Restitution in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen  |  | Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, hat Müllers „Bauernstube“ an Miriam Friedmann überreicht | |
Die Ölstudie einer „Bauernstube“ des Malers Ernst Immanuel Müller ist gestern von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen an die Erben von Ludwig und Selma Friedmann restituiert worden. Stellvertretend nahm Miriam Friedmann im Schaezlerpalais in Augsburg das vor 1915 entstandene Bild entgegen. Ihre Großeltern waren Bürger Augsburgs, ihre Enkelin lebt dort wieder. Ernst Immanuel Müller (1844-1915) war ein in München und Frankfurt tätiger Künstler, der unter anderem oberbayerische Volkstypen in Tracht wie Zitherspieler oder Jäger festhielt. Der Schüler Carl von Häberlins, Ludwig von Löfftz’ und Wilhelm von Lindenschmits d.J. konzentriert sich in der „Bauernstube“ auf die feine Wiedergabe des einfachen dunkelbraunen Holzmobiliars einer Zimmerecke mit Kommode, Hocker und Regalen.
Die jüdische Familie Friedmann führte in Augsburg seit 1872 einen Wäschegroßhandel. Ludwig Friedmann, Jahrgang 1880, heiratete 1911 Selma Fromm und hatte mit ihr vier Kinder. Am 4. Juni 1919 erwarb Ludwig Friedmann bei der Galerie Heinemann in München Müllers „Bauernstube“. Unter den Nationalsozialisten wurde die Familie verfolgt, was unter anderem zum Zwangsverkauf des Wäschegroßhandels und weiterer Vermögenswerte führte. 1943 stand die Deportation von Ludwig und Selma Friedmann an, ihre Kinder lebten zu diesem Zeitpunkt bereits im Ausland. Einen Tag vor der angekündigten Verhaftung begingen beide Suizid. Die damals noch im Besitz des Paares befindliche Studie Müllers wurde gemeinsam mit den restlichen Vermögenswerten vom Finanzamt Augsburg „zur Verwertung“ eingezogen. Das Bild kam durch die Vermittlung von Hans Buchheit, Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, in die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Im Mai 1943 wurde diese „fein und intim gemalte, künstlerisch wertvolle Arbeit eines Münchener Malers“ für 128,40 Reichsmark erworben.
Im Mai 2017 startete das Referat Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen eine erneute Überprüfung der Erwerbungen zwischen 1933 und 1945, da sich die Forschungsgrundlagen seit den letzten Untersuchungen dieses Bestands vor anderthalb Jahrzehnten weiterentwickelt haben. 2017 konnte die lückenlose Provenienzkette für Müllers „Bauernstube“ erstellt werden, die die Grundlage zur Restitution des Bildes an die Familie Friedmann ist. |