Eine kleine Firmengeschichte
München (kk) - Als völliger Branchenneuling, aber getrieben von dem tiefen Wunsch Kunsthändler zu werden, gründete Roman Norbert Ketterer 1946 das Stuttgarter Kunstkabinett. Nach seiner Rückkehr aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft im Dezember 1946 unterstützte der 9 Jahre jüngere Bruder Wolfgang ab Januar 1947 das Unternehmen durch seine Mitarbeit.
Im September desselben Jahres kam der erste Auktionskatalog mit Handzeichnungen und Druckgraphiken von Max Slevogt heraus. Er umfaßte 183 Nummern und wurde in einer Auflage von 500 Exemplaren gedruckt. Trotz der schlechten Nachkriegszeiten wurde die Auktion ein voller Erfolg. Hier wurde eine Marktlücke aufgetan zwischen dem Allernotwendigsten und der Sehnsucht nach dem Schönen.
Eine Nachtragsversteigerung mit expressionistischer Graphik von Max Beckmann über Oskar Kokoschka bis hin zu Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff wurde anberaumt. Wagemutig wurde im Kunstkabinett zum ersten Mal in Deutschland die im Dritten Reich als "entartet" verbotene und verfolgte Kunst auf dem freien Markt angeboten. Das Ergebnis bestätigte, was die beiden Brüder schon lange ahnten: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Auch in schlechten Zeiten, wie nach dem zweiten Weltkrieg, braucht die Seele mehr als Holzschuhe und Steckrübenbrot. So machte man sich die Erfüllung dieses tiefen Bedürfnisses der Menschen nach kreativer Schönheit in der Eberhardstraße 65 in Stuttgart zur Aufgabe und verhalf zahlreichen bis dato verfemten Künstlern zu neuem Ansehen und ungeahntem Weltruhm.
Bereits der Katalog für die zweite Auktion im Februar 1948 erschien in einer Auflage von 3000 Stück und offerierte unter anderem Werke von Chagall, Corinth, Dix, Feininger, Kirchner, Kollwitz, Kubin und Toulouse-Lautrec. Weitere Erfolge knüpften an, und in nur wenigen Jahren etablierte sich das Stuttgarter Kunstkabinett als wichtigstes Auktionshaus für Moderne Kunst. Es war Treffpunkt großer Künstler, Kunstliebhaber und bedeutender Menschen aus Kultur, Wirtschaft und Politik.
1954 trennten sich die beruflichen Wege der beiden Brüder aus dem Südost-Schwarzwald. Während Wolfgang Ketterer seine eigene Galerie in der Stuttgarter Hackländerstraße eröffnete, übernahm Roman Norbert Ketterer in diesem Jahr die Nachlassverwaltung des Werkes von Ernst Ludwig Kirchner. Nach seiner Übersiedelung im Jahr 1962 nach Campione d'Italia am Luganersee widmete er sich in zahlreichen Publikationen seinen bevorzugten Künstlern. Seine Bemühungen vor allem um das Werk Ernst Ludwig Kirchners fanden schließlich 1992 in der Gründung des Kirchner-Museums in Davos ihren Höhepunkt. Zehn Jahre später wurde Roman Norbert Ketterer, der am 19. Juni 2002 verstarb, unmittelbar neben dem Grab des von ihm so sehr geschätzten Expressionisten auf dem Waldfriedhof von Davos-Frauenkirch beigesetzt. Seine Galeriearbeit sowie sein Engagement am Kirchner-Archiv führen seine Kinder Ingeborg Henze-Ketterer und Günther Ketterer sowie sein Schwiegersohn Wolfgang Henze in Bern-Wichtrach fort.
In der Zwischenzeit war Wolfgang Ketterer 1965 mit seiner Galerie von Stuttgart nach München gezogen. Die Villa des "Salonmalers" Franz von Stuck war über viele Jahre Sitz dieser Institution der Modernen Kunst bis 1982 das großzügige Carolinenpalais in der Brienner Straße 25 zu Wolfgang Ketterers Stammhaus in der Isarmetropole avancierte. Neben verschiedenen Ausstellungen wurden im Prachtbau des Architekten Gabriel von Seidl, jährlich zwei Auktionen mit Moderner Kunst durchgeführt.
Fast 20 Jahre später, zog es das Familienunternehmen zurück in die Prinzregentenstraße in die direkte Nachbarschaft der Villa Stuck. Im Haus mit der Nummer 61, dem Prinz-Alfons-Palais, werden nun seit Juni 2001 die Geschicke der Firma geleitet.
Im Jahre 1989 weitete Ketterer Kunst seine Aktivitäten in den hohen Norden aus und übernahm das 1795 gegründete Hamburger Buch- und Kunstauktionshaus F. Dörling. Damit konnte die Angebotspalette vergrößert werden. Heute umfaßt das Auktionsprogramm des Hauses an der Elbe zwei jährliche Auktionen Alte und Moderne Kunst / Maritime Kunst und zwei Auktionen Wertvolle Bücher - Manuskripte - Autographen - Dekorative Graphik.
Mit dem Umzug im Juni 2001 vom Neuen Wall in die 1500 qm großen Räume des ideal zwischen Speicherstadt und Binnenalster gelegenen Meßberghofs vergrößerte Robert Ketterer, der das Haus seit dem wohlverdienten Ruhestand seines Vaters Wolfgang im Jahr 1994 leitet, die Fläche des Hamburger Domizils um das Dreifache. Dies ermöglichte die Einrichtung einer zentralen Katalogisierungsstelle im ehemaligen Ballin-Haus. Die Recherchen für die zahlreichen Auktionskataloge und Sonderpublikationen können seitdem noch effektiver gestaltet werden.
Neben der Hauptaktivität des Hauses im Bereich der Auktionen ist Ketterer Kunst auch mit Sonderveranstaltungen aktiv. Hier fungiert das Haus gerne als Schnittstelle und bündelt die Kompetenzen verschiedener Partner. So konnte Robert Ketterer zum Beispiel im die TU München für Vorträge zum Thema "Die Kunst und die Verfälschung" gewinnen. Sein Anliegen war es nicht nur seinen Kunden, sondern auch der Klientel der beiden Partner, ArabellaSheraton und American Express, mehr Hintergrundwissen zum Thema Kunst zu vermitteln. Neben gelegentlichen Benefizauktionen werden auch immer wieder Ausstellungen mit thematischen Schwerpunkten organisiert. Besonders hervorzuheben sind die Veranstaltungen mit Werken der Expressionisten, wie Ernst Ludwig Kirchner, dem man im Hause Ketterer besonders verbunden ist, oder auch die Wanderausstellung mit Arbeiten von Tom Wesselmann, mit der man sich einem zeitgenössischen Künstler widmete. Auch lokale Größen wie Herbert Achternbusch kommen hier zur Geltung.
Ketterer Kunst unterhält außerdem Repräsentanzen in Tokio und in New York.
Informationsstand: April 2006 |