„When things cast no shadow“ – die vagen Dinge also, die keinen Schatten werfen, ist Thema der aktuell stattfindenden Berlin Biennale. Christoph Tannert, Chef des Berliner Künstlerhauses Bethanien, ergänzt die Biennale im eigenen Haus um diejenigen künstlerischen Positionen, die auch die hellsten Tage gründlich überschatten. Die Ausstellung „Daydreams & Dark Sides“, mit der er Rückseite, Hintergrund oder Gegenposition zur Biennale bieten möchte, stellte er aus weitgehend in den Berliner Galerien etablierten, künstlerischen Positionen zusammen. Im Gegensatz zu der international besetzten Großausstellung zeigt Tannert fast ein Heimspiel. Bis auf den Leipziger Tilo Baumgärtel arbeiten die zehn vertretenen Künstler allesamt in Berlin.
Und dennoch ist eine Schau zusammengekommen, die von einer anderen Welt handelt. Ein Tagtraum ist ja weitaus absichtsvoller und abgründiger als ein gewöhnlicher, unschuldiger, nächtlicher Traum. Trotzdem sind natürlich Nächte Heimat des Dunklen, dies belegt Tannert mit den Nacht- und Stadtlandschaften, die von Britta Lumer atmosphärisch mit Kohle verwischt werden. Des weiteren mit der surrealen Nacht, durch die der Leipziger Tilo Baumgärtel in seinem Film „Megafon“ zu Partymusik ein unternehmungslustiges solches wandern lässt, mit der Nacht, in der Bernhard Martin seinen Joseph, in diesem Fall Beuys, einer Maria ein merkwürdiges Ständchen mittels Alphorn bringen lässt, und mit jener, in der ATAK – alias Hans-Georg Barber – die Protagonisten seiner Zeichnungen in den opulenten und quälenden Ornamenten einer nach außen gekehrten, inneren Zerrissenheit wach und gefangen hält.
Und tatsächlich ist hier Dunkelheit von Tageszeiten unabhängig, Ruprecht von Kaufmanns Bildgeschehen findet in einer von Nebel wattierten Malerei statt, Thomas Helbig collagiert Formen von Tiernasen zu einer absichtsvoll abstoßenden, pechschwarzen Skulptur, Sophia Schama setzt den Blickwinkel ihrer großformatigen Malerei extrem nah an die abgebildeten Gewächse und lässt mit schweren, breiten Pinselstrichen den Alptraum eines jeden Gartenzwerges entstehen. Andreas Hofer arbeitet mit Verweisen und holt per Titel Edgar Allan Poe und auf Umwegen Charles Baudelaire mit ins Boot.
Feinsinniger auf dem Gebiet des Alptraumhaften zeigt sich Ralf Ziervogel, der seine großformatigen, zierlichen Zeichnungen allerdings ebenso origineller- wie überflüssigerweise in einem riesigen, knallroten und begehbaren Rahmen auf dem Fußboden präsentiert. Wer sich bückt, ahnt detailliertes und virtuoses, unheimliches Geschehen. Ein mysteriöser Altar von Markus Selg thront über der Ausstellung. Alle diese Arbeiten handeln von ungeklärten oder unerklärten, höchst persönlichen Weltsichten. Insgesamt wird die Ausstellung dadurch dem eigenen Anspruch gerecht, Kunst zu zeigen, die sich jenseits einer für zweckgebundene Gesellschaftsdiskurse nutzbaren Greifbarkeit bewegt.
Die Ausstellung „Daydreams & Dark Sides“ ist noch bis zum 30. April im Studio 1 zu sehen. Das Künstlerhaus Bethanien hat mittwochs bis sonntags von 14 bis 19 Uhr geöffnet. |