John Akomfrah in der Frankfurter Schirn  |  | in der Ausstellung „John Akomfrah. A Space of Empathy“ | |
Neben dem Klassiker Lyonel Feininger geht es in der Schirn Kunsthalle Frankfurt jetzt um drängende Fragen der Gegenwart. Die neueste Ausstellung präsentiert seit gestern Videoarbeiten John Akomfrahs, die von Postkolonialismus, Emigration und der Beziehung des Menschen zur Natur handeln. Dafür hat Kuratorin Julia Grosse die drei Werke „The Unfinished Conversation“ von 2012, „Vertigo Sea“ von 2015 und „Becoming Wind“ von 2023 des 1957 in Ghana geborenen Künstlers ausgewählt. In diesen raumgreifenden Multi-Screen-Installationen berichtet Akomfrah bildmächtig von Umbrüchen der Vergangenheit und Krisen der Gegenwart, nutzt auf seinen miteinander kommunizierenden Bildschirmen simultane Erzählstrukturen sowie eine spezifisch eingesetzte Soundkulisse und verwebt eigene filmische Aufnahmen mit Archivmaterial zu vielschichtigen, mitunter assoziativen Collagen.
„Was das Werk von John Akomfrah so eindrücklich macht, ist die Konsequenz, mit der er Erzählstränge über Migration, Klimakrise oder koloniale Vergangenheiten zusammenführt“, so Schirn-Direktor Sebastian Baden. „Es sind die großen Themen der Gegenwart, für die er als internationaler Künstler Sensibilität schaffen will. Zeitübergreifend verbinden seine Videoinstallationen neu gedrehte Filmsequenzen und Archivmaterial zu Bildern von bewegender Emotionalität.“ Julia Grosse ergänzt: „John Akomfrah möchte das nicht Gesehene, das nicht Erzählte, das nicht Gehörte hervorbringen. In poetischen und starken Bildern beschreiben seine Installationen die Dringlichkeit seiner Themen, und dies ohne zu moralisieren. Es gelingt dem Künstler, komplexe Verbindungen differenziert einzubeziehen und herzustellen. Akomfrah interessiert sich nicht nur für menschliche Sichtweisen, er denkt die Narrative der belebten Mitwelt, etwa der Pflanzen und Tiere stets dazu. Durch seine Arbeit bietet er Perspektivwechsel an und hinterfragt die Konsequenzen kollektiven und individuellen Handelns. Im Grunde möchte er mit den Besucher*innen einen Raum für Empathie schaffen.“
Das Interesse des 66jährigen Akomfrah galt schon früh dem Film. Von 1982 bis 1998 war er Co-Gründungsmitglied des „Black Audio Film Collective“ in London und Anfang der 2000er Jahre Governor des British Film Institute. Im kommenden Jahr wird er Großbritannien auf der 60. Biennale von Venedig vertreten. Seine aktuell in Frankfurt präsentierte Drei-Kanal-Installation „The Unfinished Conversation“ ist eine Hommage an Stuart Hall, einen renommierten britischen Kulturtheoretiker, Soziologen und Begründer der „Cultural Studies“. In einer sensiblen, fast poetischen Auseinandersetzung mit den Ideen des 2014 verstorbenen Intellektuellen befragt Akomfrah anhand von Halls Leben dessen Theorien und Vorstellungen von Identität, Immigration und Kolonialismus. In seiner neuen Arbeit „Becoming Wind“ entwirft Akomfrah auf fünf Bildschirmen eine allegorische Darstellung des Garten Eden und seines Verschwindens. In elegischen Schwarz-Weiß-Szenen taucht das Werk in eine Vergangenheit ein, in der Tier- und Pflanzenarten noch in üppiger Vielfalt auf dem Planeten Erde anzutreffen waren, und richtet den Blick ebenfalls auf das menschenzentrierte labile Ökosystem unserer Zeit. Vorausgeschaltet ist den künstlerischen Arbeiten ein offener Leseraum mit Publikationen, die sich direkt, aber auch assoziativ auf das Werk John Akomfrahs und die zentralen Fragen seiner Arbeiten beziehen.
Die Ausstellung „John Akomfrah. A Space of Empathy“ ist bis zum 28. Januar zu sehen. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt hat täglich außer montags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 10 Euro, ermäßigt 8 Euro und berechtigt zum zweimaligen Besuch der Schau.
Schirn Kunsthalle Frankfurt
Römerberg
D-60311 Frankfurt am Main
Telefon: +49 (0)69 – 29 98 820 |