Schallers Werkserien sind ausschließlich Innenansichten von Büros, Zimmern und Künstlerateliers.
Matthias Petrus Schaller fotografierte in der Kurie des Vatikans in Rom die Büros der Kardinäle des verstorbenen Papst Johannes Paul II. Jeder dieser Kardinäle ist zuständig für ein „Ministerium“. Im Zentrum der stringenten formellen Serie steht immer ein Kardi-nalsschreibtisch, entleert bis auf einige wenige Spuren, die sich auf dessen Amt beziehen. Aufbauend auf die Tradition der in der Renaissance üblichen Darstellung der Kirchenväter Hl. Hieronymus und Hl. Augustinus von z.B. Vittore Carpaccio und Antonello da Messina verbindet Schaller die Renaissancesymbolik mit ihren zeitgenössischen Pendants und schafft somit ein neuartiges und komplexes Portrait.
2002/03 entstand in Neapel eine Serie von „Portraits“, diesmal von Kleinkinderzimmern der sozial höher gestellten Familien. Diese Kleinkinderzimmer, im Geschmack der Eltern eingerichtet, zeigen mehr auf die Eltern und deren Vorstellungen als auf das Individuum des heranwachsenden Kindes und weisen gleichwohl auf die zeitliche Begrenzung dieser Zimmer hin. Ein Bild eines Kinderzimmers eben ohne dem Kind, oder der Mutter darin wirkt auf den Betrachter entrückt und fast gespenstisch. Gezielt richtet Schaller den Blick auf diese makellosen Räume dieser Traumlandschaften.
In Venedig entstand 2004-2005 eine Serie von Innenansichten venezianischer Häuser, die sich mit dem langsamen Verschwinden der ursprünglichen Einwohner der Stadt auseinandersetzt. Viele dieser Palazzi und Häuser stehen heute fast leer und werden an Touristen vermietet. Hier sind nur noch die letzten Spuren der einstigen Besitzer erkennbar und trotzdem sucht der Betrachter in seiner Vorstellung nach der Geschichte der historischen Prachtstadt und deren Einwohner.
Matthias Petrus Schallers Arbeiten sind „Porträts“ ohne Modell, die gleichwohl in der Ver-sammlung von Gegenständen, der Ausbreitung von Accessoires und nicht zuletzt in der Wahl des Blickwinkels, im weitesten Sinne durch Rückschlüsse also, den „Protagonisten“ umschreiben – im Sinne der circumscriptio. Der Betrachter wird sofort mit seinen eigenen Vorstellungen und Assoziationen über das Leben eines Individuums konfrontiert und sucht nach Spuren in Schallers Bildern, die diese bestätigen. Gleichzeitig arbeitet Schaller mit der Idee des Historischen und des Zeitlich bestimmten, die die Fotografie wie kein anderes künstlerisches Medium innehält.
Schallers Fotografien scheinen, indem sie eine neue Versuchsanordnung erproben, eine Summe aus all den Erfahrungen der Porträttradition zu ziehen und zugleich auf die jüngere These vom „Verschwinden“ oder des „Verlusts“ des Autors zu antworten: sie bestimmen das Zimmer/Atelier/Büro selbst zum Porträt, zum stellvertretenden Bildnis.
Biographie
lebt zwischen New York und Venedig
M.A. in Visual Anthropology, Universität Göttingen, Hamburg, Siena.
"Ci Art Award 2004", Jury: Thomas Weski, Heinz Liesbrock, Germany