Solange Pessoa im Kunsthaus Bregenz  |  | Solange Pessoa, Ó Ó Ó Ó, 2023 | |
Solange Pessoa ist im deutschsprachigen Raum noch weitgehend unbekannt. Das will das Kunsthaus Bregenz nun ändern und hat der 1961 geborenen Brasilianerin, die an der der letzten Biennale in Venedig teilnahm, seinen kompletten Bau zur Verfügung gestellt. Dort hat Pessoa einen Parcours aus Installationen, Videoarbeiten, Skulpturen und Gemälden inszeniert, die sie oft aus Naturmaterialien ihrer Umgebung produziert, vom Kreislauf des Lebens künden und sinnliche Erlebnisse versprechen. Ihre Aufmerksamkeit gilt den Substanzen, der Einfachheit und dem Wirken der Dinge, die für Pessoa in Beziehung zur Geschichte der Erde und der Menschheit stehen. Dabei interessiert sie sich für Prozesse, Zustände und Veränderungen und verleiht materiellen Energien Bedeutung. Das macht schon ihre aktuelle Videoarbeit „Delongas“ deutlich, die großflächig auf eine Wand im Erdgeschoss des Kunsthauses projiziert ist. Pessoa nimmt Bezug zum Rohstoffabbau ihrer Heimatregion Minas Gerais und zeigt darin verflüssigte Bronze während der Aushärtung.
Im ersten Obergeschoss hat Solange Pessoa ihre Installation „Bags – Bregenz version“ eingerichtet, an der sie seit 1994 arbeitet und die an die Arte Povera erinnert. Der Betonboden ist komplett mit Erde bedeckt, von der Decke hängen zusammengenähte Jutesäcke und strukturieren den Raum als hoch aufragende Wände. Die Säcke sind ebenfalls mit Erde gefüllt, manche weisen Verfärbungen auf, Pflanzen, Knochenteile und getrocknete Blüten spitzen aus ihnen hervor. Einige der Säcke enthalten auch Blätter mit Texten, historischen Darstellungen und Fotografien. „Es ist eine Art großes universelles Archiv, vielfältig und unendlich, das (physisch und symbolisch) dichte Materialitäten beherbergt und eine Verbindung zwischen Natur und Kultur herstellt“, erklärt die Künstlerin. Die Papiere zeigen Ausschnitte historischer Berichte über die portugiesische Kolonie Brasilien und ihre Beziehung zu Österreich seit dem frühen 19. Jahrhundert.
An der Werkgruppe „Ó Ó Ó Ó“, die im zweiten Obergeschoss erstmals in abgeschlossener Form zu sehen ist, arbeitet Pessoa seit 2012. Es sind Bronzeskulpturen, die als Reliefs an der Wand befestigt sind oder ohne Sockel frei im Raum stehen und liegen. Die klumpigen schwarzen Objekte erinnern an amorphe Fundstücke, an Meteoriten oder gestockte Gebilde aus Lava. Manche sind mit Naturmaterialien wie Federn, Häute, Haare, Wolle oder Gras erweitert. „Ich sehe in meiner Arbeit eine Art Rückkehr zum Amorphen, zur Schwerkraft traumähnlicher materieller Elemente und zu einer primitiven imaginären Natur, die sich auf Animismus, Kosmogenien, zeitliche Texturen und psychische Energieverbindungen bezieht“, so Pessoa.
Neben schwarzweißen Ölgemälden aus der Serie „Sonhíferas“ mit prähistorischen Sinnbildern oder magischen Zeichen in reduzierter Archaik dominiert im obersten Stock die Arbeit „Miracéus“. Die Federn für die großflächige Skulptur unter der lichten Decke, die von verschiedenen Vögeln stammen, hat Pessoa jahrelang gesammelt und zu einem dichten Teppich zusammengefügt. Im Zentrum der Installation befindet sich eine Art Tunnel, durch den man im Dunkeln nach oben blicken kann. „Miracéus“ deutet die Künstlerin als „Andachtsskulptur, mit einer kultischen, mythischen und rituellen Dimension“.
Die Ausstellung „Solange Pessoa“ läuft bis zum 4. Februar 2024. Das Kunsthaus Bregenz hat täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 20 Uhr geöffnet. Geschlossen bleibt an Heiligabend, 1. Weihnachtstag und Silvester. Der Eintritt beträgt 12 Euro, ermäßigt 10 bzw. 8 Euro; für Kinder und Jugendliche bis einschließlich 19 Jahre ist er kostenlos. Der Katalog, der auch die Ausstellung dokumentiert, erscheint im März 2024 im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König und kostet 42 Euro.
Kunsthaus Bregenz
Karl-Tizian-Platz
A-6900 Bregenz
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