Lithostein. 42,5/43,5 x 31,5 x 2 cm. Unten links seitenverkehrt signiert 'Rudolf Schlichter'. - An den Rändern vereinzelt mit Materialausbrüchen. Mittig mit kaum wahrnehmbarem Fettfleck.
Provenienz
Privatsammlung Berlin
Ausstellungen
Halle/Saale 2016 (Kunstverein "Talstrasse"), Eros und Apokalypse, außer Katalog
Literatur
Mitteldeutsche Zeitung vom 23.6.2016; Kunstmarkt.com 30.8.2016 |
Weitere Details:
Visionär apokalyptische Szenerien, „Bilder der biblischen Geschichte […], Darstellungen von Schlachten und blutigen Greueltaten“ zeichnete Rudolf Schlichter nach eigener Aussage schon als Kind (zit. nach Ausst. Kat. Rudolf Schlichter. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Tübingen/Wuppertal/München 1993, S. 9). Später, nach seinem Studium an der Akademie Karlsruhe, bot sich ihm wie manch anderem seiner Künstlerkollegen im schillernden Nachtleben Berlins der 'Roaring Twenties' Raum, seinen sadomasochistischen Phantasien Ausdruck zu verleihen. Seit 1919 in Berlin, arbeitete er für Heartfield und Herzfelde als Illustrator und wurde Mitglied der Kommunistischen Partei. Mit George Grosz gründete er fünf Jahre später eine kommunistische Künstlervereinigung, die „Rote Gruppe“. Mit Grosz verband ihn darüber hinaus eine enge Freundschaft, zeitweise bewohnten sie in Berlin gemeinsam ein Gartenhaus. Möglicherweise war es dieses Grundstück, auf dem der Lithostein 2016 gefunden wurde, als Pflasterstein herumgedreht. Unversehrt hat sich die Zeichnung erhalten. Ob aber überhaupt jemals von dem Stein lithographische Abzüge gemacht worden sind, ist ungewiss; erhalten hat sich wohl keiner. Die in der „Schaubude“ gezeigte Szene ist zwischen Bordell, Varieté, Kostümparty und Film zu verorten. Verteilte Halbmonde und die arabisch-türkische Bekleidung des Paares im vorderen Bildgrund sind Reminiszenzen an das osmanische Reich, wobei die ohnehin zu dem Zeitpunkt schon aus der Mode gekommenen Knöpfstiefelchen, unpassend zur Haremshose, Schlichters Obsession für dieses Schuhwerk ins Bild rücken. Der halbierte, männliche Torso, qua seinen Hörnern zum ‚Affen gemacht', ist zum tatenlosen Zuschauer sexueller Übergriffe verdammt. Die Aquarelle „Filmtürken“ und „Armeniergreuel“ von 1920/1921 zeugen von Schlichters Interesse an der orientalischen Kulisse, die in der UFA-Stadt Berlin mit entsprechenden Filmthemen gefördert wurde (s. Ausst. Kat. 1993, op.cit. S. 108, 109). |