Neuer „Eiserner Vorhang“ von Anselm Kiefer in Wien  |  | Anselm Kiefer, Solaris (für Stanislaw Lem), 2023 | |
Anselm Kiefer hat den aktuellen „Eisernen Vorhang“ an der Wiener Staatsoper gestaltet. Für die kommende Spielzeit ist nun sein 176 Quadratmeter großes Werk „Solaris“ vor und nach den Aufführungen sowie in den Pausen zu sehen. Mit seiner kosmischen Landschaft nimmt der deutsch-französische Künstler Bezug auf Stanislaw Lems gleichnamigen Science-Fiction-Roman um den Planeten „Solaris“, der fast vollständig von einer Art intelligentem, dem menschlichen Bewusstsein vielleicht überlegenen Ozean bedeckt ist und die dort anwesenden Forscher mit ihren Schuldgefühlen konfrontiert. Daraus hat Kiefer nun in seiner charakteristischen Malweise eine dunkle, schwere, menschenleere und dräuende Meeres- und Himmelslandschaft mit bewegter Wasseroberfläche und explorierenden Gestirnen kreiert.
In seinem Essay zu Kiefers Werk führt der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr aus: „Sehnsüchte, Träume, Ängste und Hoffnungen, ja selbst geliebte Menschen aus dem Arsenal der Trauer und Erinnerung, nehmen Form und Gestalt an. Schmerzhaft vermisste Geschöpfe beginnen im Formenreichtum dieses Ozeans zu sprechen, zu handeln und den Reisenden durch die Zeit jenen eisernen Vorhang vergessen zu lassen, der zwischen dem Diesseits und Jenseits in Sonnenstürmen schlägt. Im Wirbel ozeanischer Schöpfungen gibt es keine Vergangenheit und keine Zukunft mehr, sondern nur noch den Augenblick, der alles, was vor ihm war und nach ihm sein wird, zunichtemacht. Und dieser Welten verschlingende und wieder ausspeiende Ozean, der in seiner Ungeheuerlichkeit und Allwissenheit die Gesamtheit der menschlichen Möglichkeiten nachzuäffen und sich an alles zu erinnern vermag, rollt nun in langgezogenen Brechern aus Kiefers Gemälde auf das in dunklen Reihen ein bloßes Singspiel erwartende Publikum zu.“
Das Kunstwerk entstand innerhalb der Reihe „Eiserner Vorhang“, die vom Museum in Progress, dem Wiener Opernhaus sowie der Bundestheater-Holding 1998 ins Leben gerufen wurde und seitdem die Brandschutzwand als Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst nutzt. Für den 26. Eisernen Vorhang wählte die mit Daniel Birnbaum, Bice Curiger und Hans-Ulrich Obrist besetzte Jury Anselm Kiefer aus. Mit der jährlich wechselnden Arbeit wird der originale Eiserne Vorhang des NSDAP-Mitglieds Rudolf Hermann Eisenmenger verdeckt. |