„Klein, schwarz, untersetzt, unruhig, mit dunklen stechenden Augen, ausladende Gesten, kleine Füße und kleine Hände“. So beginnt das Gedicht „Picasso“, in dem Max Jacob, der Künstlerfreund und zeitweilige Zimmergenosse Pablo Picassos, 1935 nicht nur das Aussehen sondern auch das Naturell Picassos ausführlich beschreibt. Ein Mann zwischen Anmut und Misstrauen, Trauer, Schmerz und Großherzigkeit. Kurzum, ein Mann voller ausgelebter Emotionen und Widersprüche. Dass so einer, zumal wenn er von Jahr zu Jahr berühmter wird, die Fotografen geradezu herausfordert, ihn in den unterschiedlichsten Situationen und Posen zu porträtieren, liegt auf der Hand. Auch wenn er im klassischen Sinne keine Schönheit war: Picasso fesselte durch seinen überwachen, durchdringenden Blick und sein unverwechselbares Charisma.
Rund 250 Picasso-Porträts weltberühmter Fotografen versammelt jetzt die Ausstellung „Ichundichundich“ im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Ob Richard Avedon, Henri Cartier-Bresson, Arnold Newman oder Irving Penn – viele großen Fotografen des 20. Jahrhunderts sind vertreten. Aber auch auffällig viele bekannte Fotografinnen wie Denise Colomb, Lee Miller, Inge Morath oder Picassos langjähriges Modell und Muse Dora Maar waren von der magischen Attraktivität des kleinwüchsigen Spaniers fasziniert. Den Machern der Schau geht es allerdings nicht einfach nur um ein best of der Picasso-Fotografie. Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen die subtilen Selbstinszenierungsstrategien Picassos, der stets darauf bedacht war, sein öffentliches Image zu kontrollieren und zu steuern. Esther Ruelfs, die neue Leiterin der Fotosammlung am Museum für Kunst und Gewerbe, die die Ausstellung, die am Kölner Museum Ludwig erarbeitet wurde, in Hamburg gehängt hat, fasst zusammen: „Ein Leitthema der Ausstellung ist die Frage: Wieviel Anteil hat der jeweilige Fotograf, wieviel hat der Porträtierte?“ Und Kerstin Stremmel vom Museum Ludwig ergänzt: „Eine Frage hat uns bei der Konzeption der Ausstellung immer wieder angetrieben: Wer setzt sich durch? Der Fotograf in seiner Darstellung oder Picasso mit seiner Selbstdarstellung?“
Einen Schwerpunkt der facettenreichen Schau bilden Aufnahmen aus der Pariser Zeit etwa von Jean Cocteau, Man Ray oder Brassaï. Während Picasso bei Cocteau oder Man Ray eher als unternehmungslustiger Lebemann im Kreise seiner Freunde auf der Straße oder bei Kostümfesten zu sehen ist, widmet sich der ebenfalls den Surrealisten nahestehende Künstlerfreund Brassaï verstärkt der Künstlerpersönlichkeit und ihrem Umfeld. Brassaï fotografierte Picasso bei nahezu jeder Gelegenheit: offensichtlich erschöpft von der Arbeit, neben dem Achtung gebietenden, gusseisernen Atelierofen sitzend, als fein gekleideten Gentleman in seiner großbürgerlichen Wohnung, als Bonvivant in der Brasserie Lipp oder dem Café Flore. Für die Zeitschrift „Le Minotaur“ fotografierte Brassaï 1933 Picassos Atelier: mal sorgsam, mal lässig arrangierte Gegenstände. Der Künstler selbst ist zwar abwesend, seine starke Persönlichkeit aber vermittelt sich allein über die gezeigten Objekte. Die Pariser Aufnahmen zeigen sicherlich den eher unverfälschten Picasso. Fotografiert von Menschen, die ihm persönlich nahe standen, gibt sich Picasso natürlich und unverstellt.
Mit der zunehmenden Berühmtheit und seinem endgültigen Umzug nach Südfrankreich 1948 steigert sich Picassos Inszenierungsdrang ganz offensichtlich. Jetzt besuchen und bedrängen ihn regelmäßig die wichtigen Porträt- und Gesellschaftsfotografen der großen internationalen Illustrierten und Magazine. Dass er deren unstillbaren Bilderhunger mit immer neuen Posen, Maskeraden und teils auch albernen Clownerien bediente, um anschließend wieder seine Ruhe zu haben, erscheint aus heutiger Sicht eher als natürlicher Schutzmechanismus eines zwar im Rampenlicht stehenden, letztlich aber um seine Privatsphäre besorgten Künstlers. Dass Pablo Picasso „nach außen hin überfreundlich zu den Besuchern“ war, sie „im Grunde aber zum Teufel wünschte“, hatte Max Jacob schon 1935 in seinem eingangs erwähnten Gedicht festgehalten.
Die Ausstellung „Ichundichundich – Picasso im Fotoporträt“ läuft vom 13. Juli bis zum 21. Oktober. Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg hat dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 21 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 8 Euro, ermäßigt 5 Euro; für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahre ist er frei. Der Katalog ist im Hatje Cantz Verlag erschienen und kostet 34 Euro. |