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Dieses beeindruckende Gemälde, das kürzlich in einer Schweizer Privatsammlung wiederentdeckt wurde, ist ein Vanitas-Stillleben, das den Betrachter dazu ermutigen soll, über die Vergänglichkeit des Lebens, und über die Eitelkeit irdischer Genüsse zu sinnen. Das „Memento Mori“ zählte in der Kunst dieser Zeit zu den vergleichsweise häufig verwendeten Themen und so waren ihre Betrachter auch mit den dazugehörigen Symbolen, die auf die Vergänglichkeit des Lebens verweisen, vertraut. Doch abseits des Offensichtlichen vollzog sich eine subtilere und für die Zeit weniger übliche soziokulturelle Entwicklung, die unter anderem auch Einzug in die Thematiken des Stilllebens hielt: eine Abscheu vor den Schrecken des Krieges, und eine Verurteilung des Allmächtigen französischen Königs, Louis XIV (1638-1715).
Diese unterschwellige Symbolik bezieht sich eindeutig auf die geschichtsträchtige Invasion der spanischen Niederlande durch die französischen Truppen unter Ludwig XIV. in den Jahren 1667/68. Der junge französische König nutzte die Gunst der Stunde und erhob nach dem Tod des spanischen Königs Philipp IV. (1605-1665), Anspruch auf Ländereien, die ihm, wie er behauptete, durch seine Eheschliessung mit Maria Theresia, Philipps Tochter, rechtmässig zustanden.
Das hier vorliegende Stillleben übt deutliche Kritik an der Eroberungspolitik von Ludwig XIV. Es ist ein Dokument der persönlichen Betroffenheit eines von den Kriegswirren in den spanischen Niederlanden betroffenen Malers um 1667/68.
Die Memento Mori-Symbolik wird in diesem Gemälde von einem ganzfigurigen Skelett – als Darstellung des Todes – dominiert. Mit seiner linken Hand löscht es eine Kerze aus, die als Symbol des Lebens verstanden werden darf. In seiner rechten Hand hält es ein Blatt Pergament, auf dem die „Devise Statutum est Omnibus hominibus Semel Mori“ (Es wurde daher beschlossen, dass jeder einmal zu sterben hat) geschrieben steht. Diese verweist auf den unausweichlichen Tod jedes Einzelnen. Das aufgeschlagene Buch zu den Füssen des Skeletts ermahnt mit dem Dargestellten vor der ewigen Bestrafung der Verdammten. Weiter setzt der Künstler auf eine Reihe von Symbolen, die zum einen auf die Freuden des Lebens und zum anderen auf den Tod verweisen: drei Schädel und eine Reihe von Zeitmessern – als Zeichen für die Vergänglichkeit des Lebens - reihen sie sich zwischen Musikinstrumenten, Spielkarten, Würfeln und Rosenblüten ein. Die Lebensfreude erfährt durch die harte Realität ein plötzliches Ende, was beispielsweise durch die Präsenz der Trompete impliziert wird, die Bezug auf die französische Invasion von 1667/68 nimmt.
Besonders auffällig an der Symbolik dieser Arbeit ist jedoch nicht nur die offensichtliche Verurteilung des Kriegsgeschehens im Allgemeinen, sondern auch der Verweis auf die Protagonistenrolle eines einzelnen im Geschehen: der französische König Ludwig XIV. So sind das Zepter und die französische Krone - als Machtsymbole des Sonnenkönigs - prominent mit Schädeln und anderen Darstellungen des Todes abgebildet. Das Skelett steht dabei neben einer französischen Reiterstandarte einer königlichen Gardeeinheit mit dem königlichen Doppelwappen Bourbon-Navarra und umrahmt von den Ordensketten des Heiligen Michael und des Heiligen Geistes. Doch anstelle eines selbst verherrlichenden Mottos, das normalerweise darunter geschrieben steht, findet sich hier eine strenge Mahnung aus dem Buch Hiob „Homo natus de muliere brevis vivens“ (Der vom Weibe geborene Mensch lebt nur kurze Zeit).
Das Memento Mori-Gemälde soll den Betrachter stets daran erinnern, dass der Tod keinen Unterschied zwischen Reich und Arm macht und in Luyckxs Beispiel sich gar eine direkte Verurteilung des jüngsten Gewaltaktes gegen sein Volk erkennen lässt. Darauf verweist sowohl die Verwendung von königlichen französischen Waffen und Kriegsausrüstungen - wie die bereits erwähnte Trompete und der Offiziersharnisch – als auch ihre enge Gegenüberstellung mit Geräten der Bauernschaft - wie Dreschflegel, Hirtenstab und der hölzerne Essnapf.
Luyckx, aus dessen Oeuvre hauptsächlich schlichtere Vanitas Stillleben bekannt sind, offenbart sich in diesem Gemälde als ein Meister der komplexen und fein gestalteten Symbolik. Weiter darf er als ein Künstler bezeichnet werden, der mit offensichtlichem Bezug zur Zeitgeschichte malte und mit persönlicher Betroffenheit mit den Kriegswirren und der Schere zwischen Arm und Reich in den spanischen Niederlanden jener Zeit zu kämpfen hatte. Am Ende so scheint es, findet er nur Trost in dem Zitat von Horace, das in den steinernen Sockel im Zentrum des Stilllebens eingraviert ist: „Pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas regumque turres“ (Der blassen Tod klopft mit gleichem Fuss an die Schenken der Armen und die Türme der Reichen). |