 |  | Rolf Hans, Blau-Rot, 1962 | |
„Die Welt, ganz allgemein, ist bunt, mit Farbigkeit nähert man sich dem Ideal, Farbloses wäre unangemessen.“ Das war Rolf Hans’ Credo, eines Malers und – wenn man den Begriff der Skulptur eng fassen möchte – Objektkünstlers, der zeitlebens nicht gerade zu jenen zählte, denen man das Attribut „mainstream“ anhängt. Die Ausstellungsliste des Künstlers verzeichnet seit 1964 nur Galerien bei Basel und in Frankfurt, eine geplante Ausstellung in der Kunsthalle Basel platzte durch den überraschenden Tod des damaligen Direktors Carlo Huber. Ist es deswegen, weil sich Hans nie um der Vermarktung seiner Produkte willen der Kunst widmete, sondern seiner eigenen Hingabe und Leidenschaft wegen, dass sie eine so große, unmittelbare Authentizität besitzt? Weil er ausprobierte und unabhängig davon schuf, ob seine Kunst gerade zeitgemäß war oder nicht? Wer seine Bilder gesehen hat, wie im vergangenen Jahr in der Frankfurter Galerie Jörg Schuhmacher oder jetzt auf der Art Karlsruhe ebenfalls bei Schuhmacher, der wird sie jedenfalls nicht einfach achtlos vergessen, eben weil sie so zeitlos sind.
Begonnen hatte Alles ganz anders. 1938 in Frankfurt am Main geboren, absolvierte Rolf Hans zunächst eine Banklehre und kam erst über den Umweg der Fotografie zur Malerei. Auch die Musik – er war in jungen Jahren Schlagzeuger und begeisterter Jazzliebhaber und nahm intensiven Anteil an der Frankfurter Szene – regte zunächst seine künstlerischen Sinne an; zeitlebens sollte sie einen hohen Stellenwert in seinem Leben besitzen und Freundschaften mit Anthony Braxton, György Kurtág und John Cage zur Folge haben. Erst 1958 beginnt er mit seiner malerischen Tätigkeit, freilich als Autodidakt, der zunächst keine künstlerische Ausbildung genießt. Es muss ihn aber doch getrieben haben, seine eigenen künstlerischen Mittel zu erweitern und hinzuzulernen von einem, der weiter war als er. Heinz Kreutz ist zwischen 1961 und 1963 sein erster und einziger längerfristiger Lehrer, vermittelt durch seine Ehefrau Magda, mit der er sich schon in jungen Jahren vermählt hat.
Nun entstehen die Bilder der ersten Werkgruppe. Bei kaum einem Künstler lassen sich diese so klar voneinander abgrenzen wie bei Rolf Hans. Die „Fleckenbilder“-Phase reicht bis zum Jahr 1965, dazwischen liegen die Übersiedlung mit seiner Familie nach Basel und die erste Ausstellung in der Galerie Toni Brechbühl, die ihn bis in die 1990er Jahre hinein regelmäßig im Programm führen wird. Ernst Wilhelm Nay, ja vielleicht sogar ein bisschen Emil Nolde scheinen durch diese Bilder hindurchzuleuchten, die wie die Sekunde aussehen, in denen man die Kamera auf ein prächtiges Blumenfeld zoomt. Dass er sich nebenbei mit der japanischen Kalligrafie beschäftigt, ist vor allem seinen Pastell- und Tuschezeichnungen anzumerken.
Wie überraschend dann die Veränderung 1965/66, als er sich an die amerikanische Farbfeldmalerei eines Barnett Newman und Mark Rothko anschließt. Großzügige Farbbalken beherrschen jetzt die Leinwand, an den Grenzen ineinanderfließend und doch scharf voneinander getrennt. Doch es sind nicht einfach Farben, die dort sinn- und gedankenlos sich von einem Ende zum anderen schieben. Schon der Titel mancher Bilder lässt ahnen, dass da mehr dahintersteckt. „Krokus“ stammt aus dem Jahr 1966, und es sind die Farben jener Blume, die sich wie im Banne der Unendlichkeit ganz gleichmäßig von unten nach oben ziehen, als seien es die Lebenslinien dieser schönen und doch so unbeachteten Vorgartenpflanze. Es ist ein abstraktes Stillleben. Ein anderes Bild, das Rolf Hans ebenfalls 1966 „Blau-Grün“ tauft, könnte der Ausschnitt einer Landschaft sein, unheimlich dräuend im schweren Licht einer untergehenden Sonne.
Auch die „Schachtel-“ und „Eckenbilder“, die Hans in ihrer starken Reduktion der Farbenmenge und der Konturgebundenheit schließlich ganz zur Konkreten Kunst führt und zu seinen bis 1976 anhaltenden „Flächenbildern“, lassen erkennen, dass er vor allem von der amerikanischen Kunst seine stärksten Inspirationen erhielt, obgleich er das Reich jenseits des Atlantik nie selbst sieht. Doch die Freundschaften mit Cage, Braxton, Morton Feldman und dem Galeristen Bob Feldman vermitteln Rolf Hans viel von dem, was für seine eigene Kunst gültig werden soll. Bei aller Reduktion: Die Farbe bleibt auch weiterhin sein wichtigstes künstlerisches Mittel, auch in seinen „Monochromen Bildern“, die ab 1976 allmählich die Spätphase im künstlerischen Schaffen Rolf Hans’ einleiten sollen. Auch sie leuchten in Rot, Violett, Olivgrün oder Nachtschwarz.
Allmählich aber neigt sich die Zeit des Künstlers und des Menschen Rolf Hans dem Ende zu, nicht ohne noch einmal neue Wege zu beschreiten. Schon aus den frühen 1970er Jahren datieren die ersten Skulpturen, doch jetzt, in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren findet er in ihnen, nicht zuletzt durch den großen Zyklus „Poesie der Dinge“, sein wahres Medium der späten Jahre. Und es ist in der Tat eine Poesie der Nägel, Eisenteile und Holzplatten, die sich dort zu seltsamen stummen Zeugen der Gegenwart vereinen. Jean Tinguely, sein Basler Künstlerkollege, oder die Stammeskunst der Afrikaner sind nur unzureichende Mentoren für eine solche Gestik. Es ist eine ganz eigene Form, eine Gratwanderung zwischen Schönheit und Vergänglichkeit, die Rolf Hans dort dem Betrachter gegenüberstellt. Vergänglich war auch er, wie Alles. Zwei Jahre vor seinem Tod widmet Kurtág dem Freund die Liedkomposition „Friedrich Hölderlin: Zwei Fragmente“, im Sommer 1996 stirbt Rolf Hans in seiner Wahlheimat Basel. |