| | Rembrandt, Der Mennonitenprediger Cornelius Clasz. Anslo und seine Frau Aeltje Gerritsdr. Schouten, 1641 | |
„Die Nachtwache“, „Susanna im Bade“ oder „Mädchen am Fenster“: Diese Bilder von Rembrandt Harmenszoon van Rijn (1606-1669) kennt fast jeder. Von diesen Bildern und ihrer Magnetwirkung auf das breite Publikum erhofft man sich in Berlin in den nächsten drei Monaten rund 250.000 Besucher. Die Staatlichen Museen zu Berlin nehmen den 400sten Geburtstag Rembrandts zum Anlass, den niederländischen Ausnahmemaler und unbestrittenen Meister der Hell-Dunkel-Malerei mit gleich drei Ausstellungen zu würdigen. Die „Genie auf der Suche“ betitelte Ausstellung mit 80 Gemälden ist die größte Rembrandt-Schau weltweit in diesem Jahr. Daneben wird auch das zeichnerische Werk mit insgesamt 55 Gemäldestudien, Genreszenen, Landschaften und mythologischen Darstellungen präsentiert. Ebenso in Berlin zu sehen: über 100 herausragende Blätter aus dem umfangreichen druckgrafischen Werk des virtuosen Radierers.
Original oder Fälschung, Kopie oder Variante? Seit 1968 beschäftigt sich das Amsterdamer Rembrandt Research Project, eine international tätige und von Museum zu Museum reisende Expertengruppe mit der Frage, ob ein Rembrandt zugeschriebenes Bild tatsächlich eigenhändig vom Meister gemalt wurde oder aber von einem seiner zahlreichen Schüler. Mittels stilkritischer und naturwissenschaftlicher Methoden versuchen die Experten, der „Handschrift“ einzelner Werke genau auf die Spur zu kommen. Da wird auch schon einmal ein Neurophysiologe zu Rate gezogen, um die Zwanglosigkeit und Spontaneität des Rembrandtschen Pinselstrichs zu ergründen.
Prominentestes Beispiel für die Revision einer zuvor als unumstößlich geltenden Zuschreibung ist „Der Mann mit dem Goldhelm“, jenes oft reproduzierte, kleine, aber umso berühmtere Meisterwerk aus der Gemäldegalerie der Staatlichen Museen zu Berlin. Im wilhelminischen Kaiserreich mit seiner Vorliebe für prachtvolle Uniformen und operettenhaftem Prunk galt „Der Mann mit dem Goldhelm“ als das Paradebeispiel für Rembrandts Malerei. Heute jedoch ist die Forschung davon überzeugt, dass gerade der Maler dieses Bildes wohl allzu sehr bestrebt war, den Ausdruck Rembrandt Harmenszoon van Rijns zu treffen. Das Bild gilt heute als extreme Übersteigerung des Rembrandtschen Stils oder, wie es im Katalog der Berliner Ausstellung sehr schön formuliert ist, als „rembrandtesker als ein echter Rembrandt“.
Doch egal. Wer sich eingehender mit dem Phänomen Rembrandt beschäftigt, kommt nicht an der Tatsache vorbei, dass Rembrandt nicht nur Künstler, sondern auch Unternehmer war und seine Werkstatt ein überaus gut organisierter mittelständischer Betrieb. Allein die Anzahl der überlieferten Unterrichtsverträge deutet auf mehr als 25 Schüler hin, die im Laufe der Zeit in der Werkstatt des Meisters tätig waren. 100 Gulden Lehrgeld pro Jahr hatten diese zu zahlen. Zudem gingen ihre Bilder in den freien Verkauf. Der Nutznießer dieses modernen Modells war Rembrandt, der dadurch zeitweise über ein extrem hohes Einkommen verfügte. Das Kopieren und Nachahmen von Bildern, die Produktion von Varianten im etwas anderen Format oder die spiegelbildliche Übertragung eines Motivs waren fester Bestandteil der Unterrichts- und Produktionspraxis.
Die Frage nach dem Original, dem einzigartigen authentischen Werk eines genialen Einzelgängers also, so wie sie sich uns heute stellt, war zu Rembrandts Lebzeiten eher nachrangig. Seine Bilder wurden als Werkstattprodukte verkauft. Seine zeitgenössischen Kunden nahmen an dieser Praxis offenbar wenig Anstoß, ja, sie förderten sie sogar. So sorgte die Witwe des Rahmenmachers Herman Doomer dafür, dass alle ihre Kinder nach ihrem Tod die Bildnisse der Eltern erhalten sollten. Die ursprünglich 1640 gemalten Porträts wurden also 14 Jahre später in gleich mehrfacher Ausfertigung nochmals reproduziert. Ein Rembrandt war eben das, was aus der Werkstatt kam. Das Teamwork im 17. Jahrhundert funktionierte. Rembrandt war nicht nur das virtuose Malergenie, sondern auch die treibende Kraft einer modernen und effektiven Werkstattproduktion.
Der Besucher der Berliner Rembrandt-Trilogie sollte sich vom Zu- und Abschreibungswirrwarr der Experten des Rembrandt Research Projects nicht beirren lassen. Beschriftungen wie Rembrandt mit und ohne Fragezeichen, Rembrandt Werkstatt, Rembrandt Umkreis, Rembrandt und/oder Werkstatt, Rembrandt zugeschrieben oder die Zuordnung bestimmter Gemälde zu einzelnen namentlich bekannten Schülern und Assistenten wie Carel Fabritius stiften mehr Verwirrung als Klarheit. Wer die reichhaltig und hochkarätig bestückte, auf farbigen Wänden stimmig präsentierte und ebenso dezent wie effektvoll ausgeleuchtete Ausstellung verlässt, ist um einige Erkenntnisse reicher. Rembrandt war nicht nur ein großer Erzähler von Geschichten und Mythen, biblischer und historischer Szenen und ein ausgezeichneter Porträtist. Er war ein avantgardistischer Künstler im modernen Sinne, der Gattungsgrenzen ebenso spielerisch überwand, wie er sich Marktmechanismen souverän zu eigen machte.
Die Ausstellungen „Rembrandt - Genie auf der Suche“, „Rembrandt - Ein Virtuose der Druckgraphik“ und „Rembrandt - Der Zeichner“ sind noch bis zum 5. November zu sehen. Die Gemäldegalerie und das Kupferstichkabinett im Kulturforum Potsdamer Platz haben täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags zusätzlich bis 22 Uhr geöffnet. Der Eintritt für alle drei Ausstellungen beträgt zusammen 15 Euro, ermäßigt 7,50 Euro.
Kataloge:
Rembrandt. Genie auf der Suche; DuMont Verlag, 420 Seiten, 400 Abbildungen, 30 Euro
Rembrandt als Zeichner. Der Berliner Bestand; Hatje Cantz Verlag, 240 Seiten, 175 Abbildungen, 28 Euro
Rembrandt. Ein Virtuose der Druckgraphik; SMB DuMont Verlag, 168 Seiten, 129 Abbildungen, 19,90 Euro |