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Koller Auktionen freut sich, an seiner Auktion für Möbel & Dekoration vom 18. September ein Bureau-Plat des bedeutendsten französischen Ebenisten André-Charles Boulle anbieten zu dürfen. Es handelt sich um die Entdeckung eines bisher unbekannten Meisterwerks sowie um die weltweit erste Versteigerung eines Pultes von Boulle seit 2005. Die Schätzung für das museale Möbel liegt bei CHF 1,5 bis 2,5 Mio.
Im frühen 18. Jahrhundert lieferte André-Charles Boulle, erster Ebenist am Hofe des Sonnenkönigs Louis XIV, eines seiner prestigeträchtigen Pulte («Bureau-Plat») einer französischen Familie. Dort blieb es, wurde im Laufe der Jahrhunderte innerhalb der Familie weitergegeben und gelangte schliesslich in Westschweizer Schlossbesitz, wo es Koller Auktionen entdeckte und nun zur Auktion eingeliefert erhielt. Die hervorragende Qualiät des Pultes, die lückenlose Provenienz sowie die Tatsache, dass das Möbel dem Kunstmarkt und der Forschung bisher unbekannt war, machen die aktuelle Entdeckung zu einer Sensation.
Prunk-Bureau-Plat «aux têtes de satyre»
Die grossen, vierbeinigen Bureau-Plats von André-Charles Boulle lassen sich in drei Kategorien einteilen: Pulte mit eingerollten Eckbronzen, Pulte mit «têtes de femme» und Pulte mit «têtes de satyre». Letztere fertigte Boulle bereits ab 1690 in diversen Varianten an, weshalb sie die umfangreichste Kategorie darstellen. Zu ihnen gehört auch das bei Koller Auktionen am 18. September angebotene Exemplar. Dieses wurde um 1720 in der Formensprache der Régence geschaffen, ist 195x98x80 cm gross, aus Ebenholz sowie rotem und braunem Schildpatt gefertigt und besticht durch ausserordentlich feine Messingeinlagen in Form von Blumen, Kartuschen und Blättern. Das Blatt ist mit schwarzem Leder bezogen und liegt auf den typischen, markant geschweiften Beinen. Namensgebend sind die üppigen Bronzebeschläge, gestaltet als Satyrn, Maskaronen, Blätter und Zierfriese.
Sämtliche bekannten Pulte «aux têtes de satyre» befinden sich heute in den namhaftesten Museen der Welt. Ein dem nun bei Koller angebotenen fast identisches Bureau-Plat erwarb 1985 sodann das J. Paul Getty Museum in Los Angeles. Weitere vier Exemplare befinden sich in der königlichen Sammlung auf Schloss Windsor, in der Wallace Collection in London, im Budapester Museum der Künste sowie in der Frick Collection in New York. Von Boulle geschaffene Pulte finden sich ferner äusserst selten in Versteigerungen. Letztmals kam am 14. Dezember 2005 anlässlich der berühmten Wildenstein-Auktion in London ein vergleichbares Bureau-Plat in eine Auktion. Der Erlös belief sich damals auf 2,9 Millionen Pfund.
Begehrt waren die exklusiven Bureau-Plats von André-Charles Boulle bereits unter den wichtigsten Exponenten seiner Zeit. So reicht die Liste ihrer Erstbesitzer von Familienmitgliedern von König Louis XIV, über König Philip V. von Spanien, den Prinzen von Condé, Kardinal-Prinz von Rohan, die Financiers-Familie Bernard bis hin zu den Ministern von Louis XV, wie dessen berüchtigten Finanzminister, Abt Joseph Marie Terray. Die frühe Popularität der Pulte ist ferner auch in den zahlreichen bildlichen Darstellungen aus dem 18. Jahrhundert festzustellen.
Zu André-Charles Boulle und seiner Arbeit
André-Charles Boulle wurde am 10. November 1642 in Paris geboren, wo er am Samstag, 1. März 1732 verstarb. Seine lange und erfolgreiche berufliche Karriere als Ebenist macht ihn zu einem der wichtigsten Persönlichkeiten der Kunstgeschichte unter König Louis XIV und der Régence-Epoche. Dieser Erfolg ist neben der vollendeten Ästhetik seiner Möbel insbesondere einem ambitionierten Unternehmenskonzept zu verdanken, wonach Boulle als «Designer» exklusiver Möbel aus innovativsten Materialien amtete und seine Entwürfe von den bedeutendsten Handwerkern und Künstlern in seiner Werkstatt umsetzen liess. Dabei kontrollierte Boulle die Produktion und garantierte deren Einheitlichkeit. Bereits mit 29 Jahren erhielt er auf Anweisung von Louis XIV und per Dekret Maria Theresias am 20. Mai 1672 eines der begehrten «logements» unter der Galerie des Louvre, wo er bis ins hohe Alter tätig war.
Dass er noch mit 78 Jahren 17 Bureau-Plats gleichzeitig koodinieren konnte, ist zudem auf den hohen Grad der Arbeitsorganisation zurückzuführen, die er nach Produktionsengpässen und Konflikten mit Händlern in seiner Werkstatt einführte. So entgegnete er der äusserst zeitintensiven Herstellung von Luxusmöbeln mit einer Vorfertigung. Die Möbel, allen voran die Bureau-Plats, lagerten in einer Art Rohzustand, in der sie in ihrer Grundstruktur fertiggestellt, jedoch nur teilweise markettiert und noch nicht mit Bronzebeschlägen verziert waren. So war es Boulles Werkstatt möglich, die Möbel trotz Termindrucks gemäss der Kundenwünsche anzupassen und fertigzustellen.
Bei allem Erfolg zwangen André-Charles Boulle jedoch wiederkehrende finanzielle Schwierigkeiten wie ausstehende Lohnauszahlungen an seine Arbeiter und Steuerprobleme dazu, das Unternehmen 1715 an vier seiner Söhne zu überschreiben – allerdings ohne die Zügel aus der Hand zu geben. |