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Zum 20. Todestag von Gerhard Marcks Renaissance der griechischen Antike
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| | Gerhard Marcks, Gefesselter Prometheus II, 1948 | |
Gestern jährte sich zum 20. Mal der Todestag des deutschen Künstlers Gerhard Marcks. Er zählt zu den wohl bedeutendsten deutschen Bildhauern des 20. Jahrhunderts. Zum umfangreichen Œuvre des Bildhauers, der am 13. November im Alter von 92 Jahren starb, zählen Plastiken, Druckgrafiken, Holzschnitte und Zeichnungen. Marcks hatte sich in fast allen seinen Werken der Darstellung des Menschen verschrieben und orientierte sich hierbei an der Natur und den Vorbildern der griechischen Antike.
Gerhard Marcks wurde am 18. Februar 1889 in Berlin als viertes Kind eines Kaufmanns geboren. Schon als kleiner Junge war er ein enthusiastischer Zeichner. Seine ersten „Modelle“, Tiere des Zoologischen Gartens in Berlin, lehrten den jungen Künstler, Geduld und Ausdauer zu haben. Marcks fand schnell Kontakt zum progressiven, international orientierten Nachwuchs der Bildhauer Berlins und lernte 1907 Richard Scheibe und Georg Kolbe kennen. Im selben Jahr fing er in Richard Scheibes Atelier an und aus der Zusammenarbeit der beiden entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft. Zu dieser Zeit wendete sich der achtzehnjährige Marcks auch der Bildhauerei zu. Die Reformideen in der deutschen Plastik von Adolf von Hildebrand gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die Skulpturen Auguste Rodins und die Aktfiguren Aristide Maillols bildeten Orientierungspunkte im weiteren Schaffen des jungen Künstlers.
Schon in den frühen Werken zeichnete sich Marcks Begabung ab. Zunächst zeigten seine Plastiken ausschließlich tierische Gestalten. Im Vorfeld zu diesen Arbeiten fertigte der Künstler Skizzen und anatomische Detailstudien an, bevor er sich an die Umsetzung seiner Ideen setzte. Diese Methode wurde zu seinem Markenzeichen. 1908 hatte Marcks seine erste Ausstellung, die auch gleich durch den ersten Verkauf einer Skulptur gekrönt wurde. Gerhart Hauptmann kaufte die „Löwin“. Seit 1910 setzte sich Marcks neben seinen Tierplastiken zunehmend auch mit dem menschlichen Körper auseinander. Dabei befähigte ihn ein intensives Anatomie- und Aktstudium dazu, die körperlichen Formen gestalterisch umzusetzen.
Marcks’ erste Schaffensperiode endete 1914 mit seiner Einberufung in den Ersten Weltkrieg. 1915 kehrte er jedoch schwerkrank zurück und beschränkte seine Arbeiten bis 1918 auf Terrakotten und glasierte Tierkeramiken. Anhand von Aktzeichnungen, die er von seiner Frau Maria anfertigte, versuchte Marcks den weiblichen Akt zu lernen. Die plastische Umsetzung dieser Skizzen sollte jedoch erst Jahre später erfolgen. Im Dezember 1918 begann er seine Lehrtätigkeit an der Berliner Kunstgewerbeschule. Seine Ansichten bezüglich einer Reformierung der künstlerischen Ausbildung hin zu einer handwerklichen Ausrichtung machten Walter Gropius auf ihn aufmerksam. Der Begründer des Staatlichen Bauhauses in Weimar teilte Marcks’ Einstellungen und rief ihn daraufhin im April 1919 an das Bauhaus. 1920 gründete Gerhard Marcks jedoch in Dornburg die Töpfereiabteilung des Bauhauses, die er bis 1924 leitete. Der Wegzug aus Weimar hatte sowohl gesundheitliche als auch persönliche Gründe, die zum Teil auf Auseinandersetzungen mit Walter Gropius zurückzuführen waren. In Dornburg konnte der Künstler ungestört seinen pädagogischen Vorstellungen und seinem eigenen künstlerischen Schaffen nachgehen. Während dieser Zeit versuchte er seine Plastiken mit expressionistischen Stilmitteln zu mischen, um so die Ausdruckskraft zu perfektionieren. Bereits 1918 konnte man diese Einflüsse erkennen, die er mit dem Eintritt ins Bauhaus zum wichtigen Bestandteil seines bildhauerischen Gestaltens machte. Mit dieser Lösung vom Figürlichen und hin zur Abstraktion unterwarf er sich einem zeitgenössischen Kunsttrend.
Ein befreundeter Bauhaus-Kollege, Lyonel Feininger, begeisterte Marcks für den Holzschnitt und die Dornburger Umgebung bot ihm dafür das entsprechende Material. So kombinierte er Expressionismus und Holzschnitt auf harmonische Weise. Die Holzskulptur „Stehende Frau“ (1922) sowie das vergoldete Relief „Frau mit Säugling“ zeugen von diesen Einflüssen und drücken Vitalität und Natürlichkeit aus. Sie sind rare Repräsentanten dieser Kunstrichtung in Deutschland. Die Darstellung der Mutter-Kind-Beziehung war eines der zentralen Themen in Marcks’ Werken. Die Eindrücke, die er bis 1924 in dieser Gegend sammelte, spiegeln sich eindeutig in der Motiv- und Materialwahl seiner Arbeiten aus dieser Zeit wider. Ging Marcks in der Darstellung seiner Skulpturen mit der „Mode“ der zeitgenössischen Abstraktion, so konnte er in der Gestaltung seiner Holzschnitte den Traditionen, nämlich den Blockbuchvorlagen und deren Illustrationen des 15. Jahrhunderts, treu bleiben.
Politische Bewegungen zwangen das Bauhaus im Dezember 1924 zu schließen, woraufhin Marcks 1925 eine Professur an der Kunstgewerbeschule auf Burg Giebichstein in Halle annahm. Dort verlagerte er sein künstlerisches Schaffen wieder mehr auf die Bildhauerei. Während dieser Zeit änderte sich auch die Marckssche Plastik bedingt durch persönliche Veränderungen und kunsthistorische Umschwünge. Marcks sah in seinen ursprünglichen Bestrebungen, die Vorbilder der künstlerischen Darstellung in der Natur zu suchen, wieder eine Zukunft. Dieser Umstand bewog ihn dazu, sich von der expressionistischen Kunst zu distanzieren und sich erneut realistischen, naturalistischen Darstellungen zu widmen.
Reisen waren entscheidend im Leben des Bildhauers und hinterließen einen bleibenden Eindruck bei ihm. Die Ausdrucksformen der unterschiedlichen Kulturen faszinierten den Künstler und motivierten ihn dazu, ähnliche Techniken und Darstellungen bei seinen eigenen Werken auszuprobieren. So war seine Griechenlandreise vom März bis Mai 1928 ein einschneidendes Erlebnis. Die Kunst des antiken Griechenlands, vor allem die der Archaik, interessierten ihn. Er setzte sich mit der griechischen Plastik des 7. und 6. Jahrhunderts vor Christus auseinander, wahrte jedoch dem klassizistischen Schönheitsideal gegenüber immer eine Distanz. Damit unterschied er sich von den Werken Georg Kolbes, der durch sein Bestreben, ideale Körperformen zu gestalten, für die faschistische Kultur- und Kunstpolitik missbraucht wurde. Marcks sah die Plastik als „eine Sache der Gewichte und Proportionen“, was bei seiner Umsetzung der menschlichen Gestalt in allen seinen Skulpturen eine große Rolle spielte. In den lebensgroßen Bronzestatuen „Thüringer Venus“ (1930) oder „Gefesselter Prometheus II“ (1948) kommt dies zum Ausdruck und spiegelt die antiken Einflüsse wider. Marcks gelang es dabei, diese antiken Traditionen modern zu interpretieren.
Vor den Auswirkungen der nazistischen Kultur- und Kunstpolitik blieb auch die Kunstgewerbeschule nicht verschont. Marcks wurde im Juli 1933 entlassen, woraufhin er sich mit seiner Familie nach Niehagen zurückzog und 1934 als Stipendiat der Villa Massimo nach Rom ging. Zur selben Zeit wurde in Deutschland der nationalsozialistischen Regierung nicht genehme Kunst, wie die von Marcks, von der Öffentlichkeit ferngehalten. Einige Galeristen wie der Berliner Buch- und Kunsthändler Karl Buchholz versuchten weiterhin, Arbeiten geächteter Künstler auszustellen. Bei der offiziellen Plünderungsaktion der „Entarteten Kunst“ durch die Nazis 1937 wurden über 20 Arbeiten von Marcks beschlagnahmt. Zwei seiner Plastiken wurden sogar in der berüchtigten Ausstellung „Entartete Kunst“ in München gezeigt. Der Bildhauer durfte fortan nicht mehr ausgestellt werden und ihm wurde Arbeitsverbot angedroht. Diese Ereignisse hielten ihn jedoch nicht davon ab, seine Ideen gestalterisch umzusetzen, sondern flossen in die Gestaltung mit ein. Der Tod seines Sohnes an der Front in Russland brachte Marcks dazu, sich immer wieder mit dem Motiv des gefesselten Jünglings auseinander zu setzen, so in „Ver sacrum“ von 1943.
1937 kehrte der mittlerweile 48jährige Künstler nach Berlin zurück, wo er 1939 eine eigene Werkstatt einrichtete. Hier entstanden die lebensgroßen Bronzeakte wie „Maja“ (1942). Sie war eine der wenigen Plastiken, die Marcks 1943 aus dem zerbombten Atelier nahezu unbeschädigt retten konnte. Die Vorgänger des „Gefesselten Prometheus II“ von 1943 und 1944 wurden zerstört. Nur zwei Jahre später wurden 17 Kisten früherer Arbeiten, die bei Freunden deponiert waren, geplündert und ebenfalls zerstört. Doch trotz dieser Schicksalsschläge verlor Marcks nie seine Kraft, weiterzumachen. Ab 1946 widmete sich der Berliner ausschließlich der Ausbildung des Nachwuchses in Köln. In den folgenden Jahrzehnten fertigte Marcks Bronzetüren für die Marktkirche in Hannover (1958) oder das Magdeburger Kloster Unter Lieben Frauen (1975) an, in denen er Plastik und Architektur zu einer harmonischen Kombination vereinen konnte. Zum Gedächtnis der Opfer des Zweiten Weltkrieges wurde Marcks beauftragt, Mahnmale wie die „Trauernden“ (1949) in Köln anzufertigen.
1950 ließ sich Marcks als freischaffender Künstler in Köln nieder und widmete sich einzig und allein seiner Kunst, mit der er versuchte sein Verständnis des Menschen dem Betrachter näher zu bringen. In dieser Zeit entstanden „Adam“ (1954) und „Orpheus“ (1959). In der Nachkriegszeit entdeckte Marcks für sich auch den Holzschnitt neu und erstellte Illustrationen zur „Odyssee“ des Homer (1963, 1976) und zu den Tierfabeln von Äsop (1950). In seinem Leben gestaltete Marcks rund 1100 Plastiken, davon etwa ein Drittel zwischen 1960 und 1979.
Trotz der konstanten Anerkennung zu Lebzeiten blieb Marcks mit seinem Schwerpunkt der realistischen, naturalistischen Darstellungsformen stets ein Außenseiter. Die Bildhauerkunst der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ließ sich bedingt durch den Schwerpunkt auf dieser humanistischen und realistischen Darstellung durch seine Werke beeinflussen.
Am 13. November 1981 verstarb Gerhard Marcks in Burgbrohl, Eifel, und hinterlässt eine umfassende Kunstsammlung, die seinesgleichen sucht. 1971 widmete Bremen ihm ein Museum, das Gerhard-Marcks-Haus. Sein Nachlass an die Einrichtung umfasst 350 Skulpturen, 12.000 Handzeichnungen und über 1000 Blätter Druckgraphik. Das Museum hat dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet.
Das Gerhard-Marcks-Haus - Bremer Bildhauermuseum
Am Wall 208
D-28195 Bremen
Telefon: +49 (0)421 - 32 72 00
Telefax: +49 (0)421 - 3 37 86 75
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www.marcks.de | |
14.11.2001 |
Quelle/Autor:Kunstmarkt.com/Melanie Kalwa | |
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