Kultur- und Theatergeschichte jener Epoche gewährt.
Nach der Schauspielausbildung in Wien führte ihre Karriere über Stationen in Olmütz und Breslau 1903 nach Berlin auf die Bühne von Max Reinhardt. Mit der Rolle der Salomé aus Oscar Wildes gleichnamigen Stück gelang Durieux der Durchbruch. Es folgten viele Rollen als selbstbewusste Frau, darunter Anitra aus „Peer Gynt“, Lady Macbeth aus „Macbeth“ oder Marie Bornemann aus Fred Dengers „Langusten“. Diese Vorliebe für unangepasste Frauengestalten sollte auch ihr Bild in der Öffentlichkeit prägen. In Berlin lernte Durieux ihren zweiten Ehemann, den Verleger und Kunsthändler Paul Cassirer, kennen. Zuvor war sie mit dem Maler und Grafiker Eugen Spiro seit 1902 verheiratet, der seine Frau im privaten Umfeld porträtierte und so Momente des vertrauten gemeinsamen Glücks festhielt, etwa 1905 „Dame mit Hund“ oder 1907 „Tilla Durieux am Flügel“.
Cassirer förderte seine sehr erfolgreiche und ehrgeizige Ehefrau. Beide waren ein glamouröser Bestandteil in der Kunst- und Literaturszene des damaligen Berlins und zählten unter anderem die Künstler Max Liebermann, August Gaul, Lovis Corinth, Ernst Barlach, die Schauspielerin Tilly Wedekind und den Theaterautor Frank Wedekind, den Sammler Harry Graf Kessler, den Pianisten Leo Kestenberg, die Dichterin Else Lasker-Schüler, die Kunstschriftsteller Julius Elias und Julius Meier-Graefe sowie den Kritiker Alfred Kerr zu ihren Freunden und Bekannten. Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Durieux zunächst als Krankenschwester und beendete ihren Dienst, um sich für den Frieden zu engagieren, was sie auch während ihres Exils ab 1917 in der Schweiz fortführte.
1926 ließ sich Durieux von Cassirer scheiden und heiratete 1930 den Industriellen Ludwig Katzenellenbogen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten versuchte das Paar in die USA zu fliehen, erhielt jedoch keine Visa. Über mehrere Stationen kamen sie 1938 in Zagreb an, wo die Gestapo Katzenellenbogen 1941 nach Deutschland verschleppte. Er starb 1944 nach einer Verschleppung ins KZ Sachsenhausen. Nach dem Krieg kehrte Durieux nach Berlin und ans Theater zurück, feierte nochmals große Erfolge und wurde zudem Kaninchenzüchterin, Dramatikerin, Kostümbildnerin eines Puppentheaters und Hoteliere. Am 21. Februar 1971 starb Tilla Durieux 90jährig in Berlin.
Die Ausstellung „Tilla Durieux. Eine Jahrhundertzeugin und ihre Rollen“ läuft bis zum 20. August. Das Georg-Kolbe-Museum hat täglich außer dienstags von 11 Uhr bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro; bis 18 Jahre ist er kostenlos. Der begleitende Katalog zur Schau kostet im Museum 34,90 Euro.
Georg-Kolbe-Museum
Sensburger Allee 25
D-14055 Berlin
Telefon: +49 (0)30 – 30 42 144 |