Moskauer Konzeptualisten in der SchirnZu dritten Mal widmet sich die Schirn in Frankfurt der russischen Kunst im 20sten Jahrhundert und präsentiert seit dem Wochenende die Moskauer Konzeptkunst. Mit den beiden vorangegangenen Ausstellungen „Die große Utopie“ zur russischen Avantgarde der Moderne und „Traumfabrik Kommunismus“ zur Kunst der Stalinzeit hat sie die wichtigsten künstlerischen Entwicklungen des vergangenen Jahrhunderts in Russland und der Sowjetunion dokumentiert und analysiert. Die Moskauer Konzeptualisten traten Ende der 1960er Jahre erstmals mit Aktionen, Installationen und Texten hervor, die die Bilderwelten der sowjetischen Ideologie kritisch reflektierten. Da das Kunstleben in der Sowjetunion einer strengen ideologischen Zensur unterstand, wurden die Aktivitäten der Künstlergruppe als eine Art politischer Provokation empfunden, eignete sie sich doch das Privileg der Interpretation von Kunst und Gesellschaft an, das allein der Kommunistischen Partei zustehen sollte. Von den zuständigen Behörden wurde die Gruppe zwar toleriert, war aber vom offiziellen Ausstellungsbetrieb sowie von den staatlich kontrollierten Massenmedien fast vollkommen abgeschnitten. Den Endpunkt setzt Kurator Boris Groys folglich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991. Die Ausstellung präsentiert rund 130 Werke von 30 Künstlern, darunter Erik Bulatov, Ilya Kabakov, Vitaly Komar & Alexander Melamid, Alexander Kosolapov, Igor Makarevich, Jelena Jelagina, Andrei Monastyrski, Boris Mikhailov, Dmitri Prigov, Leonid Sokov und Vadim Zakharov.
Der Name „Moskauer Konzeptualismus“ verweist einerseits auf die Moskauer Untergrundszene und andererseits vor allem auf die angloamerikanische Konzeptkunst der 1960er Jahre, die den Moskauer Künstler dank westlicher Zeitschriften und Kataloge bekannt war. Die westliche Konzeptkunst, die mit Mitteln der Sprache institutionelle Kritik vor allem an den Marktmechanismen der Kunst übte, wurde in der Sowjetunion, da es dort keinen Kunstmarkt gab, transformiert. Hier wurde der Wert eines Kunstwerks durch die Regeln der symbolischen Ökonomie bestimmt. Der theoretische, philosophische, ideologische oder kunsthistorische Diskurs entschied somit über das Schicksal eines Kunstwerks. Der Moskauer Konzeptualismus verstand sich somit als eine Untersuchung der sowjetischen symbolischen Ökonomie, die privat, ironisch, profan benutzt und variiert wurde. In diesem Sinne praktizierte der Moskauer Konzeptualismus Aufklärung.
Die Ausstellung „Die totale Aufklärung – Moskauer Konzeptkunst 1960-1990“ ist bis zum 14. September zu sehen. Geöffnet ist dienstags bis sonntags von 10 bis 19 Uhr, mittwochs und donnerstags zusätzlich bis 22 Uhr. Der Eintritt für beide Ausstellungen zusammen beträgt 8 Euro, ermäßigt 6 Euro. Der Katalog kostet in der Schirn 29,80 Euro, im Buchhandel 39,80 Euro.
Schirn Kunsthalle Frankfurt
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