 |  | Guido Reni, Heilige Magdalena | |
Zu seinen Lebzeiten zählte der 1575 in Bologna geborene Guido Reni zu den gefragtesten Malern Europas, Könige und Päpste zu seinen Auftraggebern. Heute ist sein Stern gesunken und gegenüber seinem damals nicht so erfolgreichen Konkurrenten Caravaggio etwas verblasst. Doch prägte Reni mit seiner Kunst die europäische Bildwelt nachhaltig und übersetzte wie kein anderer die Schönheit des Göttlichen in Malerei, was ihm den Beinamen „Il Divino“ eintrug. Erst im 19. Jahrhundert wandte sich das Blatt: die Kunstkritik warf Reni und der Bologneser Malerei im allgemeinen Sentimentalität vor und bevorzugte die Dramatik der Caravaggio-Schule. Diese Unterscheidung lässt sich treffend an einer „Heiligen Magdalena“ festmachen, die das Kölner Auktionshaus Lempertz nun offeriert. Reni rückt die junge Frau nah an den Bildrand heran. Magdalena stützt ihren Kopf in meditativer Haltung mit der rechten Hand, während ihre linke neben dem Totenschädel und dem aufgestellten Kruzifix ruht, auf das der Blick und die Gedanken der Heiligen gerichtet sind. Damit schert Reni aus der ikonografischen Tradition aus, die Magdalena als himmelwärts schauende junge Büßerin vor einer Höhle mit Tränen in den Augen darstellt. Doch auch der Einfluss von Caravaggios Malerei lässt sich in Renis Magdalena entdecken, allerdings auf eigene Weise interpretiert. Reni mildert die Drastik, modelliert das Inkarnat weicher und flüssiger und nimmt dem übertriebenen „chiaroscuro“ die Schärfe. Schon im 18. Jahrhundert wurde Renis Magdalena als „Malerei von einnehmender und seltener Schönheit“ gefeiert, heute soll sie 350.000 bis 400.000 Euro kosten.
Der klassischen Darstellungsweise einer heiligen Magdalena folgt ein rund 70 Jahre älteres Gemälde. In den 1550er Jahren konzipierte Tizian einen Prototyp, der angesichts der zahlreichen Versionen, Repliken und Kopien als eine der erfolgreichsten Kompositionen des venezianischen Malers angesehen wird. Erst vor einem Jahr überzeugte eine eigenhändige Fassung Tizians im Wiener Dorotheum bei 4,1 Millionen Euro, die Version bei Lempertz will als qualitätvolle Arbeit aus seiner Werkstatt und seines Umfelds nun 100.000 bis 120.000 Euro sehen. Mit religiösen Bildern ist die Auktion am 20. Mai gut bestückt. Unter dem Eindruck Caravaggios schuf der Neapolitaner Antonio de Bellis seine barock bewegte heilige Katharina von Alexandrien mit ihrem kaum sichtbaren Attribut des Märtyrerrads (Taxe 50.000 bis 60.000 EUR). Der nach Neapel ausgewanderte Flame Hendrick de Somer stellt uns den heiligen Paulus von Theben als Wüstenvater versunken im Gebet vor einem Totenkopf vor (Taxe 18.000 bis 25.000 EUR). Giovanni Battista Bassanos „Heilige Familie mit Johannes und einem Engel“ in dem eigentümlichen Kolorit der großen Bassano-Werkstatt tritt mit dem wohl originalen Rahmen aus dem 16. Jahrhundert an (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). In diese Preiskategorie ordnet sich mit 20.000 bis 25.000 Euro zudem Elisabetta Siranis durch ein schwarzes Tuch über ihrem Kopf verschattete, in Trauer gehüllte Jungfrau Maria von 1662 ein.
Die Alten Meister
In die nordeuropäischen Länder geht es mit Jan Sanders van Hemessens „Büßenden heiligen Hieronymus“ samt Kreuz und Totenkopf vor einer Höhle, der als Neuentdeckung das Werk des flämischen Renaissance-Meister bereichert (Taxe 150.000 bis 200.000 EUR). Benjamin Gerritsz Cuyp hat seine „Rast auf der Flucht nach Ägypten“ als Nachtstück konzipiert; sie tritt als ehemaliger Bestandteil der Sammlung des jüdischen Bankiers Adolphe Schloss im gemeinsamen Auftrag des Einlieferers und der rechtmäßigen Erben für 60.000 bis 80.000 Euro an. Ein flämischer Maler der frühen Renaissance mit dem Notnamen „Meister von Frankfurt“ steuert eine auf einer bewachsenen Steinbank sitzende, herbe Muttergottes mit nacktem Jesuskind vor einer weiten hügeligen Naturkulisse bei (Taxe 30.000 bis 40.000 EUR). Zur Spitzengruppe gehört eine Beweinung Christi, für die die Experten Lucas Cranach d.Ä. und seine Werkstatt gemeinsam verantwortlich machen (Taxe 200.000 bis 250.000 EUR). Soviel sollen auch die beiden kleinen Bildnisse der sächsischen Kurfürsten Friedrichs des Weisen sowie seines Bruders und Nachfolgers Johann des Beständigen einbringen, die 1532 in selber Zusammenarbeit entstanden.
Bei drei fast noch kindlichen Jägern, ausgestattet mit einem Falken, Gewehr und Jagdhorn, soll es sich um Portraits der Söhne von Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen handeln. Auch die Urheberschaft ist nicht ganz gesichert; doch kommt mit hoher Wahrscheinlichkeit Willem van Honthorst in Frage, der ab 1647 kurfürstlicher Hofmaler von Friedrich Wilhelm von Brandenburg war, der wiederum das Gemälde 1655 dem Herzog von Sachsen-Altenburg für den Jagdsaal des Schlosses „Zur Fröhlichen Wiederkunft“ in Wolfersdorf geschenkt haben soll (Taxe 20.000 bis 30.000 EUR). Weitere schöne Beispiele der Portraitkunst stammen diesmal hauptsächlich von Jan Anthonisz van Ravesteyn: Sein Bildnis eines würdevollen, 76jährigen Predigers von 1635 (Taxe 40.000 bis 45.000 EUR), die ovalen Pendants mit einem jungen Paar in vornehmer Kleidung samt fein ausgearbeiteten Spitzenkrägen und Schleifen (Taxe 30.000 bis 50.000 EUR) und die charmante Dame aus der Pinto-Familie von 1641, die trotz der zurückhaltenden Schlichtheit ihren Wohlstand mit den in mehreren Schichten übereinandergelegten Brusttüchern, dem reichen Spitzenschmuck, den Perlenohrringen und dem Federfächer in ihrer Hand andeutet (Taxe 12.000 bis 14.000 EUR). Salomon de Bray hat eine junge Frau mit entblößter Brust und emporgerichtetem Blick als Pero und damit als Allegorie der Nächstenliebe ausgearbeitet (Taxe 70.000 bis 80.000 EUR).
Die Stilllebensuite eröffnet diesmal Johannes Bosschaert mit einem ordentlich gesteckten Blumenstrauß samt Insekten in einer Glasvase, dessen Schätzwert gegenüber der November-Auktion um 40.000 Euro auf mindestens 90.000 Euro gesunken ist. Höhepunkt ist ein fein gemaltes und effektvoll beleuchtetes Jagdstillleben mit Vögeln und Federvieh in einer Nische des Deutsch-Niederländers Abraham Mignon für 300.000 bis 500.000 Euro. Mit ungewöhnlicher Direktheit malte der aus Antwerpen stammende, ab 1748 in Rom tätige Jacob Xaver Vermoelen einen Falken, der eben seine Beute schlägt (Taxe 18.000 bis 24.000 EUR). Stilllebenelemente haben auch Jan Breughel d.J. und Hendrik van Balen d.Ä. in ihre Waldlandschaft mit „Dianas Nymphen nach der Jagd“ eingebaut (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Noch ganz lebendig ist der Braune „Le San Pariel Espagnol“, das Pferd Ludwigs XIV., das wohl Adam Frans van der Meulen vor der Stadt Dinant portraitiert hat (Taxe 60.000 bis 70.000 EUR).
Mit Jan Havicksz Steens schmerzhaftem chirurgischem Eingriff an einem Bein (Taxe 25.000 bis 25.000 EUR) und Cornelis de Mans lustvollem Gelage der „Austernesser“ kommt auch die Gattung Genre zu ihrem Recht (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Neben den idealisierten Rheinlandschaften spielen Stadtansichten im Œuvre von Christian Georg Schütz I. eher eine untergeordnete Rolle. Daher ist die breit gelagerte Vedute von Frankfurt aus dem Jahr 1754 mit dem Main in der Mitte, über den die alte Steinbrücke mit ihrem regen Treiben führt, eine Besonderheit und mit anspruchsvollen 80.000 bis 90.000 Euro bewertet. In der nachfolgenden Abteilung mit Zeichnungen lässt Pieter Bout einen Markttag vor einer befestigten Ortschaft am Ufer eines Flusses detailverliebt aufleben (Taxe 2.000 bis 2.500 EUR). Aus venezianischen Versatzstücken komponierte Francesco Guardi flott sein Capriccio mit Torbogenruine und kleiner Hafenanlage samt Steg und Booten (Taxe 10.000 bis 14.000 EUR). Derweil blickte Giovanni Domenico Tiepolo in den Himmel und entdeckte in Untersicht zahlreiche gut gelaunte Engel beim Musizieren (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR).
Skulpturen
Der Ulmer Schnitzer Michel Erhart wird für das spätgotische Büstenfragment des heiligen Bernhardins von Siena verantwortlich gemacht, das wohl von einer ehemaligen Standfigur abgesägt wurde (Taxe 25.000 bis 30.000 EUR). Eine vom Gewand her voluminös gedachte heilige Barbara stammt aus dem Umkreis des Kaufbeurer Bildhauers Jörg Lederer (Taxe 24.000 bis 28.000 EUR). Nach Südtirol ins Umfeld von Hans Klocker verorten die Experten die um 1490/1500 geschnitzte Ganzfigur des jugendlichen Märtyrers Stephanus (Taxe 22.000 bis 25.000 EUR). In dieser Zeit soll in Süddeutschland zudem die seltene Darstellung des sitzenden Christus mit Kelch und Segensgestus in Elfenbein entstanden sein (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Dem rund hundert Jahre später in Weilheim tätigen Bartholomäus Steinle wird eine Gruppe von Landsknechten und zwei Hohepriestern zugeschrieben, die wohl zu einer Gefangennahme Jesu gehörte und neben ihrer Plastizität auch durch die weitgehend originale farbige Fassung beeindruckt (Taxe 10.000 bis 12.000 EUR).
Das 19. Jahrhundert
Ins Angebot mit den Neueren Meistern hat sich ebenfalls prominent eine Skulptur gemischt. Mit Beatrice Cenci bezog sich der italienische Bildhauer Antonio Bottinelli auf ein Thema aus der Geschichte Roms. Die römische Patrizierin wurde nach einem erfolgreichen Mordkomplott zusammen mit ihrer Stiefmutter und zwei ihrer Brüder gegen ihren gewalttätigen Vater 1599 im Alter von 22 Jahren hingerichtet. Aus der bis ins 20. Jahrhundert hinein populären Gestalt der in berechtigter Notwehr handelnden Cenci machte Bottinelli 1881 eine romantisierende Marmorskulptur der jungen Schönheit, die an einem Stein angekettet ist und ihr Schicksal wehmutsvoll erträgt (Taxe 20.000 bis 25.000 EUR). Dass es ein Künstler des 19. Jahrhunderts preislich mit den Alten Meistern aufnehmen kann, kommt nicht so häufig vor. Bei Lempertz ist es der armenisch-russische Marinemaler Ivan Konstantinovich Ajvazovskij, der mit seinem romantischen Blick auf Istanbul und das Goldene Horn im Mondschein, eine Neuzuschreibung zu seinem Werk, 300.000 bis 500.000 Euro sehen will.
Aber auch Jakob Philipp Hackert mischt ganz vorne mit. Sein dramatischer „Ausbruch des Vesuvs am 8. August 1779“, den Hackert mit zahlreichen Schaulustigen als Feuer und Asche speiendes Ungetüm am nächtlichen Himmel rotgelb aufglühen lässt, ist mit 100.000 bis 140.000 Euro veranschlagt und orientiert sich damit an den 115.000 Euro, die das Gemälde 2009 bei Lempertz schon einmal einfuhr. Ruhiger geht es dann auf Hackerts weiter südlicher Flusslandschaft mit aufgehender Morgensonne und lagerndem Hirten von 1801 zu (Taxe 50.000 bis 70.000 EUR). Auch seine Zeichnungen verdienen Beachtung, darunter seine klassizistische Landschaft bei San Lorenzo von 1795 mit mächtigem Baum im Zentrum (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR) oder das zwei Jahre ältere, großformatige Blatt mit dem Blick auf Capistrello in den Abruzzen und den alten Ableitungskanal, den sogenannten „Emissario di Claudio“, aus dem ersten Jahrhundert nach Christus (Taxe 14.000 bis 18.000 EUR).
Carl Philipp Fohr sah dann schon in einem romantischen Duktus die heimatliche Ruine des Heidelberger Schlosses und legte das Aquarell 1813/14 mit atmosphärischen Lichtverhältnissen an (Taxe 15.000 bis 20.000 EUR). Überhaupt hält der Katalog eine gute Ausbeute an Arbeiten auf Papier aus den Jahrzehnten um 1800 bereit. Dazu zählen etwa Johann Christian Klengels südliche Landschaft mit zwei badenden Frauen von 1785 (Taxe 1.000 bis 1.500 EUR), Adrian Zinggs freundlicher Blick über Wiesen und Gartenanlagen auf das Schloss Nöthnitz vor Dresden (Taxe 3.000 bis 4.000 EUR), Joseph Anton Kochs südliche Landschaft mit der alttestamentlichen Erzählung von Ruth und Boas auf dem Felde (Taxe 8.000 bis 10.000 EUR), Johann Christian Reinharts Ausschnitt aus dem Park der Villa Borghese und Johann Georg Gmelins feinsinnige Ansicht des Lago Albano mit dem Palazzo Chigi und der Kirche Santa Maria Assunta in Ariccia von 1796 (Taxe je 6.000 bis 8.000 EUR) oder Christoph Heinrich Knieps weite arkadische Talsenke, in der sich Apoll mit seinen Museen tummelt (Taxe 12.000 bis 16.000 EUR).
Bei den Gemälden liegen die Preise dann auch höher. Barend Cornelis Koekkoeks stimmungsvoll schimmernde „Winterlandschaft“ von 1834 im leicht goldenen Abendlicht, eines der frühen Großformate des niederrheinischen Malers, rangiert immerhin bei 150.000 bis 160.000 Euro. Imposant ist ebenfalls die abendliche Szene des Zusammentreffens eines Hirten mit seinem Vieh und einer Magd auf einem Esel von Eugène Joseph Verboeckhoven aus den 1830er Jahren und daher mit 40.000 bis 50.000 Euro bewertet. Auf deutlich kleinerem Format hielt Carl Spitzweg ein in eine Felsschlucht wanderndes Paar in Rückenansicht fest (Taxe 30.000 bis 35.000 EUR). Ein wenig erinnert Eugen Brachts Ruine der Burg Dreieichenhain bei Darmstadt von 1877 mit ihren gemütlichen Landsknechten an vergleichbare Bilder Spitzwegs (Taxe 40.000 bis 50.000 EUR). Mit dem studienhaften Gelage „Der Triumph des Bacchus“ von Anselm Feuerbach hält dann der Historismus in die Auktion Einzug (Taxe 35.000 bis 45.000 EUR). Während Wilhelm Leibl seinen „Rothaarigen Jungen“ verhalten vor dunklem Hintergrund portraitiert (Taxe 25.000 bis 35.000 EUR), lässt Fedot Vasilevich Sychkov seine beiden in bunte Tücher gehüllte Frauen im verschneiten Dorf fröhlich ausgelassen mit dem Betrachter kommunizieren (Taxe 60.000 bis 70.000 EUR).
Die Auktion beginnt am 20. Mai um 11 Uhr. Der Katalog ist im Internet unter www.lempertz.com abrufbar. |