Joe Tilson gestorben  |  | Joe Tilson in seinem Atelier in London, 2023 | |
Joe Tilson ist tot. Der britischer Maler und Grafiker, der zu den wichtigsten Vertreter der Pop Art in seiner Heimat zählt, starb am 9. November mit 95 Jahren in London. Er sei in seinem Haus in Chelsea friedlich eingeschlafen, umgeben von seinen Angehörigen. Das gab die „Die Galerie“ in Frankfurt am Main bekannt. Tilson sei ein begnadeter Künstler, eine warmherzige, weise Seele und allem voran ein treuer Freund gewesen, so Galerist Peter Femfert, der dem Künstler eine bis heute in den Frankfurter Galerieräumen laufende Schau unter dem Titel „Milestones“ mit seinen farbenfrohen Kunstwerken ausgerichtet hat. „Insbesondere anlässlich seiner letzten Ausstellung hatte sich unsere Zusammenarbeit in den letzten Monaten intensiviert, und es ist uns eine Ehre, ihm und sein Werk mit dieser letzten umfassenden Retrospektive zu seinen Lebzeiten würdigen zu können“, so Femfert weiter.
Joe Tilson wurde 1928 in London geboren und arbeitete zunächst als Schreiner und Tischler, bevor er von 1946 bis 1949 bei der Royal Air Force seinen Militärdienst absolvierte. Danach studierte er an der St. Martin’s School of Art und am Royal College of Art in London, wo er zu Beginn der 1950er Jahre auf Gleichgesinnte wie Peter Blake, David Hockney, Frank Auerbach, Allen Jones, Patrick Caulfield und Leon Kossoff traf. Gemeinsam mit ihnen revolutionierte er die britische Kunstszene und gilt bis heute als einer der wegweisenden Protagonisten der British Pop Art. Nach seinem Studienabschluss gewann Joe Tilson 1955 den Rome Prize und zog in die italienische Hauptstadt. Dort lernte er seine spätere Frau, die Künstlerin Joslyn Tilson, kennen, die er 1956 heiratete und mit der er zunächst in Sizilien und dann in Venedig lebte, bevor sie 1958 nach London zurückkehrten.
Anfang der 1970er Jahre zog Joe Tilson mit seiner Familie von London ins ländliche Wiltshire, um im Einklang mit der Natur zu leben, und wandte sich zunehmend von den konsumfreundlichen Ideen Pop Art ab. Seine Inspirationsquellen in dieser Zeit waren häufig archetypische Motive, wie die Vier Elemente oder die Vier Jahreszeiten, mit denen er sich im sogenannten „Alchera-Zyklus“ intensiv befasste, aber auch antike Sagen und mythologische Überlieferungen. Zahlreiche Werke sind griechischen Gottheiten oder den Neun Musen gewidmet. Italien, vor allem Venedig mit seiner geschichtsträchtigen Vergangenheit und seinen zahlreichen Kirchenbauten und die Toskana, lieferten während der 1990er und 2000er Jahre weitere entscheidende Impulse für sein Schaffen. Mit den Zyklen „The Stones of Venice“ und „Postcards from Venice“ erklärte er in der für ihn typischen Formensprache aus farbigen Mustern, symbolischen Elementen und Schriftzügen seine große Liebe zur Stadt Venedig.
Schon früh wurde Tilsons Werk international präsentiert: 1961 war er Teilnehmer der Biennale de Paris, 1962 richtete ihm die Marlborough Gallery in London die erste Einzelausstellung aus, 1964 bespielte der den britischen Pavillon bei der Biennale in Venedig und 1968 war er mit grafischen Arbeiten und Reliefs an der Documenta in Kassel beteiligt. Weitere Ausstellungen folgten etwa in Rotterdam, Parma, Vancouver, Bristol und Ljubljana. Im Jahr 2002 wurde sein Schaffen mit der Retrospektive „Joe Tilson: Pop to Present“ an der Royal Academy of Arts gewürdigt, deren Mitglied er seit 1991 war. Zudem unterrichtete der experimentierfreudige und intellektuelle Künstler an der St. Martin’s School of Art und der Slade School of Fine Art in London und war 1971/72 Gastdozent an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg. |