In der Ausstellung "Fichtental" präsentiert die Galerie die 1972 in Kaunas/Litauen geborene Künstlerin Patricija Gilyte. Der Titel der Ausstellung "Fichtental" ist nicht nur ein wohlklingender Name, sondern stellt für die Künstlerin zugleich eine programmatische Position dar. So bedeutet "Tal" für sie eine Metapher für das Absteigen (ins Tal) und das Aufsteigen (aus dem Tal), ebenso wie die winterliche Jahreszeit, während der die Werke gezeigt werden, ein Synonym für den Ab-
stieg und Aufstieg ist. So wie die Natur erst die tiefste und dunkelste Zeit des Jahres mit der längsten Nacht durchleben muss, bevor wieder neues Leben entstehen kann. Diese Sichtweise des Naturrhythmus von Vergehen und Entstehen legen auch die düsteren Mythen des Nordens nahe, in denen dunkle Schatten und silbrig glänzende Lichter ein Gefühl von Weite und Ferne vermitteln und so etwas wie die "Sehnsucht nach einem versteckten Horizont" heraufbeschwören. Und damit Geschichten voller Rätsel und Poesie assoziieren.
Die Künstlerin verwendet stets für ihre komplexen Installationen aus Video und Skulptur Materialien und Farben, die für sie einen Bezug zur jeweiligen Jahres-zeit haben. So setzt sie verstärkt weiße, grüne, schwarze oder silberne Farbtöne ein, benützt Materialien wie Wachs, Zucker, Gips, Aluminium oder Schaumstoff. Ein Anliegen der Künstlerin ist es, die Medien Video und Skulptur eng miteinander zu verschränken, um daraus ein neues eigenständiges Kunstgebilde entstehen zu lassen.
Um Gilytes Werk besser zu verstehen, ist es wichtig, ihre Sozialisation im ehemaligen sowjetischen Litauen zu kennen. Diese Jahre erlebte sie als Zeit ohne äußeren Glanz, jedoch voller Schwingungen von Geheimnisvollem, intuitivem Begreifen und großer Stille. Litauer besitzen eine besondere Beziehung zum Wald, die stark der deutschen Wahrnehmung von Wald in der Zeit der Romantik ähnelt. Wald wird nicht nur als reine Natur empfunden, sondern steht für Werte wie Freiheit, Innerlichkeit, Heimatverbundenheit und Einheit.
Gleich den Weltmeeren erstreckt sich der Wald von einem Land zum anderen, ohne nationale Grenzen zu beachten. So wirkt er wie ein Bindeglied zwischen den verschiedenen Kulturen. Und so stellt der Wald für Gilyte auch eine Brücke zu ihrer Heimat Litauen dar. Dieses nicht-statische Element des Waldes tritt auch in ihrem Video "Hinter der Donau" auf. Menschen stehen auf einer uferähnlichen Anhöhe, halten vor sich Fichten in die Höhe, hinter denen sie scheinbar verschwinden, jedoch auch immer wieder hervorscheinen. Dass die Bäume entwurzelt sind, verleiht der Videoarbeit noch eine weitere Ebene, deutbar als sichtbares Zeichen von Migration.
Zu den bevorzugten Materialien Gilytes gehört der Schaumstoff. Die extreme Biegsamkeit und Anpassungsfähigkeit des Stoffes verwendet sie häufig in ihren Performances, wie zum Beispiel im Video Squirrel 1,2,3, in dem geformte Schaumstoffobjekte gleichsam wie Eichhörnchen durch das Geäst von Bäumen tanzen. Schaumstoff ist ein Material, das im Lauf der Zeit seine weiße Farbe verliert, vergilbt und eine hautähnliche Porösität entwickelt. Das weiche Material, das die Künstlerin u.a. zur Körperabformung verwendet, enthält eine Materialnarra-tion, die sie für ihre skulpturalen Erzählungen einsetzt. Alexander Hochreuther
1972 geboren in Kaunus, Litauen; 1991-97 Kunstakademie Vilnius/Kaunas Kunstinstitut, Kaunas, Litauen; Bachelor of Arts, 1995; Master of Arts 2000; 1997-04 Akademie der Bildenden Künste München bei Prof. Prangenberg + Prof. Gerhart; Diplom 2005; 2006-07 Lehrauftrag, Kaunas Kunstinstitut, Kaunas,, Litauen; lebt und arbeitet in München and Kaunas, Litauen
Preise und Stipendien:1998 Stipendium für ausländ. Studenten, Bayerisches Kultusministerium; 1998-99 Stipendium des Kultusministeriums, Litauen; 2001 1. Preis Danner Stiftung; 2005 Projektstipendium vom Kulturreferat München und BMW; 2005 Auszeichnung, Kaunas Kunstbienale, Litauen; 2007 Stipendium des Kunstvereins Ebersberg, gesponsert von der Sparda Bank München; Projektstipendium der Gisela & Erwin Steiner Stiftung München; 2008 Atelierstipendium des Kulturreferats der Stadt München; Debütanten-Preis des Bayerischen Kultusministeriums (mit Katalogförderung); 1. Preis "moved wind", Landkreis Waldeck-Frankenberg; 2009 Europäisches Kunststipendium des Bezirk Oberbayern für Polen; Einladung von Quivid der Stadt München für einen Kunst-am-Bau-Entwurf; 2010 zweijähriges Atelierstipendium der pro arte Kunststiftung Ulm